Alain Caparros im Interview Der Rewe-Chef über Pferdefleisch und ein "kleines gallisches Dorf" in Siegburg

KÖLN · Seit rund sieben Jahren steht der Franzose Alain Caparros an der Spitze der Kölner Rewe-Handelsgruppe, die vor allem Lebensmittel und Reisen verkauft. Mit Alain Caparros sprachen Ralf Arenz und Delphine Sachsenröder über Lebensmittelskandale, Online-Konkurrenz und den 1. FC Köln.

 Rewe-Chef Alain Caparros: "Bei ProMarkt haben wir den Online-Trend verpasst."

Rewe-Chef Alain Caparros: "Bei ProMarkt haben wir den Online-Trend verpasst."

Foto: Thilo Schmülgen

Sie leben als Franzose in Deutschland. Sind Sie mit dem Lebensmittelangebot zufrieden?
Alain Caparros: Die Frage wäre vor zwanzig Jahren berechtigt gewesen. Heute bin ich angenehm überrascht, wie gut die Qualität ist bei niedrigeren Preisen als beispielsweise in Frankreich. Auch die Franzosen geben außerdem immer weniger pro Kopf für Lebensmittel aus.

Wieso spielt der Preis bei Lebensmitteln gerade in Deutschland so eine wichtige Rolle?
Caparros: Die Deutschen sind beim Lebensmittelkauf besonders sparsam, weil sie mittlerweile seit über fünf Jahrzehnten von Discountern, vor allem von Aldi, geprägt wurden. Aber die Deutschen sind nicht überall sparsam. Während beim Stück Butter zehn Cent eine wichtige Rolle spielen, zahlt man für den Cappuccino im Café auch problemlos 3,50 Euro.

Wie können Supermärkte gegen die Discounter bestehen?
Caparros: Beide Handelsformen gleichen sich immer mehr an. Die Discounter verkaufen zunehmend auch Markenartikel, um neue Käuferschichten anzusprechen. Supermärkte müssen sich also anders profilieren, etwa durch regionale oder ethnische Sortimente. Im Gegensatz zu Discountern können einzelne Supermärkte - besonders selbstständige Kaufleute - ihr Sortiment genau auf die Zielgruppe abstimmen, und etwa in Berlin türkische Spezialitäten verkaufen und in Gebieten, wo viele Polen wohnen, polnische Lebensmittel. Diese Details kann ein Discounter wegen seiner Strukturen nicht in gleichem Maße beachten.

Wie stellt sich Rewe auf den Online-Handel ein?
Caparros: Bei unserer Elektronikkette ProMarkt haben wir den Trend zum Internetverkauf schlicht verpasst. Weit über 20 Prozent der Umsätze mit Unterhaltungselektronik werden bereits online getätigt. Dagegen hat der stationäre Einzelhandel allein wegen der höheren Kosten keine Chance. Die Leute kommen zu uns und lassen sich beraten, dann kaufen sie bei der Konkurrenz im Netz. Wir prüfen derzeit alle Optionen, wie wir dieser Situation begegnen können.

Der Online-Handel mit Lebensmitteln läuft - auch bei Rewe - noch schleppend.
Caparros: In einigen Warengruppen steigen die Online-Umsätze rasant. Dazu gehören zum Beispiel Tiernahrung und Wein. Frische Lebensmittel liefert Rewe testweise in derzeit sechs deutschen Städten. Das Problem ist der Transport vom Laden zum Kunden. Wir wollen Online-Handel für frische Lebensmittel erst flächendeckend einführen, wenn die Qualität gewährleistet werden kann. Es ist ein Lernprozess für Handel und Kunden. In vielen anderen Ländern funktioniert das Drive-in-Konzept sehr gut, bei dem Kunden online bestellen und die fertig gepackten Tüten im Laden abholen. Dafür ist vielleicht in Deutschland die Laden-Dichte zu hoch. Aber auch das testen wir.

Wie trifft die Online-Konkurrenz Rewes Touristik-Branche?
Caparros: Es gibt zwar einen massiven Trend zu online, aber die Kunden wollen weiterhin in Reisebüros beraten werden. Wir sind deutscher Marktführer im stationären Reisevertrieb mit 2100 Vertriebsstellen und ich sehe derzeit überhaupt nicht, dass wir darauf verzichten können.

Zurück zu den Lebensmitteln. Rewe hat mehr Engagement für Nachhaltigkeit angekündigt, unter anderem durch bessere Haltungsbedingungen für Schlachttiere. Produkte mit dem Tierwohl-Siegel sind dennoch kaum bei Rewe zu finden.
Caparros: Eine Rewe allein kann da kaum etwas bewirken, bei artgerechter Tierhaltung brauchen wir eine Branchenlösung.

Dabei steht das Thema Fleisch durch den jüngsten Skandal mit Pferdefleisch bei Ihren Kunden stark im Fokus?
Caparros: Gegen Betrug wie in diesem Fall können auch wir uns nur bedingt wappnen. Allein 2012 haben wir unsere Eigenmarken 26.000 mal testen lassen, das sind mehr Proben als einzelne Bundesländer beauftragen. Aber auf Pferdefleisch wären wir nicht gekommen. Rewe und Penny haben die Konsequenz gezogen, nur noch deutsches Rindfleisch in Fertigprodukten der Eigenmarken zu verwenden. Noch heute haben wir Umsatzeinbußen in dieser Warengruppe. Gemeinsam mit der Industrie müssen wir uns gegen schwarze Schafe wehren.

Rewe arbeitet mit der Siegburger Dohle-Gruppe, dem Betreiber der Hit-Märkte, zusammen. Was sind die gemeinsamen Perspektiven?
Caparros: Senior-Chef Kurt Dohle ist eine beeindruckende Unternehmerpersönlichkeit. Wir sind an der Gruppe nicht beteiligt, das ist auch nicht das Thema. Ich schätze, das Unternehmen wird langfristig unabhängig bleiben, eine Art kleines gallisches Dorf in Siegburg. Sollte es irgendwann bei der Familie Dohle andere Überlegungen geben, würden wir uns mit dem Thema befassen.

Was sind Ihre Zukunftspläne?
Caparros: Mit 60 werde ich bei Rewe aufhören. Selbst der beste Joghurt hat ein Mindesthaltbarkeitsdatum.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Trikotsponsoring des 1. FC Köln?
Caparros: Ich bin positiv überrascht. Dabei ist es gar nicht allein wichtig, ob der Verein gewinnt oder verliert. Noch wichtiger ist, wie die Spieler auftreten. In der vergangenen Saison waren wir aber auch unzufrieden, weil es zu Ausschreitungen im und um das Stadion gekommen ist. Der Name Rewe darf nicht mit Gewalttätern in Verbindung gebracht werden.

Zur Person:
Der in Algerien geborene Franzose Alain Caparros (56) leitet seit 2006 die Kölner Rewe-Gruppe. Zu den bisherigen beruflichen Stationen des Betriebswirts gehören der Kosmetikhersteller Yves Rocher, der Discounter Aldi und die Schweizer Handelskette Bon Appétit.

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