Zigaretten-Mafia in Rheinbach Zollfahnder stellen auch am Holunderweg Unterlagen sicher

RHEINBACH · Der Holunderweg in Rheinbach liegt mitten in einer gediegenen Wohngegend. Reihenhäuser, Mehrfamilienhäuser, Vorgärten, viel Grün. In der mittäglichen Ruhe fahren am Montag einige Autos vor, die man dort sonst nicht sieht: Zivilfahrzeuge des Zollfahndungsamtes Frankfurt.

 Ermittler des Zolls.

Ermittler des Zolls.

Foto: Vogel

Aus den Wagen steigen etwa zehn bewaffnete Beamte, darunter auch Bonner Polizisten, die die Zollfahnder unterstützen. Ihr Ziel ist ein Haus, von dem die Ermittler stark annehmen, dass dort ein Mitglied der international operierenden Zigaretten-Mafia lebt.

Kurz vor 13 Uhr umstellen die Einsatzkräfte das Haus, sichern auch eventuelle Fluchtwege. Die Nachbarn bekommen von diesen Zugriffsvorbereitungen nichts mit. Dann betreten die Fahnder das Haus, offenbar ohne auf Widerstand zu stoßen. Der oder die Tatverdächtige wird zunächst festgenommen. Die Beamten stellen schriftliche Unterlagen und Handys sicher, Zigaretten finden sie nicht. Nach Abschluss der Aktion und Feststellung der Personalien wird der/die Verdächtige wieder auf freien Fuß gesetzt.

Zu Einzelheiten des Einsatzes und zur verdächtigen Person wollte sich Hans-Jürgen Schmidt, der Sprecher der Frankfurter Zollfahnder, am Montag "aus ermittlungstaktischen Gründen" nicht äußern. Er sagte nur, die Aktion sei "ein Nachläufer" des großen Schlags von Staatsanwaltschaft Hanau und Zoll gegen die internationale Zigaretten-Mafia in der vergangenen Woche.

Nachdem bereits im April 2013 ein illegaler Zigarettenherstellungsbetrieb in den Niederlanden enttarnt und zwei Zigarettenherstellungsmaschinen, 4,8 Millionen unversteuerte Zigaretten und 16 Tonnen Feinschnitt-Tabak sichergestellt werden konnten, schnappten die Fahnder vergangene Woche auch die mutmaßlichen Täter.

Insgesamt wurden, so Schmidt, elf Haftbefehle vollstreckt, davon acht in NRW, zwei in Hessen und einer in Österreich. Es wurden 17 Objekte in NRW im Raum Köln, Neuss und Mönchengladbach, acht Objekte in Hessen sowie ein Objekt in Wien durchsucht. Neben elektronischen Datenträgern sowie schriftlichen Aufzeichnungen wurden Handys und Sim-Karten, 121.335 Euro Bargeld, eine Münzsammlung, ein Audi A 5 sowie Schmuck, Uhren und Unterhaltungselektronik sichergestellt.

Im Zuge der Ermittlungen konnten laut Schmidt insgesamt 22,66 Millionen Zigaretten in Deutschland, Österreich, der Slowakei und den Niederlanden, 46 Tonnen Feinschnitt-Tabak sowie zwei Zigarettenherstellungsmaschinen in den Niederlanden sichergestellt werden.

Die international agierende Tätergruppe steht im Verdacht der bandenmäßigen Steuerhinterziehung und soll mehr als 50 Millionen unversteuerte und markengefälschte Zigaretten der Marke Marlboro hergestellt und in Umlauf gebracht haben. "Wir haben den Beschuldigten zudem 196 Tonnen Feinschnitt-Tabak zuordnen können.

Mit dieser Menge lassen sich 196 Millionen Zigaretten herstellen. Das würde ausreichen, um die Raucher einer 100.000-Einwohner-Stadt ein Jahr lang mit Zigaretten zu versorgen", sagt Markus Tönsgerlemann, Leiter des Zollfahndungsamts Frankfurt.

Der Steuerschaden beläuft sich nach derzeitigem Ermittlungsstand auf mehr als 24 Millionen Euro. Das Ermittlungsverfahren richtet sich gegen 29 Beschuldigte im In- und Ausland. Hauptbeschuldigte sind ein 45-Jähriger aus Wien, ein 34-Jähriger aus Köln, ein 55-Jähriger aus Leverkusen und ein 35-Jähriger aus Hessen. Im Falle einer Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Schmuggels oder Steuerhehlerei haben sie mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu rechnen.

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