Erzählcafé mit Zeitzeugen Raketen starteten im Zweiten Weltkrieg bei Villiprott

Villiprott · Es ging um Fliegeralarm, Bomben und Schokolade. Zeitzeugen erzählen von den letzten Kriegstagen und der Nachkriegszeit in Villiprott - und von den Juden in Meckenheim.

 V2 beim Start aus einer Waldsiedlung. Repro aus "V2 gefrorene Blitze", Wolfgang Gückelhorn, Detlev Paul.

V2 beim Start aus einer Waldsiedlung. Repro aus "V2 gefrorene Blitze", Wolfgang Gückelhorn, Detlev Paul.

Foto: Petra Reuter

Groß war der Andrang im Villiprotter Dorftreff zum Erzählcafé im Februar. Zeitzeugen waren gekommen, aber auch ihre Kinder, Nichten, Neffen und Neubürger. Teilweise hatten sie die letzten Kriegstage oder die Nachkriegszeit an anderen Orten erlebt und wollten die Wurzeln des Rödderortes kennenlernen. Dieses Mal drehte sich das Thema des Nachmittags um die schwierige Zeit um das Kriegsende, die selbst an einem so kleinen Dorf wie Villiprott nicht spurlos vorbeigegangen war.

Als Kind hatte Gertrud Koch aus Villiprott die letzten Kriegstage und den Einmarsch der Amerikaner erlebt. „Die sind die Ellig hochgekommen“, berichtet sie von den Bildern, die sich ihr als Kind ins Gedächtnis gebrannt haben. Tatsächlich war die Ellig, ein Hohlweg zwischen Villiprott und Villip, ein Rückzugsort für die Truppen. Hier hielten sie sich gut geschützt auf, wenn man sich aus strategischen Gründen zurückziehen musste. Der eigentliche Einmarsch sei aber über die Haupteingangsstraße ins Dorf erfolgt, erinnerte sich Willi Heinen. 1933 geboren, erlebte den Einmarsch als Zwölfjähriger. Die ersten Apfelsinen habe man damals zu Gesicht bekommen, und mancher Amerikaner habe den Kindern Schokolade geschenkt.

Soldaten informierten die Bevölkerung

„Damals gab es hier nicht viel“, erzählte er den knapp 25 Cafébesuchern. „45 oder 46 Häuser, mehr war ja hier nicht.“ Umso verwunderlicher, würde man heute meinen, war das Interesse der Streitkräfte an diesem Ort. Wusste man aber von der Waffe, die unweit des kleinen Rödderdorfes eine Zeitlang stationiert war, war das Interesse schon verständlicher. „Im Wald hat das Ding gestanden“, erzählte Gertrud Koch. V2 hieß die Rakete, die ab September 1944 von einer Abschusseinrichtung etwa einen Kilometer nördlich von Villiprott aus, in Richtung Lille, Mons und weitere entfernte Ziele abgeschossen wurde.

„Da kamen an einem Tag plötzlich Soldaten“, berichtete Koch von der letzten Kriegsphase, kurz vor dem ersten Abschuss einer V2. „Die haben an jede Tür geklopft und gesagt, dass am nächsten Tag die neue Waffe abgeschossen wird“, sagte Koch. Sie erlaubten den Bewohnern, aus sicherer Entfernung dabei zuzusehen. Die Beobachter seien erstaunt gewesen, dass der raketenförmige Flugkörper erst einmal ganz lange senkrecht in die Luft stieg, ehe er eine erkennbare Flugrichtung aufnahm.

In Meckenheim wurden alle Juden abgeholt

Jedoch berichteten die Zeitzeugen und Nachkommen nicht nur vom kindlichen Staunen. Sie sprachen auch von den Dingen, die sie wegen ihres geringen Alters nur gesehen hatten und größtenteils damals nicht einordnen konnten. „Irgendwann kam die Nachricht, dass man in Meckenheim alle Juden abgeholt hatte“, erinnerten sie sich. Auch dass jeder das Geräusch der Jagdbomber genau kannte und dass sie häufig fliehen mussten, war ihnen präsent. Wenn nachts nicht genug Platz im Luftschutzkeller war, dann legte man die Kinder auf Tücher auf die Kartoffelkisten zum Schlafen, berichtete ein Zeitzeuge.

Schulunterricht wie man ihn heute kennt, gab es zu dieser Zeit nicht mehr. Nur zwei Mal in der Woche wurde unterrichtet. Einmal sei eine Lehrerin damals nervös geworden, weil die Geräusche der Bomber immer näherkamen. Sie habe die Kinder schließlich sicherheitshalber nach Hause geschickt. Die Bomber waren allerdings schneller. „Wir haben uns mitten auf dem Weg über eine Stunde unter den Büschen versteckt“, erinnerte sich Willi Heinen. „Uns ist nichts passiert.“

Manche Erzählungen handelten von den Zwangsarbeitern. In einer Familie arbeitete ein Pole, der als Kriegsgefangener gekommen war. „Der Alex konnte alles“, hieß es. Vom Haare schneiden über Holzverarbeitung bis zum Schuhe Besohlen setzte er seine handwerklichen Fähigkeiten ein. Man munkelte, dass über das Schnapsbrennen besonders viele Kenntnisse ausgetauscht wurden.

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