Zum 32. Mal So waren die Morenhovener Kabarett-Tage

Swisttal-Morenhoven · Am ersten Adventswochenende gab es zum Ausklang des Jahres 2019 bei den 32. Morenhovener Kabarett-Tagen im Kreaforum vieles zum lachen. Darunter eine Ossi-Lesung und Shakespeare-Klassiker.

 Dominik Bartels (links) und Jörg Schwedler reisen mit ihem Publikum zurück in die Zeit vor dem Mauerfall.

Dominik Bartels (links) und Jörg Schwedler reisen mit ihem Publikum zurück in die Zeit vor dem Mauerfall.

Foto: Axel Vogel

Was ein Broiler ist, dürfen die meisten 30 Jahre nach dem Mauerfall wohl wissen. Aber ein Blauer Würger oder eine Simson? Auch wie sich in Verona die Geschichte des berühmtesten Liebespaars der Literaturgeschichte zugetragen hat, darf als bekannt vorausgesetzt werden.

Dass allerdings die Amme der bezaubernden Julia unüberhörbar Verwandtschaft an der Ostseeküste gehabt haben muss, mag auch für versierte Kenner des Dichters aus Stratford-upon-Avon doch eine gewisse Überraschung gewesen sein. So bot jetzt das erste Adventswochenende zum Ausklang des Jahres 2019 bei den 32. Morenhovener Kabarett-Tagen im Kreaforum einige interessante Gelegenheiten, sein Allgemeinwissen auf den neuesten Stand zu bringen. Bei zwei Abende, die unterschiedlicher kaum hätten sein können.

Reisen wir zunächst mit Dominik Bartels und Jörg Schwedler zurück in die Ära der Plattenbauten, der Jugendweihe, der Pioniere und des heimlichen Mitschnitts aus West-Radios auf Leerkassetten, die seinerzeit noch zu Preisen in astronomischer Höhe gehandelt wurden. Also auf in den „VEB Literaturbetrieb, ins Kombinat für Wortkunst, die LPG Satire“. Und bei näherer Betrachtung – im Laufe dieser Lesung – könnte es durchaus sein, dass die Gemeinsamkeiten pubertierender Jugendlicher hüben und drüben letztlich alle ideologischen und materiellen Unterschiede in den Schatten stellen. Was Bartels und Schwedler „enthüllen“, hat jedenfalls erfrischend viel Ähnlichkeit mit den Vorlieben und Nöten aus einer Zeit lange, bevor an Wiedervereinigung überhaupt zu denken war.

Ob nun Jugendweihe dort oder Konfirmation hier: Familienfeiern pflegen eigenen Gesetzen zu folgen, in die selbst der Staatsratsvorsitzende nicht hätte hineinpfuschen können. Der nun offiziell in die Gemeinschaft der Erwachsenenaufgenommene Jugendliche wird pflichtschuldig mit Geschenken bedacht, bevor man sich dem eigentlichen Zweck der Veranstaltung widmet. Dazu kann man mit einem herrlich giftgrünen Likör, dem kultigen „Pfeffi“ mit 18 Umdrehungen beginnen, wie er nun auch an das Publikum in Morenhoven ausgeschenkt wurde.

Luftig-leichte Situationskomik

Erfrischungen wie „Erichs Rache“, „Blauer Würger“ und „Kumpeltod“ sind da eher schon etwas für Fortgeschrittene. Ebenso wie das ausgesprochen amüsante Gedankenspiel, wie es wohl heute hierzulande aussähe, hätte sich 1990 die Bundesrepublik der DDR angeschlossen.

Nein, in Ostalgie wollen die „Literatur-Aktivisten“ nicht baden. Ganz vermeiden lässt sich dieser Eindruck in knapp zwei Stunden aber freilich nicht. Obwohl die Fahrt der Freunde auf ihren Simsons – praktisch der Harley Davidson der antikapitalistischen Brudervölker – nach Dänemark vor allem wieder ein anschauliches Beispiel dafür bietet, dass der Drang nach Freiheit und Abenteuer generell in unserer DNA verzwirbelt sein muss.

Während die beiden noch die Kieler Börde unsicher machten, tüftelte Bernd Lafrenz dort oben wohl an seiner unübertrefflichen Spezialität: Shakespeare-Inszenierungen in (s)einer frei-heiteren Übersetzung, mit liebevoller Ironie und luftig-leichter Situationskomik. Vor allem im zweiten Teil des Abends nimmt die Handlung ordentlich an Fahrt auf, während Lafrenz in nahezu schwindelerregendem Tempo zwischen den Charakteren wechselt. Sei es der liebenswert lispelnde Balthasar, stolzer Inhaber einer Velo-Kurier-Firma und Nachfahre des gleichnamigen Dieners Romeos, sei es die bereits erwähnte Amme oder Mercutio, der mit seinen Eroberungen selbst Don Giovanni ziemlich blass aussehen lässt.

Bevor Lafrenz sich ganz und gar dem Oeuvre Shakespeares verpflichtete, hat der Romanist und Philologe aus dem hohen Norden, der seit dem Studium überzeugter Freiburger ist, schon mit seinem „Theater König Alfons“ Furore gemacht und bekam 1986 den baden württembergischen Kleinkunstpreis. Weil sein erklärter Lieblingsdichter neben „Romeo und Julia“ noch das eine oder andere Stück geschrieben hat (stolze zehn sind es in Lafrenz’ Repertoire), steht einer Shakespeare-Tradition im Kreaforum nichts entgegen.

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