Karnevalistische Nachwuchsförderung „Schnüss schwade“ will gelernt sein

HEIMERSHEIM · Ex-GA-Sitzungspräsident Manfred Kolling bildet Enkel und Großneffen zu Büttenrednern aus.

 Manfred Kolling bildet junge Büttenredner aus.

Manfred Kolling bildet junge Büttenredner aus.

Foto: Martin Gausmann

Wenn Omas Kochlöffel zu Mikros und ihre Apfelpfannkuchen zur Nervennahrung, wenn für zwei Stunden aus den Schülern Luca und Marcel die Büttenredner „Tünnes un Schäl“, wenn vor einer mit Orden gespickten Vitrinenwand Einmarsch geübt und Reden geschwungen werden und Opa Manfred über allem wacht, dann ist Probe im Hause Kolling in Heimersheim angesagt. Ob den beiden 14-Jährigen Luca Kolling aus Sinzig und Marcel Hofmann aus Ringen – der eine Enkel, der andere Großneffe aus der jecken Kolling-Dynastie – klar ist, dass sie von einem der ganz großen Sitzungspräsidenten der Region unter die Fittiche genommen werden?

„Ex bitte“, schmunzelt der heute 72-Jährige, der seine karnevalistische Laufbahn 1958 im gleichen Alter wie die beiden startete und 50 Jahre später das Rednerpult für Jüngere räumte.

Dazwischen lagen Jahrzehnte, die oft von Zufällen geprägt waren, noch häufiger von Improvisation lebten, aber immer von Spaß an der Freud‘ bestimmt waren. „Ich bin ein Fastelovendsjeck durch und durch und kein institutionalisierter Karnevalist.“ Hatte sich der kleine Manni seine ersten Sporen beim Bunten Nachmittag der Kolpingfamilie verdient, ersann er mit 17 die Figur des „Heimesche Tappes“. Schon die Einzüge in die Bütt waren spektakulär: mal mit Nachtkommödchen auf dem Rücken, mal mit Tannenbaum.

1973 leitete er seine erste „Heimesche“ Sitzung. Dann folgte er dem Ruf der Ahrweiler KG, leitete elf Jahre die Kreuzbund- und von 1997 bis 2008 die Hutsitzung. Stationen gab es auch bei der Interessengemeinschaft Künstliche Niere und in Wershofen. Da ging er als Büttenredner rein und kam als Sitzungspräsident wieder raus.

Unvergessen sind ihm jedoch die 13 Jahre als General-Anzeiger-Sitzungspräsident in Bonn. Fuhr er 1988 als Zeitungsbote mit dem Fahrrad in die Bütt des Konrad-Adenauer-Hauses, übernahm er Anfang der 1990er-Jahre von Willi Kirschbaum das Staffelholz. Der, dem man immer und überall das Mikro aufdrehen darf, nur nicht um zu singen, zog bis zum Ende seiner Laufbahn zwei Dinge durch: sein weißes Jackett, wovon er fünf in diversen Größen hatte,und sein Manuskript, auf dem immer nur Stichworte standen, um für rund sieben Stunden als „The Voice“ „de Schnüss zu schwade“.

Dass nicht nur die Fußstapfen des Opas und Großonkels groß sind, sondern auch die der legendären Kölner Vorbilder, darüber sind sich alle im Klaren. Auch die Eltern Marion und Ralf Kolling sowie Ute und Werner Hofmann. Die fahren „Tünnes und Schäl“ zu den Auftritten und singen bei den Proben auch lauthals den „Rätätä“-Einzug. Luca und Marcel, seit ihrem siebten Lebensjahr auf der Bühne, haben mittlerweile schon einen kleinen Fanclub, wenn sie ihre Schoten zum Besten geben. Während „Tünnes“ mit karottenroten Haaren auf Platt fragt, ob seine Mutter auch musikalisch ist, antwortet Schäl im schwarzen Anzug auf Hochdeutsch „mit Knubbele“: „Und wie. Sie kann Geheimnisse ausposaunen, die ganze Nachbarschaft zusammentrommeln, und ab und zu trötet sie sich auch mal einen.“

„Lauter und langsamer“, wirft Manfred Kolling immer wieder bei den Proben ein, „den Kochlöffel an den Mund, sonst krejt Ihr Kasalla.“ Doch das hört sich aus dem Mund des stolzen Lehrers nicht wirklich bedrohlich an. Ihn freut, dass die beiden Jungs mittlerweile bei der AKG-Sitzung ebenso auftreten wie beim Kreuzbund, im Augustinum, bei den Senioren in Heimersheim oder beim Möhnenempfang des Landrates. „Sie haben wesentliche Fortschritte gemacht, sind lockerer geworden. Mimik und Gestik stimmen überein und auch Pausen oder Hänger verstehen sie mittlerweile mit Spontanität zu überbrücken.“ Auch da weiß Kolling, wovon er spricht, musste er doch 2004 im Bonner Brückenforum eine ganze Sitzung ohne Musik durchziehen, weil sich die Band im Termin geirrt hatte.

Fragt man die beiden Gymnasiasten, was sie motiviert, dann sind sie sich einig: „Das Lachen und der Beifall des Publikums.“ Deshalb wollen die Jungs, die für Marc Metzger und Mario Barth schwärmen, auch nicht mehr auf Kindersitzungen auftreten. „Die Kleinen wollen toben, hören einfach bei Büttenreden nicht zu.“ Wenn Opa Manni nach der Session zu Manöverkritik und Pizza einlädt, dann können Luca und Marcel jedes Jahr aufs Neue entscheiden, ob sie weitermachen wollen. „Ich weiß, dass einem die Auftritte Rüstzeug fürs Leben geben. Aber wenn sie keine Lust mehr haben, können sie jederzeit den 'Tünnes un Schäl' an den Nagel hängen. Da gibt es keinen Sippen-Zwang.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Ein Signal gesetzt
Kommentar zur Vertragsverlängerung von Peter Stöger Ein Signal gesetzt