Wie ein Sprung aus dem 10. Stockwerk

Fachhochschule und Autobahnbahnpolizei erstellen Studie zum Anschnallverhalten der Autofahrer im Regierungsbezirk Köln - Kontrolle in Bonn

Bonn. Es ist keine schöne Vorstellung: Jemand springt vom Fünf-Meter-Brett - und im Becken ist kein Wasser drin. Das ergibt ungefähr 6,30 Meter freien Fall auf gekachelten Boden, und das Ergebnis ist ein ziemlich unsanfter Aufprall - vergleichbar mit der Wucht, die entsteht, wenn man mit 40 Stundenkilometern gegen eine Mauer fährt. Oder: Der Sprung aus dem 10. Stockwerk eines Hochhauses entspricht dem Aufprall bei 80 Kilometern pro Stunde. Wer den ohne Sicherheitsgurt erlebt, hat so gut wie keine Überlebenschance.

Derartige Vergleiche verfehlen meist nicht ihre Wirkung. Und deshalb werden sie weiter erzählt - auch von der Polizei. "Warum habt ihr euch nicht angeschnallt?" heißt ein Projekt von 15 Studenten der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Zusammenarbeit mit der Autobahnpolizei Köln. Erforscht wird das Anschnallverhalten von Autofahrern, um später mit entsprechend verbesserten Maßnahmen die Anschnallquote zu erhöhen. Erster Schritt der Studie sind Polizeikontrollen im Regierungsbezirk Köln. Am Freitagmorgen waren Bonns Autofahrer an der Reihe.

Wer ohne Sicherheitsgurt von Bonn aus auf die Südbrücke wollte, ging den Polizisten in die Falle. Ein ziviler Posten an der B 9 filterte die Gurtsünder heraus und meldete die jeweiligen Kennzeichen an die Kontrollstelle am Anfang der Südbrücke. "Halt, Polizei". Doch die Autofahrer, die es am Freitag traf - die meisten hatten sich beim Anblick der vielen Polizisten schnell doch noch angeschnallt - konnten erst mal aufatmen: Heute kein Bußgeld. Und dann folgt die erste Frage der FH-Studenten: "Warum waren Sie nicht angeschnallt?"

Wenn auch die Ergebnisse der Studie noch nicht vorliegen, eines steht heute schon fest: Um Ausreden sind die Autofahrer nicht verlegen. "Die meisten haben es einfach vergessen, einige schnallen sich prinzipiell nicht an und wieder andere haben ganz abenteuerliche Ausreden auf Lager", berichtet Sabine Görres, Studentin an der FH. Da kann schon mal ein verschmutzter Pullover schuld sein, weil man ja den Gurt nicht dreckig machen wollte. Auch bei Rückenschmerzen ist das Anschnallen doch eher eine Tortour.

Um Aufklärung geht es den Studenten in erster Linie. "Vielen Leuten ist nicht klar, was passieren kann, wenn man unangeschnallt einen Unfall hat", so Görres. Die nackten Zahlen sprechen für sich: Bei knapp 55 Prozent aller Unfälle mit Todesfolge in diesem Jahr (bis Oktober) wurde die Gurtpflicht nicht eingehalten. Im letzten Jahr waren es im Regierungsbezirk Köln noch rund 35 Prozent.

Die ertappten Autofahrer - glücklich, nichts zahlen zu müssen - werden von FH-Studenten mittels anonymem Fragebogen zu ihrem Anschnallverhalten befragt: "Hätten Sie sich angeschnallt, wenn die Bestrafung höher wäre?"; "Welche andere Bestrafung halten Sie für sinnvoll?"; "Achten Sie normalerweise darauf, dass Ihre Mitfahrer angeschnallt sind?" Nach der Befragung geht es weiter zu einem kleinen VW-Bus, in dem kurze Video-Sequenzen eindrucksvoll darstellen, was bei einem Unfall ohne Gurt passieren kann. "Viele von denen, die anfangs uneinsichtig waren, werden bei diesen Bildern weich", sagt Görres.

Dazu kommen Informationen, die an Schrecken nicht zurückstehen. Ein 75 Kilogramm schwerer Mensch auf der Rückbank beispielsweise entwickelt bei einem Aufprall mit 70 Kilometern pro Stunde ein Gewicht von über drei Tonnen. "Das reicht locker aus, um die vorne sitzenden Insassen zu erschlagen", sagt Görres. Zum Vergleich: Ein Handy wird ungefähr fünf Kilo schwer. Ein Ergebnis der Studie zeichnet sich laut Görres schon deutlich ab: "Rund 80 Prozent der LKW-Fahrer fahren ohne Sicherheitsgurt."

Übrigens: Nicht jeder Autofahrer fühlte sich nur ertappt, sondern war sogar verärgert über die Kontrolle als solche. Ein älterer Herr, dessen Radio laut klassische Musik spielte, beschwerte sich: "Das ist aber jetzt blöd. Ich hätte so gerne dieses Stück von Beethoven noch genossen."

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