GA-Sonntagskicker - Folge 36 Ein Stück Freiheit durch den Fußball

Siegburg · Die Justizvollzugsanstalt in Siegburg hat eine eigene Mannschaft für Inhaftierte. Das regelmäßige Training im Gefängnis bedeutet für die Spieler weit mehr als nur sportliche Ertüchtigung.

Noch herrscht Leere auf dem roten Kunststoffplatz, der farblich passend von hoch aufragenden Backsteingebäuden umgeben ist. Nur ein Netz mit Bällen und ein paar bunte Hütchen liegen am Rand des Fußballfeldes. Mithilfe eines großen Schlüssels wird eine Tür geöffnet, junge Männer in Sportbekleidung betreten bestens gelaunt, fast schon euphorisch den Innenhof. Es ist Freitagmittag – Trainingszeit für das Gefängnis-Fußballteam der Justizvollzugsanstalt Siegburg.

Alan kann es kaum erwarten, dass es endlich auf den Sportplatz geht. „Ich freue mich wie ein kleiner Junge auf das Training. Wenn ich Fußball spiele, kann ich für einen Moment alle meine Sorgen hinter mir lassen“, berichtet der 23-Jährige. Vor seiner Zeit in der Justizvollzugsanstalt habe er in Bonn beim 1. FC Hardtberg gespielt, nun kickt er immer dienstags und freitags im Innenhof des Gefängnisses.

Alan ist einer von derzeit rund 20 Spielern, denen dieses Privileg zuteil wird. Denn in der Mannschaft dürfen laut Sportkoordinator Jürgen Hensen nur Inhaftierte mitspielen, die sich über ihre sportliche Leistung für höhere Aufgaben qualifiziert haben. „Jedes Haus hat eine eigene Fußballgruppe. Wenn wir dort einen jungen Mann entdecken, der überdurchschnittlich talentiert ist, fragen wir ihn, ob er in unserem Team spielen möchte“, berichtet der 47-jährige Sportbeamte. Allerdings sei es nicht leicht, ausreichend Spieler zusammenzubekommen. „Wir haben hier viele Drogenabhängige und ältere Gefangene, die Probleme mit der Koordination haben. Die Auswahl ist nicht gerade groß“, so Hensen.

Mangelhaft ist auch der Zustand des Kunststoffplatzes, auf dem die Gefängnisauswahl regelmäßig trainiert. Der Platz ist übersät mit provisorischen Flicken, die sich regelmäßig als Stolperfallen erweisen. Außerdem sei ein Training bei Regen kaum möglich, weil sich der Platz bei Nässe wie Schmierseife verhalte. „Das ist problematisch, weil es aus Gründen der Sicherheit umständlich ist, einen verletzten Spieler ins Krankenhaus zu bringen“, so Hensen. Eine Sanierung des Kunststoffbelags werde zwar jedes Jahr beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW beantragt, allerdings sei das Interesse wohl gering, in ein Gefängnis für Erwachsene zu investieren.

Der 29-jährige Jeton ist derweil glücklich, dass er überhaupt spielen kann. „Fußballspielen bedeutet für mich ein Stück Freiheit. Das Herumsitzen in der Zelle kann einen schon verrückt machen. Da tut es gut, zur Abwechslung einfach mal laufen zu können.“

Zusätzlich zum Training bestreitet das Team Freundschaftsspiele gegen Vereine und andere Gefängnismannschaften. Außerdem besteht eine Kooperation mit der christlichen Non-Profit-Organisation „Sportler ruft Sportler“, die aus einem Pool von Spielern regelmäßig Teams zusammenstellt, die gegen die Inhaftierten antreten. Logischerweise finden alle Spiele in der JVA Siegburg statt. „Eine Bunte Liga wie in Aachen gibt es für den Rhein-Sieg-Kreis leider nicht, deshalb müssen wir uns auf Freundschaftsspiele beschränken“, berichtet Hensen.

Deren Verlauf sei in der Regel sehr friedlich. „Die Schiedsrichter haben hier einen vergleichsweise leichten Job. Es gibt kein pöbelndes Publikum und die Jungs verhalten sich meist fair, weil keiner Lust hat, aus der Mannschaft zu fliegen“, sagt Hensen. Außerdem halte man regelmäßig Rücksprache, ob die Inhaftierten sich auch bei der Arbeit in der JVA angemessen verhalten.

Der Fußball sei zudem eine Chance, nach der Zeit im Gefängnis einen Anschluss zu finden. Doch gebe es laut Hensen auch sehr frustrierende Beispiele. „Wir hatten hier einmal einen sehr talentierten 22-Jährigen, den wir an einen höherklassigen Club aus dem Westerwald vermittelt haben und dem sogar ein Ausbildungsplatz samt Fahrticket zur Verfügung gestellt werden sollte." Allerdings sei er niemals beim Training erschienen. "Er hat damals verpasst, sein Leben in den Griff zu bekommen", ärgert sich Hensen bis heute.

Für Alan und Jeton zählt derweil jede Minute, die sie auf dem Fußballplatz verbringen können. Das liegt auch daran, dass die beiden gute Freunde geworden sind. „Wir sind in unterschiedlichen Häusern untergebracht und sehen uns deshalb nur zum Training, das ist ein weiterer Grund, weshalb wir uns auf die Einheiten freuen“, erklärt Jeton. Beide müssen ihre „Jugendsünden“, wie sie selbst sagen, noch bis 2018 in der JVA Siegburg absitzen. Anschließend, so hoffen sie, werden sie sich auch in Freiheit auf dem Fußballfeld gegenüberstehen.

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