Der Schweizer Sinn für Pünktlichkeit Kabarett in Morenhoven betrachtet das Jahr 2019

Swisttal-Morenhoven. · Bei der „Schlachtplatte“ im Morenhovener Kreaforum lassen Robert Griess, Dagmar Schönleber, Sarah Hakenberg und Lisa Catena das Jahr 2019 Revue passieren

 Hier stimmt die Frauenquote: Sarah Hakenberg (von links), Dagmar Schönleber und Lisa Catena mit Robert Griess auf der Bühne des Kreaforums.

Hier stimmt die Frauenquote: Sarah Hakenberg (von links), Dagmar Schönleber und Lisa Catena mit Robert Griess auf der Bühne des Kreaforums.

Foto: Matthias Kehrein

Die vier Engel auf der Bühne haben offenbar Mist gebaut. Sie sind sozusagen auf Bewährung und sollen nun Vorschläge unterbreiten, was mit der Menschheit noch anzufangen sei. Und, um ehrlich zu sein, das gerade abgelaufene Jahr 2019 mit den zunehmend spürbaren Folgen des Klimawandels, mit Nachholbedarf in Sachen Gleichstellung und einem Rechtsruck in der europäischen Parteienlandschaft ist nicht dazu angetan, die Hoffnungen allzu hoch zu schrauben. Kabarettisten wiederum, zu denen Robert Griess und seine drei Kolleginnen Dagmar Schönleber, Sarah Hakenberg und Lisa Catena zählen, dürften da wiederum keine Schwierigkeiten haben, ihre „Schlachtplatte“ tüchtig zu bestücken. Und so haben diese vier jetzt bei der satirischen Endabrechnung – zum Abschluss der 32. Morenhovener Kabarett-Tage im Kreaforum – ordentlich aufgetischt.

Eloquenz gepaart mit Spielfreude

So viel vorab: Als „Hahn im Korb“ scheint Griess, der bei vorangegangenen Ausgaben der „Schlachtplatte“ stets auch männliche Mitstreiter um sich geschart hat, sich ausgesprochen wohl mit seinen drei Engeln zu fühlen. Das liegt vielleicht an ihren nahezu glockenhellen Stimmen beim textgenauen Absingen der Verse, die dem WDR seither einigen Ärger eingetragen haben. Von diesen vier also ein klares und deutlich vernehmbares Ja zur Freiheit der Satire. Das liegt aber vor allem und vielmehr an Eloquenz und Spielfreude.

Hakenberg schlägt am Klavier wahrhaft düstere Töne an – dass der Akkord a- f- d nun mal so klingt, dafür kann sie ja nichts. Und lächelt vermeintlich harmlos in die Runde. Das Cum-Ex-Prozessverfahren in Bonn kommentiert sie mit einem Zitat von Bertolt Brecht: „Nur Dilettanten überfallen Banken, Profis gründen welche.“ Während Schönleber ihre Zuhörer mal eben beherzt aller Illusionen beraubt, dass Gleichberechtigung von Mann und Frau während der vergangenen zwölf Monate auch nur irgendeinen Schritt weiter gekommen wären. Immerhin: Es gibt starke Frauen, etwa die deutsche Rettungsschiff-Kapitänin Carola Rackete. Umso ernüchternder allerdings, dass selbst jemand wie sie in manchen Schlagzeilen auf ihr Äußeres oder ihr Auftreten als Frau reduziert werden soll. Was angesichts von Fernsehformaten wie „Germanys Next Topmodel“ auch nicht weiter wundern wird: „So lange Beine und so viele Rückschritte.“

 Nach solch zugegeben schwerer Kost, möchte Lisa Catena mal ein leichtes Thema ansprechen. Und erklärt mit charmantem Schweizer Akzent, dass und warum ihre Landsleute, zum (Frei)Tod – „auch als Tourismuszweig“ – ein eher pragmatisches Verhältnis pflegen, und warum auf die Pünktlichkeit der Bahn im Land der Uhrmacher noch immer Verlass gewesen ist. Wunderbar boshaft, süffisant-makaber und mit einem unschuldigen Augenaufschlag, dem man keine Sekunde Glauben schenken sollte.

Mit Stapper (Griess) – „dem original kölschen Asi-Adel“ – verhält es sich übrigens genau umgekehrt. Beweist der vermeintlich hoffnungslos Abgehängte doch ein erstaunliches sicheres Gespür für Recht und Unrecht, das anderen längst abgegangen zu sein scheint. Der politisch korrekte und in Wahrheit doch eher halbherzig agierende Vorstand der Öko-Familie wäre so jemand. Wobei der es mit zwei chronisch schlecht gelaunten Töchtern zwischen brotlosem Einsatz für den Umweltschutz (Hakenberg) und Totalverweigerung (Catena) auch wirklich nicht leicht hat. Nur Mama (Schönleber) nimmt’s gelassen und freut sich auf den nächsten Yoga-Workshop auf Mallorca. Wie sie dahin kommt? Mit dem Flugzeug natürlich. So viel zum Thema Konsequenz.

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