Aktion für Bedürftige Einkaufen im Pfarrheimkeller von Wachtberg

Wachtberg-Berkum · Die Aktion Zugabe organisiert Lebensmittelausgaben für bedürftige Wachtberger und Flüchtlingsfamilien. Der Einkauf dort funktioniert nach einem Punktesystem.

 Die Ehrenamtlichen (v.l.) Josi Duell, Joseph von Radowitz und Dagmar Kleisinger kontrollieren, was die Kunden in den Einkaufskorb gelegt haben.

Die Ehrenamtlichen (v.l.) Josi Duell, Joseph von Radowitz und Dagmar Kleisinger kontrollieren, was die Kunden in den Einkaufskorb gelegt haben.

Foto: Axel Vogel

Bevor die junge Frau aus Nigeria mit ihrem Baby die Treppen zum kleinen Supermarkt hinabsteigen kann, muss sie warten. Denn mehr als drei Kunden gleichzeitig sind im Verkaufsraum nicht zugelassen. Doch das Mitarbeiterteam versüßt die Wartezeit mit Kaffee und Kuchen. Oder auch mit wertvollen Tipps einer Caritas-Mitarbeiterin.

Zweimal im Monat wird das katholische Pfarrheim in Berkum zum Supermarkt des Projekts Zugabe. Dabei handelt es sich um eine kirchliche Initiative des Sachausschusses des Pfarrgemeinderates von St. Marien. Seit sechs Jahren werden haltbare Lebensmittel und Produkte des alltäglichen Bedarfs verteilt. „Ursprünglich waren bedürftige Wachtberger Bürger der Anlass, denn für sie gab es keine Tafel-ähnliche Hilfe wie in Bonn“, erzählt Andrea Neu, Organisatorin der ersten Stunde. 2015 öffnete man sich dann auch für Flüchtlingsfamilien.

Die Kunden müssen Einkommensnachweise vorlegen

An Neu führt im positiven Sinne kein Weg vorbei, wenn man Kunde der Zugabe werden will. Sie checkt die Einkommensnachweise und Ausweise der Bürger. „Es müssen die neuesten Bescheide vorgelegt werden, denn gerade in der Anfangszeit sind wir auch schon mal ausgenutzt worden“, sagt Neu. Da sich das Team den Spendern verpflichtet fühlt, wird gut geprüft. „Wir erhalten viele Sach-, aber auch immer mehr Geldspenden.“ Von Letzteren geht das Team, das aus 20 Leuten besteht, einkaufen. „So können wir gezielt besorgen, was uns gerade fehlt“, beschreibt die Mitinitiatorin den Vorteil der Geldspenden.

Familien steht nach bestimmten Kriterien eine Anzahl an Punkten zu, für zwei Personen seien es meist 160, was etwa 16 Euro entspricht. Ausgestattet mit ihrer Karteikarte entern die Kunden die Verkaufsräume im Keller. Hier ist die Wahrscheinlichkeit für sie hoch, hinter der Theke auf Josi Duell zu treffen. Die Rentnerin ist von Anfang an dabei. „Es macht einfach Spaß“, sagt sie, während eine neu angemeldete Flüchtlingsfamilie gerade Weihnachtsbaumkugeln in den Einkaufs(Wasch-)korb vor ihr steckt.

Jedes Produkt in den Regalen ist mit einem Punkteaufkleber versehen. „Besonders gefragt sind Reis, Nudeln, Mehl, Zucker und Öl“, erzählt Duell. Das Öl hat sogar einen eigenen Vorratsschrank; Olivenöl schlägt mit 40 Punkten zu Buche, das einfachere Sonnenblumenöl mit 13. Dass jeder sein Budget einhält, dafür sorgt mit freundlichem, aber genauem Wesen Joseph von Radowitz. Er ist der Herr über den Taschenrechner und addiert Würstchen, Toilettenpapier und Co. zu einer Gesamtpunktzahl. Diesmal kommt von Radowitz, der wie viele andere Mitglied im Gemeinde-Sachausschuss Pro Caritate ist, noch eine besondere Aufgabe zu: Da es die letzte Ausgabe vor Weihnachten ist, darf er kleine rote Umschläge mit einem Obolus drin’ verteilen. „So etwas ist möglich dank Geldspenden zum Beispiel von Frauengemeinschaften“, erzählt Neu.

Angebot richtet sich nach Kundenbedürfnissen

Das etwas andere Supermarkt-Team geht – wie reale Ketten auch – sehr auf die Kundenbedürfnisse ein. „Wir haben zum Beispiel gemerkt, dass Basmati-Reis sehr wichtig ist und unser Angebot umgestellt“, erzählt die dritte Helferin im Keller, Dagmar Kleisinger. Denn: Was die Kunden nicht kennen würden, finde nicht den Weg in den Waschkorb. Ladenhüter erhalten eine reduzierte Punktzahl.

Das Team sei aktuell gut aufgestellt, sagt Neu, während sie Richtung Vorratslager geht. Zweifel an der Notwendigkeit an der Aktion Zugabe sind ihr noch nicht gekommen. „Beim letzten Mal sind 240 Personen hier gewesen, wir haben einen monatlichen Warenumsatz von geschätzt 1500 Euro“, sagt Neu. Für die ausländischen Mitbürger sei es leichter, das kirchliche Hilfsangebot anzunehmen: „Durch ihre Fluchterfahrung haben sie gelernt sich durchzubeißen.“ Deutsche seien manchmal eher schambehaftet. „Nichtsdestotrotz kommen auch sie“, erzählt die Wachtbergerin. Darunter eine alleinerziehende Frau mit einem Jungen im Kitaalter.

Nicht als Kunde, sondern als Dolmetscher auf Abruf sitzt Maksud an diesem Tag im Pfarrheim. Der 40-Jährige lebt derzeit in der Alten Schule in Berkum. „Ich bin aus politischen Gründen aus Tadschikistan geflohen“, sagt der vierfache Vater. Vor drei Jahren ist er alleine aufgebrochen, Deutschland das 17. Land auf seiner Flucht. In seiner Heimat hat er Russisch, Arabisch, Türkisch, Persisch, Bosnisch und Deutsch an der Uni gelernt. In zwei Monaten, so hofft der Flüchtling, könnte sein Asylantrag durch sein. Gerne würde er sich auch danach bei der Zugabe engagieren. „Es ist schön, gebraucht zu werden“, sagt er.

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