Schüler gedenken der Opfer von Auschwitz "Das Leid macht uns fassungslos"

SWISTTAL-HEIMERZHEIM · Anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnerten gestern in Rheinbach und Heimerzheim Schüler mit Gedichten und Musik an die Opfer der NS-Vernichtungspolitik.

Ailin Hollagh, Jonas Kebir und Shu-Xin Hung (v.l.) von der Georg-von-Boeselager-Schule trugen gestern auf dem Jüdischen Friedhof in Heimerzheim Texte und Gedichte vor, nachdem Bürgermeister Eckhard Maack (3.v.r.) anlässlich des Holocaust-Gedenktags eine Rede gehalten hatte.

Ailin Hollagh, Jonas Kebir und Shu-Xin Hung (v.l.) von der Georg-von-Boeselager-Schule trugen gestern auf dem Jüdischen Friedhof in Heimerzheim Texte und Gedichte vor, nachdem Bürgermeister Eckhard Maack (3.v.r.) anlässlich des Holocaust-Gedenktags eine Rede gehalten hatte.

Foto: Roland Kohls

"Mir ist noch immer unklar, wie die Verfolgung und Vernichtung der Juden von der Bevölkerung mitgetragen werden konnte", sagte Ailin Hollagh. Gemeinsam mit ihrem Klassenkameraden Jonas Kebir von der zehnten Realschulklasse der Heimerzheimer Georg-von-Boeselager-Schule trug sie gestern auf dem Jüdischen Friedhof in Heimerzheim eigene Gedanken vor. Eine Gruppe von 50 Interessierten hatte sich dort zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus versammelt. "In den Tagen vor der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 70 Jahren starben Tausende Menschen auf den Todesmärschen aus den Lagern im Osten Richtung Westen", sagte Swisttals Bürgermeister Eckhard Maack. Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager durch Soldaten der Roten Armee befreit.

"Das Leid der Verfolgten und ihrer Angehörigen macht uns fassungslos", sagte Jonas Kebir. Auch wenn seine Generation nichts mit diesen Verbrechen zu tun habe, stünden sie doch in der Verantwortung, dass so etwas nie wieder passiert. Ebenfalls müsste die Erinnerung an die Verbrechen wachgehalten werden. Shu-Xing Hung ebenfalls von der Heimerzheimer Sekundarschule, trug ein Gedicht von Peter-David Blumenthal-Weiss vor, der 1944 in Auschwitz getötet wurde. "Wir haben im Geschichtsunterricht die gesamte Zeit des Nationalsozialismus von der Machtübernahme über die Judenverfolgung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges durchgenommen", sagte Jan-Niklas Vilz. Auch im Religionsunterricht haben die Schüler über das Thema gesprochen. Dort hatten sie mehr über das Judentum erfahren, berichtete die 17-jährige Sonali Vohra. Nach der Gedenkstunde zeigte der Heimerzheimer Ortsvorsteher Hermann Leuning Bilder von den Zuständen im Konzentrationslager Auschwitz.

Einst waren sie Nachbarn, Freunde, Säulen des gesellschaftlichen Lebens. Und dann begann auch hier die systematische Ausgrenzung und Vernichtung unvorstellbaren Ausmaßes durch das Naziregime: An die Entwicklung und den Niedergang jüdischen Lebens in Rheinbach erinnerten Tomburg-Realschüler gestern im Rahmen der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus im Rheinbacher Rathaus. Zu der überparteilichen Gedenkstunde inklusive Gesteckniederlegung hatten die Landtagsabgeordnete Ilka von Boeselager und die Stadt Rheinbach eingeladen. Und nicht nur zahlreiche Vertreter aus Stadt und Politik füllten das Foyer, auch Vertreter der Kirchengemeinden, Vereine und der Schulen demonstrierten eindrucksvoll, dass die Millionen von Opfern nicht vergessen sind.

"Ausschwitz ist zum Symbol von Qual und Vernichtung geworden, von fabrikmäßig organisierter Massenvernichtung und dem völligen Bruch mit der Zivilisation", sagte von Boeselager in ihrer Ansprache. Und mahnte angesichts der vielen Täter und Institutionen, die den Holocaust und die Verfolgung zahlreicher Bevölkerungsgruppen damals ermöglichten: "Menschen sind grundsätzlich verführbar. Der Schutzschild der Kultur gegen Demagogie ist dünn. Wir müssen wachsam bleiben." Diesen Tenor griffen auch Bürgermeister Stefan Raetz und die teilnehmenden Schüler der Tomburg-Realschule, der Gemeinschaftshauptschule und des Städtischen Gymnasiums in ihren Beiträgen auf und zogen Parallelen zur Gegenwart.

Raetz warnte, dass "nationalsozialistisches Gedankengut und Straftaten immer noch verbreitet" seien, und auch die Gymnasiasten forderten, neofaschistisches Gedankengut und die Hassparolen etwa der Sammelbewegung Pegida nicht zuzulassen. Geschichtsunterricht und offizielle Gedenktage müssten der Grundstein im Kampf gegen Extremismus sein. Auch musikalisch ehrten die Rheinbacher die Opfer der Naziverbrechen. So warb der Mädchenchor der Klassen acht bis zehn der Rheinbacher Hauptschule mit dem jüdischen Lied "Hine matov" und mit John Lennons "Imagine" für den Frieden in der Welt. Alexandra Schäfers und Thomas Michels umrahmten die Gedenkstunde mit Stücken aus Franz Schuberts "Sonatinen für Geige und Klavier".

Zum Gedenken an den "Schwarzen Tag von Rheinbach" am 29. Januar 1945, dem heftigsten und folgenschwersten Luftangriff, den Rheinbach je erlebt hat, lädt Bürgermeister Raetz alle Rheinbacher für Donnerstag, 29. Januar, zu einer Andacht in die Pfarrkirche Sankt Martin, Langgasse 12, ein. Beginn: 18.30 Uhr.

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