Kommentar zur EM-Vergabe Sommermärchen 2024

Meinung | Nyon/Berlin · Deutschland oder Türkei? Der politische Neustart beider Staaten beginnt mit einer Gratulation an den Sport. Der europäische Fußballverband Uefa hat gesprochen. Erstmals nach 1988 wird Deutschland 2024 wieder eine Fußball-Europameisterschaft ausrichten.

 Fußball Bekanntgabe des EM-Gastgebers 2024: DFB-Präsident Reinhard Grindel (M) und EM-Botschafter Philipp Lahm (l) der deutschen Delegation und Aleksander Ceferin (r) , Präsident der UEFA, stehen neben dem EM-Pokal.

Fußball Bekanntgabe des EM-Gastgebers 2024: DFB-Präsident Reinhard Grindel (M) und EM-Botschafter Philipp Lahm (l) der deutschen Delegation und Aleksander Ceferin (r) , Präsident der UEFA, stehen neben dem EM-Pokal.

Foto: Soeren Stache/ dpa

Der Gewinner ist: Fußball. Hoffentlich. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der sich mit seiner Unterstützung für den Erstligisten Basaksehir Istanbul auch eine Basis im Fußball organisiert hat, kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Schalke-Fan) und Kanzlerin Angela Merkel (Deutschland-Fan, Vereinsvorliebe unbekannt) gleich zum Auftakt seines Staatsbesuches in Deutschland gratulieren. Denn grundsätzlich gilt: Sportliche Großereignisse sind gut für das Gastgeberland – und für dessen Regierung. Ein großes Fußballturnier kann das nationale Image aufpolieren.

Deutschland hat den Zuschlag, auch wenn Erdogan versuchte, die Uefa mit Geld, mit der Steuerfreiheit ihrer Einnahmen zu locken. Geschenke, die die Bundesregierung verweigert hat. Steinmeier und Merkel werden gleichwohl jedes Triumphgehabe vermeiden. Sie haben in diesen Tagen des Deutschland-Besuches von Erdogan den Ball ohnehin auf dem Elfmeterpunkt liegen: Ein geglückter Neubeginn des belasteten deutsch-türkischen Verhältnisses wäre schon ein Treffer, mit dem in diesem Fall beide Seiten punkten könnten.

Für den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, Reinhard Grindel, bedeutet das Uefa-Votum erst einmal eine Atempause. Nach dem peinlichen Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei der WM in Russland schon nach der Vorrunde, waren Grindel, Teammanager Oliver Bierhoff und auch Bundestrainer Joachim Löw wegen ihres völlig misslungenen Umgangs mit Fotos der türkisch-stämmigen Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan an der Seite von Erdogan unter Druck geraten. Dass Grindel zunächst versucht hat, den Unmut über das frühe WM-Ausscheiden allein auf Özil zu lenken, war gelinde gesprochen, grob unsportlich. Von wegen Fairplay. Bierhoff und Löw übten sich in Schweigen, wo sie Führung und vor allem Haltung hätten zeigen müssen.

EM-Turnier kein Blankoscheck

Jetzt also wieder ein Erfolg. Wohl auch deshalb, weil die Vergabe an Deutschland kein Risiko ist. Die zehn potenziellen deutschen EM-Stadien sind auf der Höhe der Zeit. Deutschland ist Fußball-Land. Straßen, Schienenwege und Flughäfen müssen nicht erst mit Riesenaufwand gebaut werden, um den Massentransport eines Großereignisses wie einer Fußball-EM zu gewährleisten. DFB-Präsident Grindel hat nun das Turnier, das er brauchte, um die Kritik an seiner Amtsführung leiser werden zu lassen.

Ein EM-Turnier im eigenen Land ist dennoch kein Blankoscheck. Grindel wie auch die Deutsche Fußball-Liga stehen unter Druck, weil sie die Milliardenmaschine Fußball-Bundesliga allzu sehr dem Kommerz unterordnen. Von Freitag bis Montag gestückelte Spieltage, Disput mit den Fans, die Entfremdung der Nationalmannschaft, bei der Sponsorentermine wichtiger genommen werden als der Kontakt zu ihren Zuschauern. All dies hat Distanz, Unmut, Argwohn geschaffen. Ein Funktionär ist ein Funktionär. Er ist mehr Politiker als Sportler. Wir hoffen trotzdem auf ein Sommermärchen 2024.

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