An die Vorfahren erinnern Stolpersteine "Nie über Holocaust gesprochen"

Swisttal-Heimerzheim · Am Samstag ab 9.30 Uhr verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig an der Kirchstraße sieben Stolpersteine zum Gedenken an die ermordeten Juden, die dort gelebt hatten.

 Susana Klick mit einem Bild von sich als Kind. Die Wormersdorferin ist die Tochter von Jakob Schmitz.

Susana Klick mit einem Bild von sich als Kind. Die Wormersdorferin ist die Tochter von Jakob Schmitz.

Foto: Hans-Peter Fuß

Viehhändler Jakob Schmitz und seine Frau Martha wohnten an der heutigen Kölner Straße. Sie entgingen den Nazi-Mördern, indem sie 1937 nach Argentinien flohen. 1958 kehrte Jakob Schmitz nach Deutschland zurück. Ehefrau Martha und Tochter Susana folgten ein Jahr später. In Dünstekoven fand die Familie ein neues Zuhause. Jakob Schmitz starb 1968. Er ist auf dem Jüdischen Friedhof in Heimerzheim begraben.

Wenn Susana Klick, 65, die heute in Wormersdorf lebt, die Geschichte ihrer Familie erzählt, ist sie zwar gefasst, aber immer noch tief bewegt. Denn nur ihre Eltern, eine Tante und zwei Onkel haben den Holocaust überlebt. Tante Irma und Onkel Josef waren im KZ, Onkel Karl wanderte rechtzeitig nach Palästina aus. Der Rest der Familie wurde "abgeholt", wie sie sagt, und in den Vernichtungslagern in Osteuropa ermordet. Darunter auch ihr Großvater Hermann Schmitz, 1869 in Wormersdorf geborener Metzger und Viehhändler, auch Mitglied der Heimerzheimer Schützenbruderschaft. Er hatte die Gefahr durch die Nazis wohl unterschätzt. 1937 zog er von Heimerzheim nach Hersel und starb 1942 im Alter von 73 Jahren in einem KZ in Osteuropa.

"Obwohl ich erst nach dem Krieg in Buenos Aires geboren bin, sind das Schicksal und die Morde an meinen Vorfahren in meinem Leben immer präsent gewesen", sagt Susana Klick. Dabei hatten ihr die Eltern kaum etwas von den grausamen Details erzählt, denn während des Krieges und der Judenvernichtung lebten sie in Argentinien. "Mein Vater hat aber auch nie über den Holocaust gesprochen", berichtet Susana Klick. Und sie habe auch nicht zu fragen gewagt. Jakob Schmitz erfuhr aus einer Suchanzeige in einer deutschen Zeitung vom Schicksal seiner Familie. Als Susana 17 war, starb der Vater.

Susana Klick weiß aber grob, wie die Flucht verlief. Ihr Vater, 1906 in Heimerzheim geboren, betrieb mit Opa Hermann einen Viehhandel. Er kaufte Vieh von den Bauern der Umgebung und verkaufte es an die Metzger oder an andere Bauern. Am Neujahrstag 1935 heiratete Jakob Schmitz in der Synagoge in Grevenbroich seine von dort stammende Verlobte Martha.

Schmitz war eine rheinische Frohnatur, immer zu Scherzen und Streichen aufgelegt. Mit Hitlers Machtergreifung 1933 begann die Entrechtung und Diskriminierung der Juden. Ihre Eltern seien im Ort angesehen gewesen, sagt Susana Klick. Ihr sei nicht bekannt, dass es wegen ihres jüdischen Glaubens zu Konflikten gekommen sei. Schon früh habe ihr Vater erkannt, dass von den Nazis eine lebensbedrohliche Gefahr ausgehe.

Und so habe er den Entschluss zur Flucht gefasst. Warum ausgerechnet nach Argentinien? Das weiß Susana Klick nicht. Mit seiner Frau Martha machte er sich irgendwann 1936 zu Fuß auf den Weg in die Niederlande. Über Belgien ging es nach Frankreich. Da auch dort die Juden diskriminiert wurden, fasste das Paar den Entschluss, die Überfahrt nach Argentinien zu wagen. Aber dafür hatten sie kein Geld. Und so machte sich Schmitz wieder zu Fuß auf den Weg zurück nach Grevenbroich, um Geld zu holen. Nach sechs Wochen war er wieder in Frankreich, und (vermutlich) von Le Havre aus reiste das Paar 1937 nach Südamerika. In Buenos Aires standen beide vor dem Nichts. Bei einer reichen russischen Familie fanden sie Arbeit. Er als Butler, sie als Köchin. Es folgten viele Jobs und Umzüge innerhalb der Metropole, ehe Jakob Schmitz sich mit einem Möbel- und Antiquitätengeschäft eine Existenz aufbaute. 1938 kam das erste Kind, Carolina, zur Welt. 1950 folgte Susana. Jakob Schmitz ging in seiner Freizeit gerne zum Angeln oder zum Baden an den Strand von Mar del Plata.

An ihre Kindheit in Buenos Aires kann Susana Klick sich noch gut erinnern: "Fernsehen und Telefon war für uns in den 50er Jahren normal, auch Cola und Pizza." Die Religionszugehörigkeit habe in der Schule in Argentinien keine Rolle gespielt, später in Deutschland schon. 1957 reiste Jakob Schmitz nach Deutschland, um den Anspruch seiner Familie auf Wiedergutmachung geltend zu machte. Da überkam ihn wohl das Heimweh, und er beschloss, in seiner alten Heimat zu bleiben. Er zog nach Dünstekoven, wo er wieder als Viehhändler arbeitete. 1959 kamen auch seine Frau und Tochter Susana zurück. Tochter Carolina blieb bis 1961 in Buenos Aires.

Die Familie war in Dünstekoven "normal integriert", meint Susana Klick. Nur einmal habe man einen anonymen Brief erhalten, der neben üblen Beschimpfungen den Gruß "Heil Hitler" enthielt. Nachdem Jakob Schmitz 1968 gestorben war, wagten Witwe und Töchter 1969 die Rückkehr nach Buenos Aires. Doch bereits 1970 kehrten sie zurück. Susana Klick lebte zunächst in Duisdorf, arbeitete als Sekretärin im Wirtschaftsministerium. 1975 heiratete sie Theo Klick aus Wormersdorf. Dort, im Heimatort ihres Großvaters, baute das Paar 1984 ein Haus. Die Verlegung der Stolpersteine als Zeichen der Erinnerung und des Einsatzes gegen rechtsradikale Tendenzen begrüßt Susana Klick. Auch deshalb wird sie heute bei der Verlegung in Heimerzheim dabei sein.

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