Gespräch am Wochenende mit dem Volkskundler Josef Mangold ist Leiter des Freilichtmusuems Kommern

Mechernich-Kommern · Josef Mangold ist mit Leib und Seele Volkskundler. Seit 2007 leitet er das Freilichtmuseum des Landschaftsverbands Rheinland in Kommern. Das wird jetzt 60 Jahre alt.

 Museumsleiter Josef Mangold vor der alten Schule aus dem Sinziger Stadtteil Löhndorf.

Museumsleiter Josef Mangold vor der alten Schule aus dem Sinziger Stadtteil Löhndorf.

Foto: Hans-Peter Fuß

Josef Mangold: Als Kind leider nicht, denn ich bin ja in Innsbruck aufgewachsen, weil mein Vater dort im Deutschen Konsulat tätig war. Ich bin mit meinen Eltern viel in den Bergen gewandert, die alten Bauernhäuser dort haben mir sehr gefallen. Das Museum in Kommern habe ich Anfang der 80er Jahre als Student kennengelernt.

Ihr erster Eindruck im Museum?

Mangold: Kalt und nass. Wir waren mit dem Seminar zwei Mal im Wintersemester hier, um Häuser zu vermessen. Das erste Mal hat es geregnet, das zweite Mal geschneit. Trotz dieser Umstände hat mich die Arbeit mit den Gebäuden im Freilichtmuseum fasziniert.

Was genau?

Mangold: Die Kombination aus Objekten und Geschichten, die sich um diese ranken. Auch vermeintlich wertlose Dinge können tolle Geschichten erzählen.

Welche denn?

Mangold: Sie berichten uns vom Alltag früherer Generationen. Bringt man sie mit den Menschen zusammen, die sie genutzt haben, dann sprechen sie, dann werden Lebensumstände nachvollziehbar. Details sind wichtig. Es reicht uns nicht, nur ein Objekt hinzustellen.

Nach welchem Konzept entwickeln Sie Ihr Museum?

Mangold: In den 50er Jahren wollte man die Gebäude retten, die durch die Technisierung in der Landwirtschaft verloren zu gehen drohten. Dabei kam es auf Verzimmerungstechnik, regionale Besonderheiten im Hausbau und Funktionszusammenhänge zwischen Stall, Scheune und Wohnbereich an. Erst langsam rückte auch die Einrichtung in den Fokus und wer in dem Haus gewohnt und wie er es verändert hatte. Seit Ende der 60er Jahre wird auch die Kulturlandschaft rings um die Häuser mit Äckern, Wiesen und Weiden samt Nutztieren und historischen Pflanzen gezeigt. Wir verwenden auch altes Saatgut. Mittlerweile ist das Gelände ein Genpool geworden. Bei uns wachsen 28 vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten.

Züchten Sie die Tiere selbst?

Mangold: Ja. Seit den 80er Jahren züchten wir Glan-Donnersberger Rinder und eine alte robuste Schweinerasse, das Deutsche Weideschwein, das früher jeder Bauer hier im Stall hatte. Die Rasse war fast ausgestorben, es gibt sie nur noch bei uns. Derzeit haben wir über 100 Schweine, die wir artgerecht halten und als „KommernSchweine“ vermarkten, als Schnitzel in unserer Gaststätte oder im Glas im Tante-Emma-Laden.

Zu Ostern beginnt die Sommersaison. Auf welche Neuheiten können sich die Besucher freuen?

Mangold: Wir feiern am 28. März ab 16 Uhr den Gründungstag des Museums vor 60 Jahren mit einem Auftritt der Hochseilgruppe Weisheit über dem Marktplatz. Außerdem gibt es eine Überraschung. Beim Jahrmarkt „anno dazumal“ haben wir 90 Attraktionen von der Kaiserzeit bis zur Kirmes der 60er Jahre. Das gibt’s nur bei uns.

Haben Sie baulich etwas verändert?

Mangold: Wir haben unsere Wege verbessert, Barrieren reduziert. Es gibt jetzt einen 2,5 Kilometer langen Rundweg, bei dem die Steigungen weniger als sechs Prozent betragen. Und wir haben das Kopfsteinpflaster geschnitten, so dass es glatter ist und sich ältere Besucher bequemer bewegen können. Es ist auch angenehmer für Rollstuhlfahrer, Buggys oder Bollerwagen. Ein Pilotprojekt des Landschaftsverbandes. Nicht einfach bei unserer hügeligen Topographie.

Sie haben im vergangenen Jahr mit 221 000 Besuchern einen neuen Rekord verzeichnet. Was macht die Faszination Ihres Freilichtmuseums aus?

Mangold: Es ist wohl die Kombination aus Natur- und Kulturerlebnis, die die Leute anzieht. In und an 75 Originalgebäuden auf einem großzügigen Gelände von 100 Hektar wird Geschichte lebendig, begreifbar. Man muss sich bewegen, um dies alles zu erspüren, die Tiere zu sehen. Das geht nur analog, nicht digital.

Wie groß ist der Anteil der Jugendlichen?

Mangold: Etwa ein Drittel. Es kommen viele Schulklassen, die auch bei uns übernachten können. Sie schlafen in unserer Herberge, hacken Holz, um den Ofen anzuzünden, kümmern sich um die Tiere und arbeiten mit unseren Handwerkern. So bekommen sie einen Einblick in das Leben früherer Generationen. Sie ernten Gemüse und kochen selbst und erfahren so, dass es im Garten und nicht im Kühlregal wächst.

Also in der einen Hand das Hackebeil, in der anderen das Handy?

Mangold: Nein. Das Handy ist hier schnell vergessen, was auch am schlechten Empfang hier oben liegen mag. Ich finde es wichtig, die Jugendlichen mal aus ihrer digitalen Welt herauszulocken. Wir präsentieren mehr analog als digital, auch weil viele Gebäude keinen Strom haben.

Woher kommen Ihre Besucher?

Mangold: Ein sehr großer Teil aus einem Umkreis von 150 Kilometern. Köln, Bonn, Aachen, Düsseldorf, Ruhrgebiet, Eifel, Ahr, Mosel, Westerwald, Bergisches Land. Aber auch aus den Niederlanden und Belgien.

Welche Häuser gefallen den Besuchern besonders?

Mangold: Wir werden häufig auf die alte Schule mit dem Backes aus Löhndorf an der Ahr angesprochen. Und auf den Vierkanthof aus Brenig, der bewirtschaftet wird und seit 50 Jahren hier steht. Da kräht der Hahn noch auf dem Mist, und im Stall grunzen Schweine.

Wie schaffen Sie ein solches Haus von seinem Standort ins Museum?

Mangold: Die Fachwerkhäuser wurden früher auseinandergebaut. Die Gefache, also die Füllungen aus Lehm, wurden herausgeschlagen und die Balken zu uns transportiert. Hier haben wir das Holzgerüst wieder aufgerichtet und ausgefacht. Heute verpacken wir ganze Häuser oder zerlegen sie in große Stücke und setzen sie hier wieder zusammen. So haben wir auch die originalen Putze, Farben, Tapeten und alle Gebrauchsspuren, die viel über das Bauen und Wohnen erzählen.

Welche Gebäude oder Einrichtungsgegenstände sind für Sie museal interessant?

Mangold: Ein Haus muss eine Geschichte erzählen und einen Zeitschnitt ermöglichen. An- und Umbauten müssen erkennbar sein, aber auch die Bewohnergeschichte ist wichtig. Ein gutes Beispiel ist die Gaststätte Watteler. Die wurde um 1900 in Eschweiler über Feld erbaut, 1974 wurde eine neue Toilette mit brau-grün-orangenen Fliesen eingebaut. Das Design ist absolut zeittypisch, und deshalb ist das Haus und seine Geschichte für uns museal hochinteressant.

Was haben Sie für das Gasthaus bezahlt?

Mangold: Wir kriegen die meisten Häuser geschenkt.

Wie werden Sie auf passende Gebäude aufmerksam?

Mangold: Leute rufen uns an und nennen uns leer stehende Objekte. Derzeit suchen wir kleine Wohn- und Geschäftshäuser, um unseren Marktplatz Rheinland zu komplettieren. Es fehlen noch etwa 15 Häuser. Wir haben beispielsweise die komplette Ausstattung der Eisdiele Dall´Asta aus Kessenich, aber noch kein passendes Ladenlokal.

Wann ist der Marktplatz fertig?

Mangold: Das kann ich nicht sagen. Ein Museum wird nie fertig. Wir haben noch viele Baulücken.

Haben Sie derzeit Gebäude im Aufbau oder in Planung?

Mangold: Wir arbeiten an einer evangelischen Kirche aus Overath, entworfen vom Bauhaus-Mitbegründer Otto Bartning. Diese Kirche, 1951 gebaut, konnte man in vorgefertigten Teilen liefern lassen, viele Arbeiten wurden von den Gemeindemitgliedern ausgeführt. Sie kann für Gottesdienste, Feiern und Versammlungen genutzt werden. Am 12. April ist Richtfest. Die Wiedereröffnung soll am 22. Juli 2019 sein, 68 Jahre nach der Einweihung.

Was macht eine Notrufsäule zum Museumsobjekt?

Mangold: Auf dem Marktplatz wollen wir auch die Möblierung des öffentlichen Raums zeigen. Dazu gehören diese Säulen, aber auch Telefonzellen, Bordsteinkanten, Reklametafeln, Zäune und Straßenlaternen. Wir suchen auch Sachen, die man heute als Kitsch bezeichnet, wie gestickte Wandbilder oder Porzellanhirschen. Sie sind zeittypisch und daher museal sehr spannend.

Wie lange wird die Dauerausstellung „Wir Rheinländer“ noch zu sehen sein?

Mangold: Wir haben sie 2016 überarbeitet. Sie bleibt noch eine Weile stehen.

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