Musik in der Corona-Krise Wachtberger Gitarrist will schnell wieder auf die Bühne

Wachtberg · Der aus Wachtberg stammende Gitarren-Virtuose André Krengel ist ein musikalischer Weltenbummler. Die Corona-Krise zwingt ihn im Moment jedoch, Hausmusik zu machen.

 Ein Herz und eine Seele: Der Gitarrist André Krengel mit Kakadu Rocko vor der Kulisse der Klosterruine Heisterbach.

Ein Herz und eine Seele: Der Gitarrist André Krengel mit Kakadu Rocko vor der Kulisse der Klosterruine Heisterbach.

Foto: Frank Homann

Es gibt Zeiten, in denen André Krengel seinen ständigen Begleiter Rocko beneiden dürfte. Vor allem momentan. Der Kakadu, der dem Gitarristen nur selten von der Seite weicht, darf wenigstens auch in Corona-Zeiten raus, darf in einem Düsseldorfer Park seine Flügel spreizen und zumindest für ein paar Minuten jenen Hauch von Freiheit erfahren, der seinem Herrchen derzeit untersagt ist. Natürlich geht es nicht anders, die Pandemie verlangt nach Disziplin und Selbstisolation – doch gerade für jemanden wie Krengel ist das nicht einfach.

Immerhin ist er ein Weltenbummler, ein Künstler auf permanenter Entdeckungsreise, der ohne Probleme für immer nur aus dem Koffer leben könnte und das auch oft genug tut. „Ich bin normalerweise nicht mehr als drei Tage im Monat zu Hause“, gesteht der gebürtige Wachtberger im GA-Interview und lacht. „Ich muss mich nun einmal viel bewegen, auch weil ich mit so vielen unterschiedlichen Menschen arbeite, die alle aus verschiedenen Kulturen kommen. Und diese Kulturen muss ich erfahren, um sie verstehen und musikalisch umsetzen zu können.“ Doch daran ist gerade nicht zu denken. Der Ausnahmezustand zwingt Krengel zum Stillstand – und das gefährdet letztlich seine Existenz.

Krengel lebt seit er 15 Jahre alt ist allein

Dabei ist Krengel eigentlich ein Überlebenskünstler. Eine andere Wahl hatte er nicht: Schon mit 15 Jahren lebte er allein, nachdem sich seine Eltern einer religiösen Kommune angeschlossen hatten und Bonn den Rücken kehrten. Vor Gericht hatte Krengel eingeklagt, dass er und seine damals 13-jährige Schwester in der Bundesstadt bleiben konnten, sie bei einer Pflegefamilie, er als Untermieter von Nachbarn.

Eine schwierige Zeit, erzählt er, zumal das Amos-Comenius-Gymnasium ihm nicht jene Räume gab, die er als Schüler gebraucht hätte. „Meine Talente wurden damals nicht erkannt und gewürdigt“, sagt er ganz ohne Groll. Kein Wunder also, dass er sich nach dem Abitur umso mehr der Musik zuwandte. Mit einem Freund brach er zu einer Tour quer durch Europa auf, und als der Winter nahte, zog es ihn in den Sonnenstaat Miami. Krengel spielte Rock, Blues, Jazz, was immer nötig und möglich war. Einige Jahre später wanderte er nach Spanien aus, lernte den Flamenco kennen und die akustische Gitarre lieben. „Ich kann mit ihr viel intensiver spielen als mit der E-Gitarre“, erklärt er. „Ich kann auf diese Weise viel dynamischer spielen und viel besser Spannung aufbauen.“

„Ich verstehe mich als Bindeglied zwischen den Stilen.“

Seine Begabung blieb nicht unbemerkt. Rafael Cortes, einer der großen Flamenco-Virtuosen der Gegenwart, nahm sich seiner an – und stellte ihn eines Abends in einem Hamburger Restaurant Paco de Lucía vor. „Das war schon ein unglaublicher Moment“, erinnert sich Krengel, der sich zunehmend einen Namen als Hansdampf in allen Gassen machte, als einer, der alles spielen konnte und wollte.

„Ich kann nicht einen einzelnen Stil so perfekt beherrschen wie zum Beispiel Rafael Cortes den Flamenco, aber ich bin für alles offen und kann mir vor allem die unterschiedlichen Einflüsse zu eigen machen und etwas Neues daraus entstehen lassen. Ich verstehe mich als Bindeglied zwischen den Stilen.“ Und als musikalischer Übersetzer, der dem portugiesischen Fado ebenso zugetan ist wie dem indischen Raga. „Ich bilde mich ständig weiter“, so Krengel. „Momentan beschäftige ich mich vermehrt mit den Harmonien des Modern Jazz.“ Dafür muss er zumindest nicht das Haus verlassen.

Die Zukunft ist für alle Künstler ungewiss

Wie für alle Künstler ist auch für André Krengel die Zukunft derzeit ungewiss. „Ich habe nie Rücklagen gebildet, sondern meine Einnahmen immer sofort in neue Projekte investiert“, sagt er. „Dennoch mache ich mir keine Sorgen, das habe ich nie gemacht. Und es ist jetzt nicht so, dass ich mich nicht beschäftigen kann.“ Unter anderem mit Vorbereitungen für eine überaus persönliche Solo-Platte.

„Meine Eltern, mit denen ich seit einigen Jahren wieder Kontakt hatte, sind 2018 kurz nacheinander gestorben“, erzählt er. „Meine Mutter verschied, ohne dass ich sie vorher noch einmal sehen konnte. Am Ende saß ich in Spanien an ihrem offenen Sarg und hatte auf einmal das große Bedürfnis, ein Lied für sie zu komponieren. Derartig intime Nummern möchte ich gerne bald mal aufnehmen.“

Planungen für den Herbst laufen

Und ansonsten? Möglichst bald wieder auftreten. „Eigentlich wollte ich ja im August eine Tour durch England machen, bei der ich auch beim Fringe Festival in Edinburgh hätte spielen sollen“, erzählt Krengel. „Aber das ist leider abgesagt worden, weil kein Veranstalter derzeit für den Sommer Künstler bucht.

Ich hoffe, dass wenigstens im Herbst wieder Normalität herrscht. Im Oktober steht auf jeden Fall ein Trio-Konzert in Wachtberg an, im November ist in Bonn die Nacht der Gitarren in der Harmonie, und im Dezember komme ich mit meinem Clubphonia-Projekt, bei dem ich Ohrwürmer und Mainstream-Titel mit Swing, Gypsy Jazz und Flamenco kombiniere. Das wird ein großer Spaß.“

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