Schule in Heimerzheim Verfassungsschutz bildet Nachrichtendienstler aus

SWISTTAL-HEIMERZHEIM · Es ist ein schöner Tag. Die Sonne scheint. Mitten in Düsseldorf geht ein Mann zu einem Taxistand, unterhält sich mit dem Fahrer, geht weiter in ein Straßencafé. Dort isst er zu Mittag. Dann steht er auf, macht ein paar Schritte, ein Taxi fährt vor, er springt rein - und ist verschwunden.

 Sitzt seit 1982 in Swisttal-Heimerzheim: Die Schule für Verfassungsschutz. Foto: Privat

Sitzt seit 1982 in Swisttal-Heimerzheim: Die Schule für Verfassungsschutz. Foto: Privat

"Wir hatten die Zielperson aus den Augen verloren und nicht die richtigen Schlüsse gezogen, plötzlich war der Mann weg", sagt Ralf Frauenrath. "Das darf natürlich nicht passieren. Doch in diesem Fall war der Fehler verzeihlich, denn schließlich war es eine Übung für unseren Nachwuchs", sagt der Leiter der Schule für Verfassungsschutz (SfV) in Heimerzheim.

"Observation" heißt das Fach, das an diesem Tag unterrichtet wurde. "Unauffälligkeit ist alles, doch auch die will gelernt sein", sagt Benjamin Schulze (Name von der Redaktion geändert). Der Eisenacher spricht aus Erfahrung: Bei einer Überwachung hatte er sich vor einem Schaufenster postiert, Kopfhörer in den Ohren - mit denen war er mit seinen Kollegen verbunden, tat aber so, als würde er Musik hören und wippte daher mit dem Kopf.

Bei der anschließenden Besprechung sagte der Lehrer, der den Observierten spielte: "Das haben Sie gut gemacht, allerdings habe ich Sie doch entlarvt, denn als ich an Ihnen vorbei war, haben sie mit dem Wippen aufgehört." "Uff, das war ernüchternd. Ich habe gelernt, dass man seine Legende immer zu Ende spielen muss. Das wird mir nie wieder passieren", so der SfV-Auszubildende.

"Observation" ist eines von vielen Fächern an der Schule, die ebenso exotisch wie spannend klingen: Extremismus-Phänomene, Spionageabwehr, Geheim- und Sabotageschutz, dazu verschiedene Rechtsfelder. In Heimerzheim werden seit mehr als 30 Jahren Verfassungsschützer aus- und weitergebildet, seit 1999 in Kooperation mit dem Militärischen Abschirmdienst. Ausgebildet werden Verfassungsschützer für den mittleren und den gehobenen Dienst.

Der mittlere Dienst wird komplett in Heimerzheim ausgebildet, in sechs Monaten Theorie und eineinhalb Jahren Praktika, die beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln oder Berlin absolviert werden. Dazu werden auch Kurse für Quereinsteiger angeboten, zum Beispiel für IT-Spezialisten oder Fremdsprachler.

Derzeit gibt es etwa 2800 Beschäftigte beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und circa 3000 bei den Ländern (LfV). BfV und LfV sammeln Informationen über Menschen und Gruppen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung und damit Deutschland gefährden oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind.

Außerdem enttarnen sie Leute, die als Spione für eine fremde Macht arbeiten, und sie wirken beim Geheim- und Sabotageschutz mit. "Der Verfassungsschutz ist ein Frühwarnsystem für den Rechtsstaat, entsprechend den neuen Anforderungen muss sich auch jeweils die Ausbildung anpassen", sagt Frauenrath. Große Herausforderungen bedeuteten etwa der Fall der Mauer, das Erstarken des islamistischen Terrorismus nach dem 11. September 2001 oder die NSU-Affäre. "In dem Zusammenhang hat es viel Schelte gegen den Verfassungsschutz gegeben.

Das BfV hat sich reformiert, zum Beispiel in den Bereichen Datenschutz und Aktenpflege. Und auch die Qualitätsstandards sowie der Umgang mit V-Leuten wurden angepasst", sagt der Schulleiter. Denn der Auftrag des Verfassungsschutzes ist klar definiert: die Demokratie zu schützen.

"Meine Motivation kam über die politische Bildung und die deutsche Geschichte, wir haben gelernt, was in der Weimarer Republik ohne Verfassungsschutz passiert ist", sagt Benjamin Schulze. Er wolle aktiv dabei helfen, extremistische Bestrebungen daran zu hindern, unsere gesellschaftlichen Grundwerte anzugreifen - durch Prävention. "Mir geht es nicht darum, einzelne Verbrecher zu jagen, sondern das große Ganze zu schützen", sagt der Auszubildende.

Der Verfassungsschutz müsse sich den neuen Herausforderungen auch mit neuen Instrumenten stellen. Die Verfassungsschützer müssen auch in der Spionageabwehr mit der Zeit gehen. Wurden zu DDR-Zeiten, um Agenten zu gewinnen, etwa von der Stasi Anzeigen geschaltet, in denen günstige Kredite für Soldaten angeboten wurden, verlagert sich das "Geschäft" heute in die sozialen Medien. "Dort werden die Zielpersonen zum Beispiel über ihre Hobbys identifiziert und gezielt umworben", sagt Frauenrath.

Am 13. Mai wird die Schule in "Akademie für Verfassungsschutz" umbenannt. Der Begriff "Schule" wird laut Pressestelle als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Die Bezeichnung "Akademie" passe besser, zumal wissenschaftlich gearbeitet werde und es sich um Erwachsenenbildung handle.

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