Gespräch am Wochenende: Andrea Caminneci „Mein erster Whisky war älter als ich selbst“

Meckenheim · Andrea Caminneci aus Meckenheim ist unabhängiger Whisky-Abfüller und Geschäftsführer von Wine & Spirit Partner. Er spricht über das „Wasser des Lebens“.

 Edler Whisky ist die Leidenschaft von Andrea Caminneci. Der unabhängige Whisky-Abfüller gehört zu dem kleinen Kreis der Deutschen, die in den erlesenen Bund „Keepers of the Quaich“ aufgenommen wurden.

Edler Whisky ist die Leidenschaft von Andrea Caminneci. Der unabhängige Whisky-Abfüller gehört zu dem kleinen Kreis der Deutschen, die in den erlesenen Bund „Keepers of the Quaich“ aufgenommen wurden.

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Wie gelangt ein Rheinländer mit italienischen Wurzeln, dessen Vater eine Baumschule betrieb, zum Whisky?

Andrea Caminneci: Im Endeffekt durch eine Aneinanderreihung von Zufällen. Den ersten Whisky, den ich getrunken habe, verdanke ich einem Onkel. Es war ein Glenlivet,18 Jahre alt. Der Whisky war älter als ich selbst – mit 16 Jahren. Mein Vater meinte: Probiere lieber mit mir zusammen als heimlich. Ich fand es sensationell. Dann habe ich viele Jahre später mal was von einem unabhängigen Abfüller probiert – ein Whisky in einem Sherryfass gelagert. Wow, was für eine Welt. Anfang der 90er Jahre bin ich nach Italien in die Gastronomie gegangen und in Italien war Whisky schon viel mehr Thema als in Deutschland. Nach dem Studium war ich einem Urlaubsclub in der Toskana mit einem sehr ehrgeizigen Hoteldirektor. Der verlangte von mir, die beste Whisky-Karte Italiens zusammenzustellen. Drei Monate hatte ich Zeit und 100 Whiskys zur Auswahl.

Eine anspruchsvolle Aufgabe, fürwahr.

Caminneci: Das Weitere hat sich dann nach und nach ergeben. Ich kam nach Meckenheim zum Feinkostexperten Rungis Express. Von dort ging es – um die Ecke – zu Schlumberger. Eigentlich war ich Verkaufsleiter für Wein, aber es ergab sich relativ schnell: man erkannte, ich solle das Produktmanagement für Whisky übernehmen. Dann lernte ich die Whiskyhändler und Whiskyfreaks kennen. Es sind Freundschaften entstanden, die bis heute intakt sind. 2006 habe ich mich selbstständig gemacht.

Was macht einen besonderen Whisky aus?

Caminneci: Da gibt es viele Kriterien und wahnsinnig viele Meinungen: Alter, Preis, Ausstattung. Ich sage ganz ehrlich: Wenn ich einen Whisky probiere, habe ich ein schwarzes Glas und weiß nicht, was drin ist. Wenn er dann gut ist, ist er besonders gut. Aber natürlich ist es schon irre, einen Whisky zu trinken, der 1850 destilliert worden ist. Andererseits bin ich kein Verfechter der These, ein Whisky muss fünf, zehn oder 15 Jahre oder älter sein, bevor er schmeckt. Ich habe schon so tolle dreijährige und so gruselige 40-jährige Whiskys getrunken. Jedes Fass ist ein Naturprodukt und schmeckt anders.

Wie erkennt ein Laie, ob Qualität in der Flasche schlummert und kein Fusel? Am Herkunftsort, dem Alter, dem Etikett?

Caminneci: Wenn Scotch draufsteht, wissen Sie zumindest, dass er drei Jahre alt ist und im Holzfass gelagert wurde. Scotch-Whisky hat sehr enge Qualitätskriterien, ganz anders als Rum, Wodka oder Cognac. Beim Cognac kann ich draufschreiben, 100-jährige Destillate verwendet zu haben, wenn ich eine Pipette voll ins Fass hineingebe. Die meisten anderen Länder, die Whisky herstellen, haben diese strengen Kriterien übernommen. Ich sage, dass es auf der Welt nur zwei Sorten von Whisky gibt: der, der mir schmeckt und der, der mir nicht schmeckt. Was nutzt es mir, wenn 50 Experten einem Whisky 100 Punkte geben, die Flasche extrem limitiert ist und 500 Euro kostet, aber er schmeckt mir nicht. Dann ist das ein schlechter Whisky.

Neben Schottland und Irland kommen auch Produzenten aus Ländern wie Indien, Taiwan, die Schweiz, Frankreich oder Deutschland auf die Idee, Whiskys herzustellen. Können die den schottischen das Wasser reichen?

Caminneci (atmet schwer): Ich bin da immer ein bisschen zwiegespalten. Einerseits bin ich fasziniert, wie die Taiwanesen es geschafft haben, so exzellent guten Whisky auf den Markt zu bringen. Auf der anderen Seite bin ich erschrocken, wie es möglich ist, ohne das entsprechende Wissen, sondern nur mit Kleingeld etwas in zehn Jahren aufzubauen, wofür die schottische Whisky-Industrie 500 Jahre gebraucht hat. Japan macht seit 100 Jahren Whisky, ist also auch gewachsen. Die haben das genau kopiert und erst jetzt ihren eigenen Stil entwickelt. Manche deutschen Whiskys schmecken wie Obstler, weil sie nach ähnlichem Verfahren hergestellt werden. Es gibt mittlerweile tolle Whiskys aus Österreich, Italien, Holland, Dänemark, Schweden, Indien, Tasmanien – überall auf der Welt. Es ist ein Wirtschaftsfaktor.

Wie reifte die Idee, ein unabhängiger Whisky-Abfüller zu werden?

Caminneci: Ich habe mit zwei bis drei Weingütern, einem Wodka aus Polen und einem Whisky-Likör angefangen. Es kamen aber immer mehr Anfragen, ob ich auch Whisky hätte. So kam die Idee, selbst abzufüllen und den ganzen Schnickschnack wie die schicke Verpackung oder das schick geprägte Label wegzulassen. Wir haben zwei Fässer gekauft, in Flaschen abgefüllt, Etikette und Korken drauf – fertig. An einem Mittwoch oder Donnerstag habe ich die Kunden angeschrieben, am Montag waren die Flaschen ausverkauft. Zwei Wochen später kamen die Händler und fragten, wann die nächsten Abfüllungen kommen. In elf Jahren haben wir um die 200 Fässer abgefüllt.

Seitdem es kaum noch Zinsen auf der Bank gibt, setzen manche auf edle Whiskys oder Weine als Investment. Eine gute Strategie?

Caminneci: Vordergründig Ja. Die Preise sind in den vergangenen Jahren unheimlich gestiegen. Aber wie schon bei Cognac, Bordeauxwein oder Champagner befürchte ich, dass da irgendwann eine Preisblase platzen könnte. Ein neues Thema sind Mikro-Destillerien, die etwa nur lokale Gerste verwenden. Ob die nun besser oder schlechter ist...

Wie es sich für einen Unternehmer aus Meckenheim schickt, entdecke ich auch einen Apfelwein im Sortiment, der außerdem im Whiskyfass zur Reife gelangt. Welchen Einfluss hat dies auf einen Apfelwein?

Caminneci: In dem Fass hat vorher viele Jahre Whisky gelegen. Das Destillat zieht Aromen aus dem, was vorher mal drin war. Die Aromen vom Whisky zieht sich der Cider raus – nicht über Jahre, aber bis zu sechs Monate lang. Dieser Cider ist deutlich herber als ein klassischer, würziger und hat mehr Aromen. Darum kommt er bei Whiskyliebhabern unheimlich gut an.

Sie sind 2011 in den erlesenen Bund „Keepers of the Quaich“ aufgenommen worden, so etwas wie die „Hall of Fame“ für alle, die sich mit dem „Wasser des Lebens“ beschäftigen. Wie kamen Sie zu dieser Ehre?

Caminneci: Die „Bewahrer des Kelches“ sind, wenn man so will, eine Lobbyorganisation. Aufgenommen wird, wer viel für den schottischen Whisky leistet. Das Ganze ist sehr britisch: mit einem Präsidenten, vielen Barone, Grafen und Earls. Nüchtern betrachtet, muss dich ein Keeper vorschlagen und ein weiterer Keeper dich unterstützen. Ein Komitee entscheidet, und dann gibt es ein edles, sensationelles Bankett auf Blair Castle in Schottland. Weltweit gibt es 2500 Keeper, in ganz Deutschland sind es 50.

Wer sich tagsüber beruflich intensiv mit Whisky beschäftigt, kann der sich dann am Abend, wenn der Tag zu Ende geht, mit Muße hinsetzen und einen Whisky genießen – alleine oder in Gesellschaft?

Caminneci: Ich kann es ohne Frage, ich tue es aber nur sehr selten. Wenn jeder so wenig Whisky trinken würde wie ich, wäre ich längst pleite. Ich habe 1987 während meiner Banklehre angefangen, nebenher in einer Kneipe zu arbeiten. Das ist 30 Jahre her. Seit 30 Jahren habe ich – in irgendeiner Form – einen beruflichen Bezug zu Alkohol. Das machst du nicht 30 Jahre, wenn du eine zu intensive Beziehung hast. Ich trinke privat sehr wenig Alkohol. Ich probiere dafür Muster und probiere auf Messen – das heißt aber nur, die Zunge zu benetzen. Das reicht mir zur Beurteilung. Ich habe mich schon dabei erwischt, ein Wasserglas zu schwenken und daran zu riechen, weil es so in Fleisch und Blut übergeht.

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