Interview mit Sebastiano de Pascalis und Peter Winkler "Heimerzheim ist Hauptstadt des Kaffees"

HEIMERZHEIM · Gespräch am Wochenende: Die Kaffeeröster Sebastiano de Pascalis und Peter Winkler sprechen über aufgebrühte Vorlieben.

 Gipfeltreffen in der "Hauptstadt des Kaffees": In dem 6000-Einwohner-Ort Heimerzheim leben mit Sebastiano de Pascalis (links) und Peter Winkler gleich zwei Kaffeeröster.

Gipfeltreffen in der "Hauptstadt des Kaffees": In dem 6000-Einwohner-Ort Heimerzheim leben mit Sebastiano de Pascalis (links) und Peter Winkler gleich zwei Kaffeeröster.

Foto: Wolfgang Henry

Wenn sich der Hochsommer im August plötzlich anfühlt wie der Spätherbst im November ist eine frisch aufgebrühte, heiße Tasse Kaffee eine Möglichkeit, für behagliches Wohlbefinden zu sorgen. Wer dabei nicht nur bloß eine bunte Kapsel oder ein Pulverpolster (Pad) in seine Maschine legen will, um seine Tasse mit erlesenen Aromen zu befüllen, der wird in Heimerzheim fündig.

Mit Sebastiano de Pascalis und Peter Winkler leben und arbeiten gleich zwei versierte Kaffeeröster in dem Swisttaler Ortsteil. Aus Leidenschaft zum Kaffee widmen sie dem Bohnengetränk besondere Aufmerksamkeit. Mit beiden sprach - bei einer guten Tasse Kaffee - Mario Quadt.

Wie mögen Sie Ihren Kaffee am liebsten?
Sebastiano de Pascalis: Ich liebe italienischen Espresso. Der muss stark, süß und heiß sein.
Peter Winkler: Tja, ich bin auch Espressoliebhaber. Weil ich die Qualität von Espresso in Deutschland eher bescheiden fand, habe ich mich nach etwas anderem umgesehen...

Und wie sind Sie auf die Idee gekommen, Kaffeerösten zu ihrem Beruf zu machen?
De Pascalis: Ich komme aus einer Gastronomenfamilie. Mein Anfang als Röster war eher ein Zufall. Angefangen, selbst zu rösten, habe ich, weil ich Kaffee liebe. Beim Essen und den Gewohnheiten gibt es immer Moden, jetzt gibt es eine Mode für Kaffee.
Winkler: Ich komme eigentlich aus dem Lebensmitteleinzelhandel und bin während einer Reise nach Indien sprichwörtlich über Kaffeebüsche gestolpert. 2004 muss das gewesen sein. Als ich probiert habe, was dort so wächst, hat das etwas in mir ausgelöst. Die ersten Schritte des handwerklichen Röstens habe ich in Neapel gemacht, die nächsten habe ich von Sebastiano gelernt.

Was Lebensmittel angeht, herrscht in Deutschland ja noch immer eine Geiz-ist-geil-Mentalität. Wie sehr treffen Sie die Billig-Angebote der Discounter?
De Pascalis: Viele denken: Kaffee ist Kaffee. Doch Rohkaffee gibt es von drei bis zu 150 Euro pro Kilo. Diese Großdiscounter verdienen kaum etwas mit ihrem Kaffee, sondern sie verdienen nur, weil die Leute nicht nur in die Läden kommen, um Kaffee zu kaufen, sondern auch um noch andere Dinge mitzunehmen.

Was glauben Sie, warum es eine Art von Rückbesinnung auf qualitativ hochwertigen Kaffee gibt?
Winkler: Eigentlich ist Kaffee ein funktionales Lebensmittel, das die Menschen benötigen, um sich morgens nicht die Außenspiegel abzufahren, wenn sie aus der Garage fahren. Doch es ist so viel mehr: Der Anbauer muss die roten Kaffeekirschen erpflücken, am besten von Hand, sie dann entkernen, waschen und so weiter. Es ist enorm viel Arbeit, und Kaffee ist die zweitwichtigste Handelsware neben dem Erdöl.
De Pascalis: Nestlé hat versucht, Kaffee nachzumachen. Es geht aber nicht, es ist unmöglich, weil es ein Naturprodukt mit mehr als 1800 Aromen ist.

Also ist Kaffee nicht gleich Kaffee?
Winkler: Keineswegs. Ich mag die Bohnen Asiens, in denen ich Töne von Nougat oder Cognac herausschmecken kann. Zudem muss alles schonend durchgeröstet werden. Die Industrieröster werfen den Turbo an und jagen die Bohnen dann mit 600 Grad durch den Ofen.
De Pascalis: Die versuchen schnell zu rösten, das ist klar. Aber dann sind viele Bohnen immer noch roh.

Apropos Bohnen: Eigentlich müsste man Ihre Kaffeeröstereien in Hamburg oder Bremen vermuten, da die Heimerzheimer Swist nun nicht gerade als schiffbares Gewässer gilt. Was verschlägt Ihr Handwerk und Sie denn eigentlich nach Heimerzheim?
Winkler: Heimerzheim ist die Hauptstadt des Kaffees - oder zumindest der Kaffeerösterei. Bei 6000 Heimerzheimern kommen 3000 Menschen auf eine Rösterei. Wo gibt es das schon?
De Pascalis: Vor 20 Jahren bin ich nach Heimerzheim gekommen - von Köln aus. Ich habe damals im neuen Gewerbegebiet ein Grundstück gefunden. Aber in Hamburg hole ich meinen Kaffee - acht verschiedene Sorten aus der ganzen Welt. Und ich gehe auch zu den Produzenten, bin schon in Indien oder Mexiko gewesen. Wissen Sie, was gut ist: Seitdem der Kaffee Trend ist, bekommen auch die Bauern mehr Geld.

Sie sprechen mit Recht vom Kaffeetrend. Wie sehr schmerzt Sie da überzuckerter Kaffee im Pappbecher, der als "To go" feilgeboten wird?
Winkler: Dieses Übel fing einst mit vakuumverpacktem Kaffee an, heute gibt es Pads, Kapseln und was Sie gerade ansprachen ... Aber wir beide führen gerne Gruppen durch unsere Röstereien und vermitteln ihnen das Wissen zum Kaffee - etwa darüber, sich Zeit zu lassen. Ihn etwa selbst mit der Mühle zu mahlen.
De Pascalis: Ja, glauben Sie mir. Es gibt Unterschiede bei ein und derselben Sorte, wenn sie unterschiedlich gemahlen sind. Oder ich kann bei der Zubereitung viel falsch machen...

Beispiele?
De Pascalis: Schrecklich finde ich, wenn zu wenig Kaffee im Siebträger ist, um einen Espresso zu machen.
Winkler: Viele Gastronomen wollen aus einem Kilo Kaffee möglichst viele Tassen herausholen. Meinem Ansinnen nach gehören 8,5 Gramm Kaffee in den Siebträger, nicht sechs. Leider ein deutsches Phänomen: In Italien geht niemand in den Supermarkt und kauft ein Kilo Kaffee für fünf Euro.
De Pascalis: Kaffee ist Kultur. Es gibt Kunden, die sagen: Bei Aldi ist der Kaffee billiger und kommen nicht mehr zu mir. Doch nach einem Monat kommen sie zu mir zurück und wollen meinen Kaffee probieren. Wenn ich persönlich einen Kaffee probieren möchte, dann mache ich das übrigens immer ohne Milch und Zucker.

Zu den Personen

Sebastiano de Pascalis (58) ist seit fast 20 Jahren mit seiner Rösterei "Seba Caffé" an der Dützhofer Straße in Heimerzheim heimisch. "Seba Caffé" heißen auch seine Kaffeespezialitäten, die der in Lecce, der Barockstadt am Stiefelabsatz Italiens geborene Gastronomensohn, feilbietet. Er lebt seit mehr als 40 Jahren in Deutschland.

Peter Winkler (56) betreibt im Ambiente des Unteren Dützhofs an der Vorgebirgsstraße seine Rösterei "Caffé Casolo". Der frühere Gemüsehändler und Weltenbummler setzt auf ökologischen Anbau, Biozertifizierung und fairen Handel. Winkler nennt sich "Deutschlands einzigen kleinen Biokaffeeimporteur, der Kaffee röstet".

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