Hochwasserschutz in Wachtberg An dieser Brücke scheiden sich die Geister

WACHTBERG · Der Streit um eine Privatbrücke am Mehlemer Bach in Niederbachem, die aus Sicht der Gemeinde und des Rhein-Sieg-Kreises ein Abflusshindernis ist und deren Beseitigung seit Jahren diskutiert wird, geht in die nächste Runde.

 Diese Privatbrücke über den Mehlemer Bach in Niederbachem ist aus Sicht der Behörden unstrittig ein Abflusshindernis.

Diese Privatbrücke über den Mehlemer Bach in Niederbachem ist aus Sicht der Behörden unstrittig ein Abflusshindernis.

Foto: Axel Vogel

Oliver Henkel, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Wachtberg, verweist auf ein von der Gemeinde Wachtberg in Auftrag gegebenes Gutachten: „Dort ist auch diese Brücke untersucht worden“, so Henkel: „Nach meinem Verständnis ist dort gerade keine signifikante Gefahr für Dritte erkennbar.“ Die Flutwelle am 4. Juni habe zudem keinerlei Fremdschäden durch die Brücke bewirkt. „Es gibt weder in Theorie noch in der Praxis Veranlassung, die Brücke abreißen zu lassen“, sagt er.

Wie berichtet, stellt sich das Problem für die zuständigen Behörden im Berkumer Rathaus und der Siegburger Kreisverwaltung anders dar: Die seinerzeit legal errichtete Privatbrücke über den Mehlemer Bach in Niederbachem habe nicht nur bei den Unwetterfluten 2013 für einen massiven Rückstau gesorgt, so die Gemeinde. Auch habe sich die Brücke bei den letzten Fluten am 4. Juni „als Nadelöhr erwiesen“, führt Wachtbergs Beigeordneter Jörg Ostermann aus. Trotzdem kommt für den Kreis, der ordnungsrechtlich für den Gewässerschutz zuständig ist, eine Abriss nicht in Frage, weil es laut Kreissprecherin Rita Lorenz keine Handhabe gibt: „Es hat sich herausgestellt, dass die Brücke kein Schwarzbau und zudem standfest ist“. Daher kann ein Abriss nur dann erfolgen, wenn die Anwohner zustimmen.

Aber genau dagegen wehren sich Brückenanlieger wie Manuel Lengrüsser, der wie Henkel für die Grünen im Rat sitzt, vehement. „Unser Haus wäre dann nicht erschlossen“, sagt Lengrüsser. „Wir haben zudem kein Wegerecht, um die neue Zuwegung zur L 123 nutzen zu können.“ Wie berichtet, hat die Gemeinde das kleine Wohngebiet inzwischen zusammen mit einem Neubaugebiet mit einer Zuwegung an die L 123 angebunden.

Dieser Weg sei jedoch eine Zumutung: „Mit einem Gefälle von 20 bis 30 Prozent ist er viel zu steil“, betont Lengrüsser: „Senioren werden Schwierigkeiten bekommen, den Müll an die Straße zu bringen.“ Bei Glatteis wäre daran kaum noch zu denken. Eine andere Anwohnerin weist außerdem darauf hin, dass nicht etwa die besagte Brücke, sondern eine Verengung des Bachbetts einige Meter weiter für das Hochwasser verantwortlich sei. „Der Bach ist dort weniger als einen Meter breit. Die Stelle wirkt wie ein kleiner Suezkanal“, sagt sie. Die Brücke sei tatsächlich das geringere Übel.

Trotzdem bleibt der Status Quo für den Kreis und die Gemeinde unbefriedigend: „Die Brücke ist sehr wohl ein Abflusshindernis“, bekräftigten Ostermann wie auch Lorenz unisono. Genau das bestreiten Lengrüsser und Henkel mit Hinweis auf das Gutachten: „Die Gemeinde hat vor Jahren eine Expertise in Auftrag gegeben, um zu überprüfen, ob die Brücke das Risiko einer Überschwemmung erhöht. Das Gutachten hat diese Annahme widerlegt“, betont Lengrüsser. Die Brücke sei standfest, legal und trage nicht zu einem erhöhten Überschwemmungsrisiko bei und trotzdem werde weiterhin über einen Abriss der Brücke debattiert, so Lengrüsser weiter: „Das kann ich nicht nachvollziehen.“

Ostermann hält dem entgegen: „Es gibt in dem angeführten Gutachten keine Aussage, dass von der Privatbrücke kein Einstau erfolgt und damit keine Schäden an Gebäuden entstehen können.“ Es werde in dem Gutachten lediglich festgestellt, „dass es ab einem hundertjährlichen Ereignis unerheblich ist, ob die Brücke dort steht oder nicht“. Die Gewässerspiegellage würde sich nicht verändern. „In der Praxis haben wir jedoch einen anderen Eindruck“, bekräftigt der Beigeordnete.

Im Hinblick auf diese Erkenntnis habe der Rhein-Sieg-Kreis auch eine weitere Berechnung in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen der Privatbrücke bei Hochwasserereignissen zu ermitteln. „Hier zeigt sich, dass die Privatbrücke bereits bei einem zehnjährlichen Ereignis überströmt und durch den Rückstau ein erstes Wohngebäude getroffen wird“, führt Ostermann aus. „Bei einem fünfzigjährlichen Ereignis wären bereits fünf Gebäude betroffen. Auch bei dem Hochwasser am 4. Juni hat die Brücke einen Rückstau erzeugt.“

Die Kreisverwaltung bestätigt laut Lorenz die Aussagen des ergänzenden Gutachtens. Das sei auch einer der Gründe, weshalb die Brücke nicht mehr genehmigungsfähig sei, wenn sie heute neu gebaut würde. Der Querschnitt sei nach heutigen Maßstäben zu klein, die Überströmung trete zu schnell ein. Der besondere Umstand sei, dass dennoch der Abriss der Brücke vom Kreis nicht gefordert werden könne.

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