75 Jahre nach Auschwitz-Befreiung Schüler in der Region gedenken der Nazi-Opfer

Swisttal-Heimerzheim/Rheinbach · 75 Jahre nach der Befreiung des Lagers Auschwitz gedenken Bürger in Heimerzheim und Rheinbach der Nazi-Opfer. Auch Schüler beschäftigen sich mit den Themen Holocaust und Faschismus.

 Vor dem Gedenkstein auf dem Jüdischen Friedhof in Heimerzheim trägt die Schülerin Nelly Zühlke aus der Klasse 10c einen Text vor.

Vor dem Gedenkstein auf dem Jüdischen Friedhof in Heimerzheim trägt die Schülerin Nelly Zühlke aus der Klasse 10c einen Text vor.

Foto: Matthias Kehrein

Auch die junge Generation setzt sich mit der Geschichte Deutschlands unter dem Nazi-Terror auseinander. Das wurde am Montag bei den Gedenkfeiern zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 deutlich.

Schüler setzen ein deutliches Zeichen gegen den Faschismus

Auf Initiative des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog ist dieser Tag seit 1996 bundesweiter Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Zudem haben die Vereinten Nationen den 27. Januar seit 2005 auch zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust erklärt. Am Montag waren auf Einladung der Gemeinde Swisttal wieder zahlreiche Vertreter von Rat, Verwaltung, Institutionen, Vereinen und Initiativen sowie interessierte Bürger und Schüler der Georg-von-Boeselager-Schule zur Gedenkveranstaltung auf den Jüdischen Friedhof gekommen.

„Erinnern, Gedenken, Mahnen und die aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte sind von entscheidender Bedeutung, um eine Wiederkehr von Rassenwahn, Totalitarismus, Faschismus und Nationalsozialismus zu verhindern“, sagte Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner. Sie erinnerte an das bürgerschaftliche Engagement mit der Verlegung der Stolpersteine für jüdische Mitbürger in Heimerzheim, die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns geworden waren.

Gedenkfeier in Rheinbach: Jasper Coersmeier (l.) und Nicolas Lugauer heften Sterne mit den Namen ermordeter Juden an die Pinnwand.

Gedenkfeier in Rheinbach: Jasper Coersmeier (l.) und Nicolas Lugauer heften Sterne mit den Namen ermordeter Juden an die Pinnwand.

Foto: Matthias Kehrein

Ebenso an das Aufstellen einer Info-Tafel zur Verdeutlichung des Textes auf dem Gedenkstein am Jüdischen Friedhof, wozu ein Initiativkreis von Bürgern den Impuls gab. „Für die Erhaltung unserer Demokratie ist eine lebendige Erinnerungskultur von großer Bedeutung“, hob die Bürgermeisterin hervor. „Vor allem im Alltag ist es wichtig, dass sich jeder entschieden gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierungen zur Wehr setzt.“

Beeindruckende Beiträge trugen Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Klassen sowie des Geschichtskurses der Georg-von-Boeselager-Schule vor. Ihr Lehrer Jonas Weichel betonte, es sei Aufgabe von Schule, junge Menschen zu verantwortungsvollen, aufmerksamen Erwachsenen zu formen, damit sich Ereignisse wie der Anschlag auf die Synagoge in Halle nicht mehr wiederholen. „Wir sind es den Opfern schuldig, sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Sich Faschismus entgegen zu stellen, ist eine Aufgabe für unsere Generation“, sagten die Schülerinnen und Schüler. Heimerzheims Ortsvorsteher Hermann Leuning legte der jüdischen Tradition folgend einen Stein auf den Gedenkstein.

"Es gibt keinen Schlussstrich"

Eine sehr bewegende Gedenkfeier zum „DenkTag“ im Sinne von Roman Herzog fand auf Einladung von Rheinbachs Bürgermeister Stefan Raetz und des Landtagsabgeordneten Oliver Krauß im Rathaus statt. Krauß zog Orte der unmenschlichen Verbrechen der Nazi-Herrschaft gleich in der Nähe heran: das Lager Rebstock, ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald bei Marienthal an der Ahr. Er zitierte Zeitzeugen, die von „erbärmlich lauten Schreien“ berichteten. Krauß erinnerte auch an den 26. Januar 1945, als in Rheinbach die drei minderjährigen ukrainischen Zwangsarbeiter Peter Spaak, Wladislaus Talzschaview und Wladislaw Dedjarew im Stadtpark aus nichtigem Anlass erhängt wurden.

Die Verantwortung für die Verbrechen sei allerdings keinesfalls nur auf die Nazi-Schergen beschränkt, so Krauß. Vielmehr habe keine Gruppe der Gesellschaft vor dieser Prüfung bestanden, immer seien es nur einzelne Personen gewesen. Er zog die Parallele zum Heute mit Aufkeimen von Antisemitismus und antisemitischen Straftaten ebenso wie „populistischen Tönen in unseren Parlamenten“, wenn etwa von „Kopftuchmädchen und anderen Taugenichtsen“ die Rede sei. Er appellierte an jeden einzelnen, wachsam zu sein. Raetz betonte: „Es gibt nur Aufarbeitung und keinen Schlussstrich.“

Leise Töne: Antonello Simone untermalt auf dem Akkordeon die Gedenkfeier im Rheinbacher Rathaus musikalisch.

Leise Töne: Antonello Simone untermalt auf dem Akkordeon die Gedenkfeier im Rheinbacher Rathaus musikalisch.

Foto: Matthias Kehrein

Die Schüler der Gesamtschule blickten auf ihren Besuch in Theresienstadt zurück und präsentierten unter der Leitung von Eva Knips und Thomas Preuth „Bausteine der Erinnerung“. Diese dienten allerdings nicht nur der Rückschau. Vielmehr seien sie „Bausteine für unsere Zukunft“. Die Schüler des Städtischen Gymnasiums erinnerten mit ihrem Projekt „Rheinbacher Sterne“ unter der Leitung von Jan Gerdemann an die jüdischen Opfer aus Rheinbach sowie an die drei erhängten jungen Zwangsarbeiter. „Alles, was wir heute noch für sie tun können ist, ihr Andenken zu retten“, so die Schüler. Den musikalischen Rahmen gestalteten Antonello Simone und Malte Treder mit Akkordeon-Stücken.

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