Bombenangriff Heimerzheim 180 Menschen starben 1945 im Bombenhagel

SWISTTAL-HEIMERZHEIM. · Am 3. März 1945 griffen 36 alliierte Flieger das strategisch wichtige Heimerzheim an. Der Ortskern lag nach wenigen Minuten in Schutt und Asche. Bürger laden nun zur Gedenkfeier an der katholischen Kirche.

 Auch der Hof Diefenthal an der Kölner Straße in Heimerzheim wurde beim Bombenangriff vom 3. März 1945 zerstört.

Auch der Hof Diefenthal an der Kölner Straße in Heimerzheim wurde beim Bombenangriff vom 3. März 1945 zerstört.

Foto: Ak Heimat

Heimerzheim ist zur „Festung“ ausgebaut worden, um die Truppen der Alliierten vom Rhein fernzuhalten. Nach der Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944 haben sie sich nach der blutigen Schlacht im Hürtgenwald bis zu den Dörfern westlich von Bonn vorgearbeitet. Oberhalb von Heimerzheim hat die Wehrmacht Flakgeschütze in Stellung gebracht. Am Waldrand und in den Feldern werden 37 Kilometer Schützengräben ausgehoben, aus denen man die fremden Soldaten bekämpfen will. Die Gräben sind heute noch gut im Gelände zu erkennen.

Rings um Heimerzheim sind Feldflugplätze bei Ollheim, Vershoven und Odendorf angelegt worden. Dazu die Festung Gut Capellen bei Dünstekoven mit ihrer Artilleriestellung und das „Potemkinsche Dorf“ bei Müggenhausen, das die feindlichen Bomber seit 1940 mehrmals zu verfrühten Abwürfen bewegt. Seit Anfang 1945 sind in Heimerzheim etwa 500 Soldaten der Wehrmacht einquartiert, bis Mitte Februar auch einige SS-Einheiten. Hunderte Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene bevölkern die Höfe oder schlafen in den Sälen der Gaststätten, in Scheunen und in Feldlagern.

Heimerzheim mit seiner Lage am Fuße des Vorgebirges, der letzten „Barriere“ vor dem Rhein, ist ein strategisches Ziel für die Alliierten, die sich auf ihrem Vormarsch nicht mehr so lange wie bei der verlustreichen Schlacht im Hürtgenwald bei Aachen aufhalten lassen wollen. Daher werden auch Kleinstädte wie Rheinbach und Dörfer wie Meckenheim und Heimerzheim aus der Luft bombardiert.

Seit 1943 haben amerikanische und britische Luftaufklärer die Gegend kartographiert. Ihnen bleibt keine militärische Einrichtung verborgen. Wie aus der von Pfarrer Theodor Giesen verfassten Pfarrchronik hervorgeht, passieren im August und September 1944 endlose Flüchtlingsscharen das Dorf. Die Leute kommen aus den Dörfern und Städten der Aachener und Dürener Gegend. Teilweise übernachten sie im Ort, um weiter in Richtung Bonn zu ziehen. „Auf Fuhrwerk und Handwagen ist die notdürftigste Habe verstaut und dahinter trollen mühsam und schwerfällig Kühe und Rinder. Im September erfolgen die ersten Einquartierungen. Auch das Pfarrhaus wird belegt. Die Arbeit auf den Feldern ruht, nur das notwendigste wird getan“, notiert der Pfarrer.

Aus Angst vor Luftangriffen beginnen die Heimerzheimer im Herbst 1944, Betonbunker und Schutzstollen in den Hang zu bauen: hinter dem heutigen Hotel Weidenbrück, unterhalb der heutigen Sekundarschule und am heutigen Friedhof. Die Bürger müssen die Fenster mit schwarzem Papier verdunkeln, damit die Bomberpiloten keinen Lichtschein sehen.

Pfarrer Giesen über den Heiligen Abend 1944: „Der Andrang an den Beichtstühlen ist sehr stark. Gegen halb 7 Uhr setzt Fliegeralarm ein. In der Ferne rollt der Donner der Fliegerabwehrgeschütze. Die Kirche leert sich. Die Fliegerabwehr im Bezirk Bonn setzt ein. Durch die Finsternis über uns rollen Bombenflugzeuge ostwärts. Bald dröhnen aus Bonn die ersten Explosionen herüber und schon steigen Feuergarben und rote Brandwolken am Himmel auf. Bonn brennt. Ein grauenhafter Heiliger Abend. Es ist bitterkalt. Zahllose verlieren Leben, Haus und Heimat. Friede den Menschen, wir gehen stumm auseinander.“

Die Volksschule wird Ende 1944 geschlossen, denn es gibt kein Heizmaterial mehr. Der Ort ist im Januar 1945 voll von Soldaten und Schanzarbeitern. Der Kanonendonner rollt vom Westen Tag und Nacht über das Dorf. Man kann den Ort nicht verlassen, schreibt Giesen in der Pfarrchronik, ohne Gefahr zu laufen, von Jagdbombern beschossen zu werden. „Keiner arbeitet mehr auf dem Feld. Eine Unzahl von Bomben ist auf dem Mühlenberg gefallen. Die Felder sind wie umgewühlt. Der Ort sieht aus wie ein Dorf hinter der Front. Tag und Nacht gehen und kommen Soldaten und Flüchtlinge.“

Die Stromversorgung bricht Anfang Februar 1945 zusammen, die Sirenen müssen von Hand gedreht werden. Es gibt weder Brot im Dorf, noch Kohlen oder Briketts. Die öffentliche Wasserleitung ist zerbombt. Die Menschen holen sich Wasser aus alten Brunnen.

Den 1. März schildert der Pfarrer so: „Die Dorfbewohner werden nervös, ein Teil packt das notwendigste Hab und Gut auf Wagen und Wägelchen. Es sind die alten Parteigenossen. Sie wollen ihr Heil jenseits des Rheines suchen. Die Zurückgebliebenen beginnen in Kellern und Erdlöchern sich einzurichten. Der Zustrom von Flüchtlingen dauert dabei an. Gegen Abend verbreitet sich eine unheimliche Ruhe über das Dorf. Soldaten und Flüchtlinge sind größtenteils verschwunden. Eine Verbindung mit der Außenwelt gibt es nicht mehr, da der Rundfunk, die letzte Nachrichtenquelle, ausgefallen ist.“

Samstag, der 3. März 1945, geht als schwarzer Tag in die Geschichte Heimerzheims ein. Im nur wenige Minuten dauernden Bombenhagel sterben 180 Menschen. Weitere werden im Laufe des Tages von Tieffliegern erschossen. Knapp 1200 Einwohner zählt das Dorf damals. Gegen 10.55 Uhr nähert sich von Westen ein amerikanischer Bomberverband mit 36 Flugzeugen. Als diese ihre 218 Stück 500-Pfund-Bomben ausklinken, liegt ein Drittel des Dorfes eine Minute später in Schutt und Asche.

Mehr als 100 Tote sind es, die man bis zum Abend aus den Trümmern geborgen hat. In den nächsten Tagen steigt die Zahl der Toten auf über 180 Personen. Etwa jeder achte Einwohner von Heimerzheim kommt ums Leben. Die Gruppe 410 der amerikanischen 9. Bomberdivision hat den Auftrag, das „Kommunikationszentrum Heimerzheim“ zu zerstören, heißt es in einem US-Report aus dem amerikanischen Kriegsarchiv NARA. Es ist einer von vielen Angriffen, die die Alliierten auf den letzten massiven Widerstand der deutschen Wehrmacht in der Region führen, um den Weg ins Rheintal frei zu machen und weiter nach Osten zu gelangen.

Die Schmergasse, heute ein Teil der südlichen Kirchstraße, war besonders betroffen. Von ehemals 27 Häusern standen nur noch elf. Alleine in der Schmergasse waren über 40 Tote zu beklagen. Bereits am 6. März zogen amerikanische Einheiten in das Dorf ein und besetzten es.

 Die Heimerzheimer Rainer Schmitz und Monika Limpinsel haben sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Geschichte des Bombenangriffs auf den Ort am 3. März 1945 beschäftigt. Deshalb laden sie für heute, 10.45 Uhr, zu einer Gedenkfeier für die Opfer am Ehrenmal vor der Kirche ein.

Heimatkundler Georg Schmidberger diskutiert heute ab 10 Uhr mit Schülern der Sekundarschule über den Bombenangriff auf Heimerzheim.

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