EU-Innenministertreffen Seehofer hofft auf Flüchtlingsabkommen

Innsbruck · Ohne Abkommen zur schnelleren Rücknahme von Flüchtlingen ist die Einigung der Koalition im Asylstreit nur wenig wert. Innenminister Seehofer ist nach seinen Verhandlungen mit EU-Kollegen optimistisch - bringt aber auch wieder nationale Alleingänge ins Spiel.

 Italiens Innenminister Matteo Salvini und sein deutscher Amtskollege Horst Seehofer sprechen in Innsbruck zu Journalisten.

Italiens Innenminister Matteo Salvini und sein deutscher Amtskollege Horst Seehofer sprechen in Innsbruck zu Journalisten.

Foto: Barbara Gindl/APA

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat mehrere neue Abkommen mit anderen EU-Staaten zur beschleunigten Rücknahme von Flüchtlingen in Aussicht gestellt.

"Ich habe hier sehr viel Zuspruch bekommen, dass auch andere Länder da dabei sein wollen", sagte der CSU-Chef beim EU-Innenministertreffen in Innsbruck. Zusagen gebe es aktuell aber nur von 11 Staaten und nicht mehr von 14, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem EU-Gipfel Ende Juni erklärt hatte. Während des Ministertreffens habe er auch mit der Schweiz über ein mögliches Abkommen geredet. Nun werde den fraglichen Staaten "eine Art Rahmen-Vereinbarung" zugeschickt.

Bis spätestens Anfang August strebt Seehofer solche Abkommen auch mit Österreich, Griechenland und Italien an. Er habe "ein Stück Optimismus, dass es uns gelingen kann, die Binnenmigration gemeinsam zu lösen". Italien und Österreich waren nicht unter den 14 Ländern, von denen Merkel Ende Juni Zusagen zur beschleunigten Rückführung von Asylbewerbern erhalten hatte.

Die Abkommen mit EU-Staaten zur Rücknahme bereits registrierter Flüchtlinge sind zentraler Bestandteil der Einigung im wochenlangen Asylstreit der großen Koalition. Falls sie nicht zustandekommen, stellte Seehofer erneut nationale Alleingänge in Aussicht. "Je weniger europäisch gelingt, desto mehr muss man dann national Vorkehrungen treffen." Merkel lehnt Alleingänge Deutschlands vehement ab.

Seehofer betonte am Donnerstag mehrfach, innerhalb der kommenden Monate müsse Fortschritt erzielt und die Migration in die EU deutlich reduziert werden. Seine CSU hatte Merkel im Asylstreit heftig unter Druck gesetzt. Als Hintergrund dieser Forderung galt auch die bevorstehende Landtagswahl in Bayern im Oktober.

Am Rande des EU-Ministertreffens kam Seehofer auch zu Gesprächen mit seinen Kollegen aus Österreich und Italien, Herbert Kickl und Matteo Salvini, zusammen. Beide gelten als Hardliner in der Migrationspolitik. Salvini verweigert Schiffen privater Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer Flüchtlinge retten, das Einlaufen in italienische Häfen. Kickl forderte zuletzt sogar, innerhalb der EU sollten gar keine Asylanträge mehr gestellt werden können. Zusammen inszenierte Seehofer mit ihnen einen Schulterschluss, sprach von freundschaftlichem Verhältnis und posierte mit ihnen für die Fotografen.

Dabei widersprechen sich ihre Interessen in zentralen Punkten. Seehofer will vor allem, dass Salvini Flüchtlinge von Deutschland zurücknimmt. Salvini, der Chef der fremdenfeindlichen Lega ist, betonte zuletzt mehrfach, dazu nicht bereit zu sein. Bevor Europa seine Außengrenzen nicht schütze, werde Italien keinen einzigen Flüchtling zurücknehmen. Wie er Salvini davon überzeugen wolle, Flüchtlinge zurückzunehmen, ließ Seehofer am Donnerstag offen. Falls die Gespräche scheitern und Seehofer im Alleingang Flüchtlinge an der Grenze zu Österreich abweist, wäre die Alpenrepublik direkt betroffen.

"Auf die höfliche Frage vom deutschen Kollegen Seehofer, der mich gefragt hat, aus Deutschland kommende Migranten zurückzunehmen, habe ich genauso höflich gesagt: Nein, danke!", sagte Salvini nach dem Treffen. Er betonte: "Wenn die Abfahrten, Ankünfte und Toten drastisch reduziert werden, wird es keinerlei Problem an den inneren Grenzen der Union geben." Auch Seehofer sagte: "Das alles hat keinen durchschlagenden Erfolg, (...) wenn es nicht gelingt, an der Außengrenze Ordnung zu schaffen."

Besserer Außengrenzschutz also - dieses Thema steht in der EU derzeit ganz hoch im Kurs. Luxemburgs Minister Jean Asselborn sagte am Donnerstag hingegen: "Das ist ein gepflegtes Wort für Abschottung."

Ende Juni hatten sich die 28 Staats- und Regierungschefs der EU auf eine deutlich verschärfte Migrationspolitik geeinigt. Demnach sollen die Außengrenzen Europas besser geschützt und die Grenzschutzagentur Frontex schon bis 2020 auf 10 000 Beamte verstärkt werden. Dafür fand Kickl zufolge auch unter den Innenministern breite Zustimmung.

Auch die Idee von Sammellagern in Nordafrika, in die gerettete Bootsflüchtlinge gebracht werden sollen, wolle man vorantreiben. Bislang hat sich allerdings kein Staat dazu bereit erklärt, ein solches Lager auf seinem Boden einzurichten. Kickl stellte trotzdem einen Modellversuch in einem nordafrikanischen Staat in Aussicht.

Österreich hat bis Ende des Jahres den EU Ratsvorsitz inne und kann die Agenda der Staatengemeinschaft steuern. Kickl treibt vor allem das Thema Außengrenzschutz voran. Wie genau dies aussehen könnte, ließ er jedoch auch am Donnerstag offen.

Heftige Kritik kam von der Linken. "Die Seehofers dieser Welt bringen keine Lösungen zustande, sondern nur noch Parolen, Symbolpolitik und leere Ankündigungen", erklärte Linken-Chefin Katja Kipping. Mittlerweile müssten Nicht-EU-Länder wie Albanien, Marokko und Tunesien die EU daran erinnern, dass die "angestrebten Internierungslager" menschenrechtswidrig seien und man "Menschen nicht wie Giftmüll verklappt", wie es Edi Rama, Regierungschef Albaniens, drastisch ausdrückt habe.

Hilfsorganisationen warfen den EU-Staaten vor, ihre Politik habe "tödliche Folgen". "Es war eine kaltblütige Entscheidung, Männer, Frauen und Kinder im Mittelmeer ertrinken zu lassen. Das ist unfassbar und nicht hinnehmbar", erklärte Karline Kleijer von Ärzte ohne Grenzen. "Die politische Entscheidung, die Häfen für die Ausschiffung Geretteter zu schließen, und das totale Chaos im zentralen Mittelmeer haben zu noch mehr Toten geführt auf dieser ohnehin lebensbedrohlichsten Fluchtroute über das Meer", sagte Sophie Beau, Vizepräsidentin von SOS Méditerranée.

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