Appell der Ehrenamtskoordinatorin Flüchtlingsarbeit in Wachtberg braucht Unterstützung

Wachtberg · Die Ehrenamtskoordinatorin Katja Ackermann schlägt Alarm. Im Sozialausschuss mahnte sie, dass die Helfer in der Flüchtlingsarbeit dringend Hilfe benötigten – und zwar von Hauptamtlichen.

 Mehr Flüchtlingsunterkünfte, wie hier das hellblaue Haus in Adendorf, fordert die Ehrenamtskoordinatorin für Wachtberg.

Mehr Flüchtlingsunterkünfte, wie hier das hellblaue Haus in Adendorf, fordert die Ehrenamtskoordinatorin für Wachtberg.

Foto: Matthias Kehrein

Es war nicht die erste Rede von Ehrenamtskoordinatorin Katja Ackermann am Mittwochabend im Sozialausschuss, wohl aber ihre eindringlichste in Sachen Flüchtlingsarbeit. Sie ließ durchblicken, dass es schon später als Fünf vor Zwölf sei: „Mehr als 75 Prozent der notwendigen Flüchtlingsarbeit kann schon jetzt nicht mehr von Mitarbeitern der Gemeinde übernommen werden.“ Der Satz saß und ließ die Ausschussmitglieder aufhorchen.

Was die reinen Flüchtlingszahlen angeht, steht Wachtberg mit 284 Menschen im Vergleich zur Hochphase 2015/16 eigentlich gut da. 162 von ihnen sind sogar anerkannt, 40 werden geduldet, 82 befinden sich noch im Verfahren. Aber, das sagte Ackermann ganz klar, alle benötigten Unterstützung. Unterstützung, die mittlerweile immer schwerer von Ehrenamtlichen aufgefangen werden könne. „Wir haben es vor diesem Ausschuss schon mehrfach gesagt, auch Sie sind gefordert, denn Sie sind von den Bürgern gewählt“, sagte Ackermann in Richtung der Politiker.

Gefordert zum Beispiel, bei der Erstellung eines Leitbildes für den Bereich Integration. Oder bei der Freigabe von zusätzlichen Stellen. Das belegte die Ehrenamtsfachfrau, die für die Gemeinde arbeitet, eindrücklich mit Zahlen. Die 162 anerkannten Flüchtlinge benötigten durchschnittlich eine Stunde Beratung pro Woche. „Damit wären wir bei vier Vollzeitstellen, haben aber nur eine in Form von Tülin Kahlenberg vom Deutschen Roten Kreuz“, so Ackermann, die selbst auch keine volle Stelle hat. Warum denn bei den anerkannten Flüchtlingen überhaupt noch Bedarf sei, wunderte sich Bianca Daubenbüchel (FDP). „Nach drei bis fünf Jahren in einer neuen Heimat kommt meist der Kulturschock, es geht beruflich nicht so weiter wie gedacht und alte Rollengefüge brechen auf“, so Ackermann.

Mit rund drei Wochenstunden an Hilfestellung müsse man bei den 122 im Verfahren befindlichen oder geduldeten Menschen rechnen; das würde sich dann in 9,15 weiteren Vollzeitstellen ausdrücken. Die es nicht gibt. Trotzdem werde die Arbeit aufgefangen. „Die Politik muss gestalten, denn es kommen für die Ehrenamtlichen locker 400 bis 500 Arbeitsstunden pro Monat zusammen“, sagte Kurt Zimmermann für den Ökumenischen Arbeitskreis.

In den vier Unterkünften, die die Gemeinde betreut, sieht die Koordinatorin ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. „Wir haben einen Hausmeister mit zehn Stunden, bräuchten aber, wenn wir rund zwölf Wochenstunden pro Unterkunft ansetzen, 1,2 Vollzeitstellen.“ Denn: Zum einen müssten die Häuser instand gehalten werden, zum anderen entsprächen manche nicht den Mindestanforderungen. „Zudem sind die Unterbringungsmöglichkeiten selbst auf kurze Sicht nicht ausreichend“, mahnte sie.

Hilde Philippi (CDU) war eine der ersten, die das Wort ergriff. Warum, so kritisierte sie, habe es bislang keine Prozessanalyse gegeben.  „Prozessmanagement zieht hier nicht, wir haben Geflüchtete, um die wir uns kümmern müssen“, erwiderte Bürgermeisterin Renate Offergeld. Bernadette Conraths (SPD) wollte wissen, welche Änderungen innerhalb der Verwaltung nötig seien. Hier, das betonte Ackermann, müssten die Infos besser an alle Fachbereiche weitergegeben werden.

„Wir hätten viel früher von uns aus sagen müssen, dass etwas passieren muss“, zeigte sich Philipp Willert (SPD) selbstkritisch. Oliver Henkel (Grüne) gab ihm vollumfänglich Recht: „Zum einen wäre es ein positives Signal an die Ehrenamtlichen, zum anderen wird uns diese Investition hinterher Geld sparen.“ Renate Zettelmeyer (Fraktionslos) meinte abschließend: „Ich höre heraus, ‚wir schaffen es nicht’, also sollten wir das Nötigste beschließen.“ Dem Haupt- und Finanzausschuss empfahlen die Mitglieder, die bereits im Entwurf des Nachtragshaushalts eingeplante Vollzeitstelle des Hausmeisters zu beschließen. Ebenso wie zunächst eine Vollzeitstelle für einen Sozialarbeiter. Dieses Geld ist noch nicht eingestellt.

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