GA-Serie Geschichten entlang der Swist - von der Quelle bis zur Mündung

RHEIN-SIEG-KREIS · Sie plätschert in trockenen Sommern müde durch ihr Kiesbett, so dass man kaum nasse Waden bekommt, wenn man durch sie hindurchwatet. Sie kann aber auch ganz gewaltig an Volumen zunehmen und halbe Dörfer überschwemmen, wie 1961 und 1984 geschehen.

Die Rede ist von der Swist, dem mit 43,6 Kilometern längsten Bach Europas. Der General-Anzeiger stellt in den nächsten Wochen Geschichten vor, die sich am Ufer der Swist abgespielt haben. Wir lassen Menschen zu Wort kommen, die an der Swist leben oder in irgendeiner Weise mit ihr zu tun haben.

Der Name der Swist leitet sich laut Heimatforscher Rudolf Bölkow vom niederdeutschen "twisten" (sich gabeln, teilen) ab. Das würde zum früheren Verlauf des Baches mit zahlreichen Windungen und Zuflüssen passen. Geologen wissen, dass ursprünglich die Ahr im heutigen Bett der Swist verlief.

Nachdem sich aber das Ahrgebirge gehoben hatte, war der Lauf nach Norden versperrt und die Ahr suchte sich den kurzen Weg zum Rhein. Aus den Weiden nördlich von Kalenborn in der Gemeinde Grafschaft sprudelt Wasser aus sieben Quellen an die Erdoberfläche.

Die Rinnsale vereinigen sich auf einer Höhe von 330 Metern zur Swist, die dann ihre Bahn durch Esch, Holzweiler, Vettelhoven und Eckendorf zieht, ehe sie den Kreis Ahrweiler verlässt und Kurs auf Meckenheim nimmt. Sie schlängelt sich zunächst durch Feld und Flur. Ab Meckenheim kann von "schlängeln" aber kaum noch die Rede sein, denn der Bach verläuft vorwiegend im begradigten Bett, in Flerzheim gar in einem Betonkorsett.

Begradigung und Tieferlegung sind Folgen des Jahrhunderthochwassers von 1961. Über weite Strecken wurde ein Trapezprofil angelegt und der Bach eingefasst. Dadurch stieg die Fließgeschwindigkeit deutlich an. Mehrere Überflutungsflächen, wie der ehemalige "Swistknick" bei Dünstekoven, fielen weg.

Im Zuge der Arbeiten wurden entlang der Swist zahlreiche Wirtschaftswege angelegt, die von Spaziergängern und Radfahrern genutzt werden können. Durch die Begradigung, so meinten die Fachleute damals, könnten Überflutungen weitgehend vermieden werden. Nach dem nächsten Jahrhunderthochwasser 1984 setzte ein Umdenken ein.

Heute versucht der Erftverband, Überflutungen der Orte durch diverse Renaturierungsmaßnahmen und Ausweisung von Retentionsflächen zu verhindern. Das Gesamtprojekt, an dessen Ende ein naturnaher, teils wieder mäandernder Bach stehen soll, ist bis 2027 konzipiert. Unter anderem wurde in der Nähe von Miel ein Auenwald angelegt, der Hochwasser aufnehmen kann.

Am Ufer der Swist standen früher viele Mühlen. Die meisten existieren längst nicht mehr oder werden nicht mehr genutzt. Die Obere Mühle in Meckenheim soll zum Museum werden. In der Morenhovener Mühle geschah in der Silvesternacht 1985 ein schreckliches Verbrechen. Eine junge Frau wurde ermordet.

Erst 20 Jahre später konnte der Täter nach einem DNA-Test überführt werden. Weiter nördlich passiert die Swist die RSAG-Umladestation. An der Einfahrt von der B56 hatten schon die Römer eine Brücke gebaut. Die römische Wasserleitung von der Eifel nach Köln überquerte das Tal der Swist zwischen Meckenheim und Rheinbach mit einer Bogenbrücke von 1400 Metern Länge und bis zu zehn Metern Höhe. Die Archäologen gehen davon aus, dass die Brücke einmal 295 Bögen gehabt haben muss.

Ab 1887 sprangen Kängurus am Ufer der Swist umher. Burgherr Philipp von Boeselager hatte sie aus Australien mitgebracht und im Burgpark ausgesetzt. Sie vermehrten sich rasch und wurden zur Plage, weil sie die Felder leer fraßen. Eine andere Plage sind die Ratten, die in den Böschungen hausen. Bis in die 60er Jahre zahlte die Gemeinde einem Rattenfänger eine "Kopfprämie" für jeden erlegten Nager. Den Umfang seiner Beute wies er dem Amt durch Vorlage der abgeschnittenen Rattenschwänze nach.

Im Januar 2011 genoss eine in der Region selten vorkommende Biberratte, auch Nutria oder Sumpfbiber genannt, in Heimerzheim für ein paar Wochen große Aufmerksamkeit. Wenn sie auf der Swist-Böschung ihr vegetarisches Mahl einnahm, blieben auf der Brücke Vorgebirgsstraße die Passanten stehen und beobachten das dackelgroße Tier mit den auffälligen orangefarbenen Zähnen, die auch dazu dienen, den Bauern die Hackfrüchte wegzunagen.

Wichtigster Nebenfluss der Swist ist der Steinbach, der als Jungbach nördlich von Morenhoven von links in die Swist mündet. Zwischen Schweinheim und Essig trägt er den Namen Orbach.

Hin und wieder landen auch Fahrzeuge in der Swist. Zum Glück kamen die Fahrer meist mit dem Schrecken davon. So fuhr in den 50er Jahren ein auswärtiger Lkw-Fahrer in Heimerzheim von der Brückenstraße geradewegs in den Bach. Er hatte offenbar nicht mitbekommen, dass mit dem Bau der neuen Kölner Straße die alte Brücke in Höhe der Burg abgerissen worden war.

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