Witwe von Hans-Dietrich Genscher Barbara Genscher wohnt seit 40 Jahren in Wachtberg-Pech

Wachtberg · Zu Hause bei Barbara Genscher ist es so friedvoll. Für sie und ihren Ende März 2016 verstorbenen Mann Hans-Dietrich Genscher war das Haus in Wachtberg-Pech tatsächlich stets ein Ort zum Durchatmen.

 Barbara Genscher hat in ihrem Haus in Pech viele internationale Politiker zum Abendessen empfangen.

Barbara Genscher hat in ihrem Haus in Pech viele internationale Politiker zum Abendessen empfangen.

Foto: Martin Wein

„Erst wohnten wir auf dem Heiderhof. Aber die Bücher wurden immer mehr. Wir brauchten mehr Platz“, sagt Barbara Genscher und lächelt. Bücher wegzuwerfen, sei für ihren Mann unmöglich gewesen. Und auch sie tut sich schwer. Zwei Arbeitszimmer und das Treppenhaus sind mit Bücherregalen möbliert. „Viele der Biografien sind persönlich gewidmet“, sagt Genscher fast entschuldigend.

1977 kaufte das Ehepaar das Grundstück in Pech. „Wir waren nicht die ersten, aber ziemlich am Anfang mit dabei“, erinnert die Witwe. Viele Diplomaten suchten die Ruhe in Wachtberg. Alois Mertes war darunter, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Gred Berendonck kam nach Stationen als Botschafter in Algier, Phnom Penh und Islamabad in die Gemeinde, Botschafter Josef Holik zog nach Pech. Richard Ellerkmann, einst Botschafter in Uganda, im Irak und in Kanada lebt in Ließen. Jürgen Gehl zog es nach Stationen in Liberia, Mosambik und Bangladesch nach Berkum.

Auch Helmut Kohl hatte in seiner Zeit als Bundeskanzler ein Haus in Pech, fuhr am Wochenende aber zumeist nach Oggersheim. „Trotzdem kam – wenn es die Zeit der beiden erlaubte – hin und wieder das Ehepaar Kohl bei uns zu Besuch“, sagt Genscher. Die Genschers selbst holten die Welt in die Gemeinde. Hier am Waldrand kam man sich am Vorabend offizieller Gespräche häufig beim privaten Abendessen näher. Mit Gorbatschows machten Genschers es sich auch schon mal vor dem Fernseher am Kamin gemütlich.

„Für meinen Mann war es sehr wichtig, den Menschen kennenzulernen“, erzählt Barbara Genscher, „selbst der verschlossene Andrei Gromyko hat bei einer solchen Gelegenheit über Streiche seiner Enkel berichtet.“ Gromyko war von 1957 bis 1985 Außenminister der UdSSR. Aus vielen dieser Gespräche entstanden persönliche Freundschaften. Trotz Bewachung hätten sich die Nachbarn über die Besuche nie beklagt. Ganz im Gegenteil war es für viele spannend, wenn die wichtigsten Politiker der Welt bei Genschers durch den Vorgarten kamen.

Genscher musste ihren Mann mit der Welt teilen

Auch Barbara Genscher hat nie bedauert, dass sie ihren Mann – er war immerhin fünf Jahre Innen- und anschließend 18 Jahre Außenminister – mit der Welt teilen musste. „Ich habe meinen Mann sehr oft begleitet. Sonst hätten wir uns einfach zu wenig gesehen“, sagt sie lächelnd. „Außerdem konnte ich politische Entwicklungen mitverfolgen und seine Mitarbeiter kennenlernen.“ Unvergessen ist der Besuch bei der UN-Vollversammlung in New York im Herbst 1989. „Dort hat er Eduard Schewardnadse von den unhaltbaren Zuständen in den deutschen Botschaften erzählt.“ Zusammen flog das Ehepaar anschließend zurück nach Bonn, wo Genscher sich im Kanzleramt abstimmte und anschließend nach Prag flog.

Die wohl bekanntesten Worte ihres Mannes hat Barbara Genscher selbst im Fernsehen gehört – in der Kaminecke in Pech. „Aber ich wusste ja, was er sagen würde.“ Zwei Jahre zuvor hatte sie selbst zu einer Aufgabe gefunden, der sie bis heute mit großem Einsatz nachgeht. „Mein Mann hatte einige Herzprobleme bekommen, sodass wir einen Arzt konsultieren mussten.“ Wohl auch deshalb war sie aufgeschlossener als für andere Anliegen, als ein ehrenamtlicher Mitarbeiter ihr die Schirmherrschaft für die Deutsche Herzstiftung nahelegte.

Seit drei Jahrzehnten lässt Genscher seither keine Gelegenheit aus, für die Anliegen des Vereins einzutreten. Fotos zeigen sie im Bundestag vor Betriebsärzten für einen gesunden Lebensstil werben, in Frankfurt frisch gebackene Lebkuchenherzen verkaufen oder 1997 die Bonner Polizistin Sabine Görres auszeichnen. Görres hatte mitten im Steinhagel bei einer Kurden-Demonstration einer bewusstlosen Frau mit einer Herzdruckmassage des Leben gerettet.

Herzstiftung wurde zur bedeutenden Stimme in Deutschland

Mit ihrem Einsatz hat Genscher die Herzstiftung zusammen mit vielen weiteren engagierten Helfern zu einer bedeutenden Stimme in Deutschland gemacht. Ende 2017 konnte sie zusammen mit dem Vorstand das 100.000. Mitglied begrüßen. Oft gelang es ihr, die zahlreichen Kontakte für das Wohl herzkranker Menschen zu nutzen. So holte sie etwa zum zehnten Jubiläum der Stiftung Bundespräsident Richard von Weizsäcker in die Kölner Philharmonie. Die Herzstiftung sei eine zweite Familie für sie geworden, sagt sie. Vorsorge zu treiben, Alarmzeichen zu beachten und ein gesunder Lebensstil sind seither ihr Credo.

Auch im Privaten. Kaffee und Cola waren als Wachmacher für den viel reisenden Ehemann keine Option. „Am liebsten trank er Sprudelwasser.“ Und der Stress auf Reisen? „Er konnte in jedem Verkehrsmittel praktisch sofort einschlafen – sogar im Hubschrauber.“ So wurden Hans-Dietrich Genscher trotz der Belastung aus seinen politischen Ämtern 89 Jahre geschenkt.

Zum Rezept der Genschers für ein gutes und gesundes Leben gehörten auch die kleinen gesunden Rituale. Jeden Morgen schon vor dem Morgengrauen ein Saunagang mit Abkühlung im eigenen kleinen Schwimmbad. Danach ein gemeinsames Frühstück und am Wochenende Radtouren in die Umgebung. Aber gefeiert wurde auch, zum Beispiel im Karneval – nicht nur im eigenen Partykeller in Pech. Fotos zeigen Genschers zum Beispiel mit Lieselotte Pulver und Mann. „Hier kann man schließlich gut leben“, sagt Genscher, die nach Kriegsende 1945 selbst aus Schlesien ins Rheinland kam.

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