Neue "GedenkSchrift" Die Repressalien trieben die Juden aufs Land

WACHTBERG · Der Heimatforscher Harald Uhl hat in einer neuen "GedenkSchrift"-Ausgabe jüdisches Leben in Wachtberg recherchiert. Damit setzt er den ehemaligen Mitbürgern, deren Spuren vielerorts verwischt sind, ein spätes Andenken.

 Die neue Gedenkschrift, im Hintergrund der Jesuitenhof in Berkum, der im 19. Jahrhundert im Besitz des Juden Israel Bock war.

Die neue Gedenkschrift, im Hintergrund der Jesuitenhof in Berkum, der im 19. Jahrhundert im Besitz des Juden Israel Bock war.

Foto: Axel Vogel

Wer Spuren jüdischen Lebens in Wachtberg sucht, wird eher achtlos an solchen Orten wie dem Jesuitenhof in Berkum vorbeifahren. Nichts erinnert hier augenscheinlich mehr an den einstigen Hausherren, den Juden Israel Bock.

Der aus Heimerzheim stammende Unternehmer, der in Bonn mit Immobiliengeschäften zu Wohlstand gekommen war, hatte 1874 das ehemalige Rittergut gekauft. Der angesehene Bürger lebte hier nicht nur zwei Jahrzehnte, sondern er setzte auch kulturelle Akzente.

So sorgte er dafür, dass archäologische Funde aus der Römerzeit auf seinem Besitz in die richtigen Hände kamen: Bock gewährleistete nicht nur die Sicherung der Objekte, "sondern übergab sie dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn, wo sie bis heute eine hervorgehobene Sehenswürdigkeit bilden", schreibt Professor Harald Uhl.

Neben der zum Teil jüdischen Vergangenheit des Jesuitenhofs, hat der Wachtberger Heimatforscher noch jede Menge andere Spuren jüdischen Lebens zwischen Adendorf und Niederbachem recherchiert.

Nachzulesen im neuen Heft "Geschichte jüdischen Lebens im Gebiet des heutigen Wachtbergs" der Schriftenreihe GedenkSchriften. Im Wachtberger Rathaus stellte der Förderverein "Gedenkstätte Landjuden an der Sieg", der die GedenkSchriften herausgibt, das dritte Heft vor.

Wachtbergs jüdische Tradition reicht nachweislich bis mindestens in das 17. Jahrhundert zurück. "Die älteste Erwähnung eines jüdischen Bürgers im Gebiet des heutigen Wachtbergs führt uns bis in das Jahr 1630 zurück", schreibt Kreisarchivarin Claudia Arndt im Vorwort.

Arndt ist zudem Geschäftsführerin des Fördervereins. Dabei dreht es sich in der Erwähnung um den Juden Hirsch, der seinerzeit aus Adendorf, das damals noch zur Grafschaft Neuenahr gehörte, nach Arzdorf übersiedelte. Interessant ist, warum diese Übersiedlung überhaupt Erwähnung fand: Hirsch konnte die den Juden damals auferlegte "Duldungs- und Schutzgebühr" nicht mehr aufbringen.

Für den promovierten Staatswissenschaftler Uhl waren diese Repressalien die Fortführung einer im hohen Mittelalter vor allem in den Städten geübten Praxis: "Die Vertreibungen aus vielen städtischen Zentren des Kurfürstentums Köln und die völlige Ausweisung jüdischer Bürger aus dem Kurfürstentum Mainz und Trier im 16. Jahrhundert haben zur ständigen Ansiedlung sogenannter Landjuden in kleinen Orten und Dörfern des Rheinlands geführt." Nicht von ungefähr hätten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 90 Prozent der jüdischen Bevölkerung auf dem Land gelebt.

Auch in Wachtberg, für das Uhl auf den 27 reich bebilderten Seiten einen Überblick über jüdisches Leben in den einzelnen Ortsteilen gibt. Der Heimatforscher hat etwa herausgearbeitet, dass das Zentrum jüdischen Lebens in Niederbachem lag.

Hier lebte die Familie des Metzgers Levy Meyer seit 1742, und seit 1755 die des Levy Isaak. Da ihre Nachkommen im 19. und 20. Jahrhundert etwa der Industrialisierung wegen nach Bonn und Köln übersiedelten, wo viele dann später Opfer der NS-Vernichtungsmaschinerie wurden, verloren sich ihre Spuren im Ländchen.

So gebührt dem Autor der Verdienst, dass er ehemaligen Mitbürgern mit seinem Werk ein spätes Andenken gesichert hat.

Harald Uhl, "Aus der Geschichte jüdischen Lebens im Gebiet des heutigen Wachtberg", Schriftenreihe "GedenkSchriften" des Fördervereins Gedenkstätte Landjuden an der Sieg, ISBN-Nummer 978-3-938535-90-5, Verlag Rheinlandia, Kosten: sieben Euro.

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