Winzerfeste nach dem Krieg: Ahrweiler Urgesteine erinnern sich

Anfang gab's Ochs am Spieß - Ein Wochenende lang die Sorgen vergessen

Winzerfeste nach dem Krieg: Ahrweiler Urgesteine erinnern sich
Foto: Martin Gausmann

Ahrweiler. Die Rotweinmetropole hat im Krieg einiges mitgemacht. Große Teile der Stadt lagen in Trümmern. Im Herbst 1948 ließen es sich die Ahrweiler trotzdem nicht nehmen, erstmals nach dem Krieg wieder Winzerfest zu feiern.

Otto Schäfer und Willi Becker, zwei Ahrweiler Urgesteine, können sich im Gespräch mit dem General-Anzeiger noch gut an die ersten Winzerfeste Ende der 40-er und in den 50-er Jahren erinnern.

Damals begann das Fest erst am Samstag. "Bis Samstagmittag wurde noch gearbeitet, da konnte man nicht früher anfangen", so Otto Schäfer. Einige Ahrweiler hat es aber doch schon am Morgen auf den Markt verschlagen, um die Vorbereitungen für eine besondere Leckerei zu treffen, den Ochs´ am Spieß. Früh morgens haben die Metzger angefangen, den Ochsen in einem großen Kasten mit Gas zu garen.

Der heute 83-jährige Willi Becker half als Metzger stets mit. "Zwischen dem alten Bürgermeisteramt und dem Polizeiamt haben wir unseren Posten bezogen", so Becker. Heute sind das die Volksbank und das "Cheyenne" auf dem Marktplatz. An einem Wochenende wurde so ein ganzer Ochse verzehrt. "Das war bei den Besuchern sehr beliebt", erinnert sich Becker.

Der Marktplatz sah aber beim Winzerfest noch ein wenig anders aus, als heute. Weinstände gab es nicht, nur ein großes Festzelt, das 1 000 Personen Platz bot, einen Stand, an dem man Bons und die Weingläschen kaufen konnte und natürlich einen Weinbrunnen, der bereits seinen Platz an der Stelle hatte, wo heute der Brunnen vor der Kirche steht.

"Der Wein wurde aus kleinen Stitzen ausgeschenkt", sagt Otto Schäfer. Stitz, das ist eine zehn Liter fassende Kanne. "Ein Gläschen Wein kostete 30 Pfennig, eine Flasche 85 bis 90 Pfennig." Zum Vergleich: "In den Fabriken gab es damals Stundenlöhne von 60, 80 und 90 Pfennig", erinnert sich Schäfer. Die Bevölkerung war immer noch vom Krieg gezeichnet, das Geld war knapp. "Es begann sich erst langsam wieder alles zu normalisieren. Die Geschäfte füllten sich wieder, Bäckereien und Metzgereien öffneten", erinnert sich Willi Becker.

Umso mehr wollte Ahrweiler wieder Leute ansprechen und anwerben. Konrad Steinkämper, damaliger Leiter des städtischen Verkehrsamtes, war einer der Hauptinitiatoren des ersten Winzerfestes nach dem Krieg. "Zusammen mit Bürgermeister Christian Ulrich rief er das erste Fest ins Leben", so Becker.

Ein Wochenende lang konnten die Ahrweiler ihre Sorgen vergessen. Auch wenn der Festumzug am Sonntag und Montag noch durch die teilweise in Trümmern liegende Stadt zog, die Festbesucher ließen sich ihre gute Laune nicht nehmen.

Eine kleine Tradition sorgte beim Weinfest außerdem immer für Lacher: In den 1950-er Jahren ging dem Festzug immer ein alter Torwächter voraus, der auf einem großen Schild geschrieben hatte: "Polizeistunde wegen Regen um eine Stunde verlängert. Ich."

Die Geschichte, die dahinter steckt, zählt zu den alten Ahrweiler Anekdoten, die heute kaum noch jemand kennt. Willi Becker indes kennt sie noch von seinem Großvater: "Vor dem Ersten Weltkrieg ging abends immer noch ein Nachtwächter in Ahrweiler rum, der zur Sperrstunde, also Mitternacht, die Tore abschloss."

Hann-Jupp Koch war jedoch kein Mensch von Traurigkeit und kehrte gerne in der einen oder anderen Kneipe ein. So auch an einem verregneten Abend, als in der Gaststätte Tils in der Niederhut gegen Mitternacht noch gut gezecht wurde. Weil die Herren noch keine Lust hatten nach Hause zu gehen, überredeten sie Koch kurzerhand, die Sperrstunde zu verlängern. Der schrieb darauf hin besagtes Schild.

Zur PersonOtto Schäfer (85) und Willi Becker (83) sind beide in Ahrweiler geboren und haben ihr ganzes Leben dort verbracht. Der Winzer Schäfer und Becker, der im Polizeidienst stand, waren beide bei den Winzerfesten nach dem Zweiten Weltkrieg aktiv mit dabei.

In den 1950-er Jahren war dieses Histörchen noch stadtbekannt und zählte fest zum Winzerfest dazu. Dem Torwächter folgten dann im Festumzug zahlreiche Wagen der Genossenschaften, Weingüter und Weinhändlervereine der Ahr, der Stadt und des Verkehrsamtes. Gezogen wurden sie noch von Pferden. "Traktoren wurden erstmals Anfang der 1960-er Jahre eingesetzt", so Schäfer.

Walporzheim und Bachem gingen auch noch im Festzug mit. Denn eigene Weinfeste gab es in den kleinen Ortschaften noch nicht. Für die Stadt war das Winzerfest nach dem Krieg wieder ein Stück Normalität. Und auch wieder ein Grund zum Feiern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort