Interview mit Oliver Henkel „Man sollte mit dem Bund neu verhandeln“

Wachtberg · Bei der Bürgermeisterwahl in Wachtberg erreichte Oliver Henkel als Direktkandidat der Grünen im ersten Wahlgang 12,2 Prozent der Stimmen. Mit ihm sprachen Rüdiger Franz und Bettina Köhl.

In der Stichwahl zwischen Renate Offergeld (SPD) und Hartmut Beckschäfer (CDU) empfahlen die Grünen die Wahl der Sozialdemokratin. Als Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Gemeinderat bleibt Oliver Henkel der Wachtberger Politik erhalten.

Herr Henkel, nun ist Frau Offergeld mit Ihrer Unterstützung Bürgermeisterin geworden. Welche Gegenleistung erwarten Sie?
Oliver Henkel: Ich persönlich hatte keine Probleme, sie zur Wahl zu empfehlen, da ich sie von Beginn an für die Zweitbeste aller vier Kandidaten gehalten habe. Die Empfehlung in der Stichwahl hat meiner Überzeugung entsprochen und war insofern ein normaler Vorgang und kein Handel.

Was soll und wird sich Ihrer Ansicht nach in der Amtsführung im Rathaus ändern?
Henkel: Es ist natürlich noch etwas früh, hierzu Prognosen zu äußern. Ich glaube aber schon, dass die Durchlässigkeit von Informationen besser funktioniert als zuletzt. Ein Verwaltungschef sollte alle Fraktionen in gleicher Weise auf dem Laufenden halten. Diese Erwartung hat Frau Offergeld zumindest in der ersten Fraktionsvorsitzendenrunde auch bestätigt. Insofern bin ich zuversichtlich.

Die Bürgermeisterin lässt erkennen, dass ihr vernunftgeleitete und möglichst im breiten Konsens getroffene Entscheidungen wichtiger sind als Parteigrenzen. Was sagen Sie dazu?
Henkel: Der Ansatz ist verständlich, ich bin in dieser Frage aber völlig entspannt. Unsere Aufgabe ist es doch, Sachthemen abzuarbeiten, statt andauernd zu fragen, zwischen welchen Fraktionen gerade welche Konstellation herrscht. In der Tat haben sich die klassischen politischen Lager in vielen Köpfen verfestigt. Dabei dienen verbindliche Koalitionsverträge oftmals nur der gegenseitigen Disziplinierung.

Deshalb also gibt es in Wachtberg jetzt keine Koalition mehr?
Henkel: Die Situation ist doch die, dass sich SPD, Grüne, UWG und Unser Wachtberg in vielen wesentlichen Punkten einig sind, so dass es schlichtweg keines ausdrücklichen Koalitionsvertrages bedarf. Die Konsequenz ist: Wir können uns ganz entspannt der Sache widmen und müssen viel weniger Energie dazu verwenden, zu überwachen, dass die vermeintliche Koalitionsdisziplin eingehalten wird. Das kostet nur Zeit.

Was heißt das jetzt aus Ihrer Sicht für CDU und FDP?
Henkel: Dass es konsequenterweise auch in ihre Richtung keine Scheuklappen gibt. Falls es Themen gibt, bei dem sich andere Mehrheiten ergeben – was wäre denn daran schlimm? Das „Dagegensein aus Prinzip“, weil der Ideengeber nicht zum eigenen Lager gehört, kann nicht zu den pragmatischen Lösungen führen, die die Wähler wollen. Inwieweit sich auch CDU und FDP dem Stil der pragmatischen Sachpolitik anschließen, werden wir im Rat sehen.

Wie zufrieden waren Sie eigentlich mit dem Abschneiden der Grünen bei der Kommunalwahl? Sie haben 0,2 Prozentpunkte hinzugewonnen...
Henkel: Ich glaube, wir können ganz zufrieden sein. Man darf nicht vergessen, dass mit „Unser Wachtberg“ eine völlig neue Wählerinitiative auf die Bühne trat, deren Forderungskatalog sich einerseits mit vielen Positionen der Grünen deckt, die andererseits aber auch in hohem Maße Protestpotenzial nutzen konnte. Wir hätten sicher mehr Stimmen erhalten, wenn diese Gruppe nicht angetreten wäre. Aber auch hier gilt: Entscheidend ist für mich, dass vier zusätzliche Ratsmitglieder ähnlich denken wie wir. Insofern ist in der Sache schon viel gewonnen.

Was sind die dringendsten Themen, die angepackt werden müssen?
Henkel: Eine strenge Priorisierung ist schwierig. Definitiv brauchen wir weiterhin ein umfassendes Gesamtkonzept für den Hochwasserschutz in der gesamten Gemeinde Wachtberg.

Das heißt, der von Theo Hüffel vorgelegte Maßnahmenkatalog mit über zwei Dutzend Punkten ist für Sie kein Gesamtkonzept?
Henkel: Wir haben viele Punkte zusammengetragen, die man immer schon hier und da diskutiert hat. Man sollte aber auch fragen: Wie greift alles ineinander, wie wird zugleich die Landschaft geschont. Wir müssen alle Aspekte berücksichtigen und auch die Bürger in die Diskussion einbinden. Schließlich muss das alles noch mit einem weiteren großen Thema in Einklang stehen: Der angestrebten Haushaltskonsolidierung.

In welchen Bereichen sehen Sie den größten Leidensdruck?
Henkel: Neben dem Hochwasserthema auf jeden Fall bei den Sportstätten, und damit meine ich nicht nur die Fußballplätze, sondern auch die Bedingungen für andere Sportplätze. Ich verspreche mir von der neuen Konstellation im Rat, dass wir hier nun verschiedene Lösungsvarianten gedanklich durchspielen und Vor- und Nachteile abwägen können.

Wie bewerten Sie die Situation des ÖPNV?
Henkel: Das Problem ist: Um strukturell wirksame Veränderungen zu erreichen, müsste man in einem Gebiet wie Wachtberg das ÖPNV-Angebot theoretisch verdreifachen, weil sich erst dann das Fahrgastaufkommen signifikant vergrößern würde. Somit werden wir uns immer behelfen müssen. Allerdings: Es gibt auch Strecken, die definitiv schlecht abgedeckt sind, etwa von Adendorf oder von Werthhoven in Richtung Berkum. Andere Angebote sind zu wenig bekannt, etwa der Taxibus, der stündlich von Pech über Villiprott und Villip nach Berkum und weiter nach Züllighoven fährt und telefonisch angefordert werden kann. Hierfür sollten wir noch mehr Werbung machen.

Reicht die Wahlperiode von sechs Jahren, um aus einer Sekundar- eine Gesamtschule zu machen?
Henkel: Das weiß ich nicht. Aber ich glaube, dass wir genug Zeit haben, um herauszufinden, ob das klappt oder nicht. Die langfristige Sicherung einer weiterführenden Schule in Wachtberg obliegt unserer Verantwortung. Wenn wir in dieser Wahlperiode nicht zu einer abschließenden Erkenntnis kommen, hätten wir schlecht gearbeitet. Wie viele Eltern sich mit ihrer Anmeldung dann tatsächlich für eine Gesamtschule entscheiden, können wir immerhin insofern beeinflussen, als wir ihnen mit sorgfältiger Vorbereitung eine solide Entscheidungsgrundlage bieten.

Was sagen Sie zur immer wieder aufflammenden Diskussion um die Bonner Dienstsitze der Bundesministerien?
Henkel: Man sollte auch das pragmatisch sehen und Realitäten ins Auge blicken: Dazu gehört, dass sich die Minister selbst nicht an das Berlin/Bonn-Gesetz halten. Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich mit dem Bund in Verhandlungen treten und fragen: Was ist Dir ein Umzug denn wert? So würde eine zweite, handfeste Vereinbarung möglich, die Bonn und der Region nützt. Jetzt wäre noch die Gelegenheit dazu, in 20 Jahren vermutlich nicht mehr.

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