Kabarettist im Kreaforum Jens Neutag erobert Morenhovener "mit Volldampf"

SWISTTAL-MORENHOVEN · Zum neunten Mal ist der Kabarettist im Kreaforum zu Gast, er präsentiert sein siebtes Soloprogramm. Und darin nimmt er die Politik auf ganz spezielle Weise aufs Korn. Es könnte alles tatsächlich so passiert sein...

Seien wir ehrlich, so etwas musste früher oder später passieren: Zwar kommt jemand wie Jens Neutag ohne schwarzen Umhang und permanentes Schnorcheln im Helm aus. Aber da hat es ja wohl jemanden tüchtig auf die dunkle Seite der Macht verschlagen – einen Kabarettisten noch dazu.

Dieser sieht die Sache naturgemäß ganz anders. Denn wenn Trump und Erdogan Realsatire betreiben und seinem Berufsstand auf Dauer noch das Wasser abgraben, kann die Antwort darauf nur sein, mit gleichen Mitteln zurückzuschlagen! „Mit Volldampf“. So heißt Neutags siebtes Soloprogramm, das er jetzt vor ausverkauftem Haus im Morenhovener Kreaforum gezeigt hat.

Auftritt Nummer neun nach seinen Gastspielen 2009, 2011 und 2014 sowie weiteren fünf Jahren in Folge (2011 bis 2015) im „Schlachtplatten“-Ensemble. Was Neutag erstens einen Platz in der Champions League der Wiederholungstäter bei den Morenhovener Kabarett-Tagen sichert und zudem die Hoffnung nährt, der Mann kommt einmal wieder, um die Zehn voll zu machen.

Plötzlich Bürgermeister

Das heißt, wenn er sich bis dahin von seinem – nicht ganz freiwilligen – Ausflug in die Niederungen der Politik des (fiktiven) Heimatortes Stadtkirchen halbwegs erholt hat. Schuld daran war eine alte, noch nicht abgetragene Schuld aus einem Junggesellen-Abschied, der seinen ehemaligen Kumpel als dümmsten Bräutigam Deutschlands bloßstellte.

Neutag war an dem Fauxpas seinerzeit nicht ganz unbeteiligt. Dies gelte es nun wiedergutzumachen, sagt der Freund von damals und setzt ihn kurzerhand auf die Liste der „Bürger für Stadtkirchen“ bei der anstehenden Bürgermeisterwahl.

Die Sache wird unvermutet ernst, als sich der Spitzenkandidat einem operativen Eingriff unterziehen muss. Wie es im Leben so geht, ist der Wahlgegner so oder so ein ausgemachter Idiot. Und Neutag wacht am nächsten Tag als Bürgermeister auf.

Die Ernüchterung lässt nicht lange auf sich warten. Sie folgt beim Antrittsbesuch bei den lokalen Größen aus Handel und Industrie, die die gerade gewählte Bürgermeister-Marionette zu sich zitiert haben. Doch dass ein schwedischer Möbelkonzern sich in Stadtkirchen ansiedelt? Mit Neutag, der grundsätzlich allen Katalogen misstraut, die einen duzen, nicht zu machen!

Von der Kanzlerin zur Narkoseärztin

Das ist Satire. Die europäischen Steuersparmodelle der Großkonzerne sind es nicht, werden aber an diesem (auf ein scheinbar lokal begrenztes Beispiel ausgerichteten) Kabarett-Abend in ausgesuchter Art und Weise vorgeführt. Ebenso die Ansprachen der Kanzlerin, die nach ihrem Ausscheiden aus der Politik noch Karriere als Narkoseärztin machen könnte.

Oder auch die genüssliche Demaskierung derer, die sich von der Situation der Flüchtlinge an der inzwischen hermetisch abgeriegelten (deutsch-)türkischen Grenze nicht ihr Frühstück im Reihenmittelhaus verderben lassen. Die lieber auf Facebook ihre Angst vor dem Horrorclown teilen. Dabei ist der im selben Land, in dem Mark Zuckerberg und seine Freunde einst das Kommunikationsportal mit beschränkter intellektueller Haftung gegründet haben, seit Januar 2017 Präsident.

Ja, es ist da so einiges faul in und rund um Stadtkirchen. Weshalb Neutag konsequenterweise sein Amt niederlegt und wieder das tut, was er am besten kann: Mit Volldampf voraus!

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