GA-Sonntagskicker: Schiedrichter Typen: Mal Sündenbock, mal Hoffnungsträger

BONN · Ohne Unparteiische ist geregelter Fußball nicht möglich. Doch die Arbeit auf dem Platz wird oft zur Herausforderung. Wie werden Referees auf ihren Job vorbereitet? Ein Besuch bei einem Anwärter-Lehrgang.

 Fußball 1.Bundesliga, 18. Spieltag: Hertha BSC - FC Augsburg am 23.01.2016 im Olympiastadion in Berlin. Schiedsrichter Tobias Stieler hilft Herthas Vedad Ibisevic auf die Beine. Foto: Annegret Hilse/dpa (Wichtiger Hinweis: Aufgrund der Akkreditierungsbestimmungen der DFL ist die Publikation und Weiterverwertung im Internet und in Online-Medien während des Spiels auf insgesamt fünfzehn Bilder pro Spiel begrenzt.) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Fußball 1.Bundesliga, 18. Spieltag: Hertha BSC - FC Augsburg am 23.01.2016 im Olympiastadion in Berlin. Schiedsrichter Tobias Stieler hilft Herthas Vedad Ibisevic auf die Beine. Foto: Annegret Hilse/dpa (Wichtiger Hinweis: Aufgrund der Akkreditierungsbestimmungen der DFL ist die Publikation und Weiterverwertung im Internet und in Online-Medien während des Spiels auf insgesamt fünfzehn Bilder pro Spiel begrenzt.) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Foto: picture alliance / dpa

Es laufen die letzten Spielminuten einer spannenden Kreisligapartie, als es noch einmal hitzig wird: Elfmeter oder nicht? Beide Mannschaften umlagern den Schiedsrichter, und von außen kommentieren zahlreiche Zuschauer die Szene. Eine Situation, die wohl jeder Schiedsrichter im Amateurfußball schon einmal erlebt hat und die am Ende häufig dazu führt, dass der Unparteiische als Sündenbock herhalten muss.

Dass die Rolle des Spielleiters bei jungen Menschen dennoch beliebt ist, zeigen die regelmäßig stattfindenden und gut besuchten Anwärter-Lehrgänge in den Fußballkreisen. Die Jugendlichen, zumeist zwischen 12 und 16 Jahren alt, sind dabei nicht nur angehende Schiedsrichter, sondern auch noch etwas anderes: Hoffnungsträger. Durch sie soll gewährleistet werden, dass es auch in Zukunft genügend Unparteiische gibt, die Woche für Woche auf den Fußballplätzen stehen.

„Wir sind im Bonner Kreis ganz gut aufgestellt, da wir noch alle Senioren- und Juniorenspiele mit Schiedsrichtern besetzen können. Da wir aber auch viele Referees haben, die 50 oder 60 Jahre alt sind, müssen wir uns um die Gewinnung von Nachwuchsleuten bemühen“, betont Manfred Harder, Vorsitzender des Kreis-Schiedsrichterausschusses.

Ein Blick auf die Statistik verdeutlicht diese Problematik: Von den 198 Senioren-Schiedsrichtern im Kreis Bonn sind über ein Drittel mindestens 45 Jahre alt. Zwar verzeichnet der Kreis steigende Zahlen bei den Jung-Schiedsrichtern, doch für die Verantwortlichen entsteht bei den Nachwuchskräften häufig eine weitere Herausforderung, wie Harder erklärt: „Viele der jungen Leute beginnen später eine Ausbildung oder ein Studium. Dann lassen sie ihre Schiri-Laufbahn ruhen und stehen uns nicht mehr zur Verfügung.“

Zudem trennt sich der Kreis nach einer gewissen Zeit von denjenigen Unparteiischen, die bei der Besetzung der Meisterschafts- und Pokalpartien nie zur Verfügung stehen. Auch die eigene Spielerkarriere der angehenden Referees ist ein Punkt, den Harder gleich zu Beginn des Lehrgangs anspricht: „Ich betone direkt, dass wir keine Schiedsrichter ausbilden, die am Wochenende wegen eigener Spiele nicht zur Verfügung stehen.“ Insgesamt wird von allen Unparteiischen erwartet, dass sie 15 bis 20 Spiele pro Saison leiten. Hinzu kommen monatliche Fortbildungen als Pflichtveranstaltungen.

Pflicht ist für die Neuen auch ein angemessenes Auftreten auf dem Platz. Dazu gehört neben dem pünktlichen Erscheinen auch eine möglichst fehlerfreie Spielleitung, wohlbedachte Kommunikation mit den Akteuren oder die Anfertigung eines Spielberichts nach der Partie. Viele Aufgaben, für die im Jugendbereich bis zu 25 Euro und im Senioren-Spielbetrieb 30 Euro als Aufwandsentschädigung gezahlt werden. Die häufige Kritik von Trainern, Spielern und Zuschauern oder im Extremfall tätliche Angriffe gibt es gratis dazu.

Aus diesem Grund beinhaltet die Schiedsrichter-Ausbildung auch einen Kurs in Gewaltprävention. „Hier lernen die Anwärter einerseits, wie sie sich bei Gewaltszenen verhalten sollen, aber auch, was bei rassistischen Äußerungen zu tun ist“, sagt Harder. Zwar hat der Chef der Bonner Schiedsrichtergemeinschaft noch keinen Fall erlebt, wo Nachwuchskräfte wegen Gewalt ihre Tätigkeit niedergelegt haben, doch insgesamt wünscht er sich von allen Beteiligten mehr Fairness: „Es wäre sehr hilfreich, wenn man die Vereinsbrille zu Hause lässt und auch nach heiklen Situationen nicht die Schuld beim Schiedsrichter sucht.“

Wo aber liegt die Motivation, sich den vielen Herausforderungen als Referee zu stellen? Für die 14-jährige Marie, einzige weibliche Teilnehmerin beim Anwärter-Lehrgang, bietet die Arbeit als Schiedsrichterin die Möglichkeit, im Fußball aktiv zu bleiben: „Wegen Knieproblemen kann ich selbst nicht mehr spielen. Nachdem ich bereits einmal als Assistentin geholfen habe und mir das Spaß gemacht hat, will ich nun selbst Schiedsrichterin werden.“

Einen außergewöhnlichen Grund für den Beginn der Schiri-Karriere hatte Anna-Lena Kopanischen (21), die bereits seit fünf Jahren Spiele leitet und auch als Dozentin beim Anwärterlehrgang tätig ist. In ihrer eigenen Zeit als Spielerin sah sie in einer Partie keine Rote Karte, obwohl sie diese nach eigener Aussage verdient gehabt hätte. „Da habe ich mir gedacht: ‚Das machst du besser.‘“ Zwar gibt es neben ihr aktuell nur noch zwei weitere Senioren-Schiedsrichterinnen im Kreis Bonn, doch „insbesondere Damen haben sehr gute Aufstiegsmöglichkeiten, da der Bedarf an ihnen sehr groß ist“, unterstreicht Harder.

Dennoch hat nicht jeder Teilnehmer das Fernziel, möglichst hochklassig zu pfeifen, wie Hakan Cetinkaya beweist: Mit seinen 48 Jahren ist er der mit Abstand älteste Anwärter. „Ich habe aber keine Ambitionen, auf Verbandsebene Partien zu leiten, sondern möchte in der D- und C-Jugend tätig sein“, so Cetinkaya. Als Vater von zwei Söhnen, die beide beim FC Blau-Weiß Friesdorf spielen, wurde er von Vereinsverantwortlichen gefragt, ob er nicht Schiedsrichter werden wolle. „Da es eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung ist und ich behilflich sein wollte, habe ich dann zugesagt.“

Bereits zur Rückrunde werden die Neuen eingesetzt und bekommen als Jung-Schiedsrichter in den ersten Spielen einen sogenannten Paten zur Seite gestellt, die erfahrene Unparteiische sind und den Nachwuchsschiris mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die erste knifflige Situation wird sicherlich nicht lange auf sich warten lassen.

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