Hilflos am Straßenrand Bornheimer auf Weltreise in Sydney überfallen

Sydney/Bornheim · Der 28-jährige Weltreisende Nico Nelles wurde in Sydney von einer Jugendgang, deren Mitglieder zum Teil vorbestraft sind, überfallen. Die Deutsche Botschaft half dem Bornheimer zunächst nicht.

Am 17. Oktober gegen 1 Uhr nachts kam Nico Nelles (28) mit dem Bus im australischen Sydney an. Er war bereits sieben Wochen unterwegs, unter anderem an der Ostküste, und wollte mit dem Flieger nach Melbourne reisen, um dort drei Tage zu verbringen. „Ich hatte aber noch sieben Stunden Zeit, bis mein Flieger ging“, erinnert sich der Bornheimer, der dem General-Anzeiger von einem traumatischen Ereignis während seiner Weltreise berichtet.

Sein Gepäck hatte der gelernte Bäckermeister in einem Hostel abgestellt und für den Trip einen Rucksack gepackt. Auf seinem Handy schaute er die Route zum Flughafen nach und beschloss, zu Fuß zu gehen. Vor seinem Marsch schoss er mit einem breiten Grinsen noch ein Selfie, im Hintergrund das Opernhaus. Es sollte das letzte Foto auf dieser Reise sein, auf dem Nelles lacht. „Ich steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren und telefonierte während des Fußweges mit meinem besten Kumpel Tim in Deutschland“, berichtet Nelles.

Eine Stunde vor Ankunft am Flughafen tauchte plötzlich ein unbekannter Mann mit Kapuze und einem Halstuch über Mund und Nase auf und stellte sich ihm in den Weg. Nelles beachtete die Gestalt kaum und ging telefonierend weiter. Kurz darauf prallte mit voller Wucht ein Golfschläger auf ihn, und er ging zu Boden.

Nelles spürte, wie das Blut floss, seine Lippe aufgeplatzt war, seine Zunge schmerzte und er einige Vorderzähne ausspuckte. Es tauchten weitere Männer auf, die den 28-Jährigen umzingelten, ihm ein Messer an die Kehle hielten, den Inhalt seines Rucksackes plünderten und versuchten, an sein Smartphone in seiner Hosentasche zu gelangen.

Später erfuhr er von der australischen Polizei, dass es sich um eine Jugendgang handelt, deren Mitglieder zum Teil vorbestraft sind. Sie erbeuteten Gegenstände im Gesamtwert von etwa 3000 Euro, darunter auch seinen Pass. Nelles war in dieser Nacht nicht das einzige Opfer. Die Gruppe überfiel zuvor einen Mann und fuhr mit einem gestohlenen Auto zu einem Supermarkt, den sie auch ausraubte.

In der Bonner Uniklinik wurde er erneut operiert

Den gesamten Überfall erlebte Nelles' Freund am Telefon mit. Schockiert informierte er die Eltern des jungen Mannes, der in der Zwischenzeit versuchte, Hilfe zu holen. „Da meine Hände völlig blutverschmiert waren, konnte ich mein Handy nicht entsperren. Ich musste Autos anhalten. Aber keines hielt, die Leute hatten wohl Angst vor mir.

Es dauerte etwas, bis ich einen Passanten davon überzeugen konnte, was mit mir geschehen war, und er Polizei und Rettungswagen rief.“ Fünf Minuten später trafen die Einsatzkräfte ein. Helfer suchten mit Taschenlampen nach den verlorenen Zähnen, während Nelles – vollgepumpt mit Morphium – im Krankenwagen lag.

„Da ich das Auto der Täter gut beschreiben konnte, nahm die Polizei die Verfolgung auf.“ Zu Verhaftungen kam es etwa 18 Tage nach der Tat. Gegen 11 Uhr fand die erste OP für Nelles im St. Vincent's Hospital statt, die drei Stunden dauerte. Draußen belagerten Journalisten das Krankenhaus, die sich ein Interview erhofften.

Bevor Nelles' Vater in den Flieger nach Sydney stieg, informierte er die Deutsche Botschaft in der Metropole. „Er bat, dass jemand zu mir ins Krankenhaus gehen und nach dem Rechten schauen sollte.“ Aber es kam niemand. Des Weiteren schickte der Vater alle Unterlagen für einen neuen Reisepass inklusive biometrischer Passfotos per E-Mail an die Behörde. Sein Sohn hatte vor der Reise Dokumente und Fotos in einer Cloud im Internet abgespeichert.

Anstatt die Unterlagen herunterzuladen, sollen sich die Mitarbeiter nach Angaben des Vaters zunächst „unkooperativ“ verhalten haben. „Mein Vater sollte die Anträge und alle weiteren Unterlagen im Krankenhaus ausdrucken“, erzählt Nelles. Warum die Mitarbeiter nicht auf die Cloud zugriffen, verstehen Vater und Sohn bis heute nicht. Stattdessen sollte sich Nelles mit seinem deformierten Mund in einen Passbildautomaten setzen und neue Fotos machen.

„Mein Vater musste ein zweites Mal in die Botschaft gehen und mit Nachdruck erklären, dass das unmöglich sei. Erst dann kam ein Mitarbeiter ins Krankenhaus und füllte mit mir den Antrag für den neuen Pass aus.“ Das Auswärtige Amt in Berlin teilte schriftlich mit, dass es sich aufgrund des Datenschutzes nicht äußern wolle.

Nächsten Sommer will er seine Tour fortsetzen

Zehn Tage später flog Nelles mit seinem Vater zurück nach Deutschland und wurde in der Bonner Uniklinik erneut operiert. „Die Kosten für den ersten Eingriff hat die australische Regierung bezahlt.“ An die sechs Monate wird es dauern, bis der Heilungsprozess abgeschlossen ist. Momentan sind seine oberen Zähne auf der linken Seite sowie seine Oberlippe taub. Er wartet darauf, dass ihm Schneidezahnimplantate eingesetzt werden.

Seine Weltreise will Nelles „auf alle Fälle im kommenden Sommer fortsetzen“, betont er. „Es war immer mein Traum, diese Reise zu machen, und ich lasse sie mir auch nicht nehmen. Selbst in dem Moment nicht, als ich überfallen wurde und blutend auf dem Boden lag.“ Der junge Mann fühlt sich nicht als Opfer, obwohl er die Bilder dieser schrecklichen Nacht noch immer im Kopf hat. Seiner Meinung nach gehe es letztlich darum, sie nicht zu vergessen, sondern sie richtig einzuordnen.

Neue Bilder werden bald dazukommen. Schöne sogar, wenn ihn Krankenschwester Emma (25, nicht im Bild) und Pfleger Ty (20) zu Weihnachten und Silvester in Deutschland besuchen. Dann kann Nelles „die Herzlichkeit“, wie er sagt, die er von den beiden erfahren hat, zurückgeben.

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