Wissenschaftsjournalist und Autor Ulrich Schnabel zu Gast auf dem Sofa in Rheinbach

Rheinbach · Der Wissenschaftsjournalist Ulrich Schnabel über Zuversicht und seine Lesung als Gast auf dem Sofa in Rheinbach.

 Ulrich Schnabel

Ulrich Schnabel

Foto: Martina van Kann

Trump, Terror, Klimawandel – die Welt ist voll von Gründen, deprimiert den Kopf in den Sand zu stecken. Autor Ulrich Schnabel weiß Wege aus akuter Hoffnungslosigkeit. Seine Bücher „Die Vermessung des Glaubens“ und „Muße“ sind Bestseller. Jetzt kommt er mit seinem neuesten Werk „Zuversicht“ nach Rheinbach. Der 56 Jahre alte Wissenschaftsredakteur der „Zeit“ ist am Freitag, 15. Februar, ab 19.30 Uhr „Zu Gast auf dem Sofa“ in der Hochschul- und Kreisbibliothek. Mit ihm sprach .

Sie werben dafür, dass Zuversicht selbst in ausweglosen Situationen wie einer Krebsdiagnose kein Ding der Unmöglichkeit ist. Kann ich Zuversicht lernen, ohne ein unverbesserlicher Optimist zu sein?

Ulrich Schnabel:Zuversicht ist für mich etwas anderes als Optimismus. Dieser setzt darauf, dass sich am Ende die Dinge irgendwie zum Guten wenden. Dass etwa die Krebserkrankung geheilt wird. Aber was machen Sie, wenn Sie merken, es wendet sich nicht zum Guten? Fallen Sie in die Verzweiflung oder gibt es einen Zwischenweg? Der Zwischenweg ist für mich die Zuversicht. Das heißt: Keine rosarote Brille tragen, sondern die Schwierigkeiten klar sehen – und trotzdem den Blick für die Spielräume behalten, die sich auftun.

Schnabel: Das ist ein sehr interessantes Phänomen. Der Antwort kommen Sie näher, wenn Sie sich klarmachen, dass die Stimmung einer Nation eine emotionale Sache ist. Und Emotionen basieren nicht auf wirtschaftlichen Kennzahlen, Emotionen orientieren sich am Vergleich: Wie war es vorher, wird es besser oder schlechter? Die Tatsache, dass wir jetzt auf einem sehr hohen Niveau leben, gibt vielen das Gefühl, dass es nur schlechter werden kann. Außerdem merken wir, dass sich vieles verändert. Das erzeugt ein Gefühl der Angst, fast Panik. Dabei geht es den Deutschen im internationalen Vergleich so gut wie kaum einer anderen Nation. Doch an Positives gewöhnen wir uns schnell und konzentrieren uns stattdessen auf all das, was im Argen liegt.

Viele Menschen, vor allem jüngere, wird schockieren, dass Sie dafür werben, weniger aufs Smartphone zu schauen. Sie warnen vor einem 'i-Buckel'.

Schnabel: Ich will das Smartphone nicht verteufeln. Ich habe als Journalist auch ständig mein Smartphone in Betrieb. Ich bin kein Technikfeind. Aber es gibt eine Reihe von Studien, die besagen, dass die Körperhaltung massiv auf die Stimmung zurückwirkt. Wenn jemand sich ständig mit rundem Rücken nach vorne beugt, wirkt sich das auf Stimmung und Leistungsfähigkeit aus. Der ständige Blick runter auf das Smartphone befördert so eine Haltung. Deswegen sage ich: Nicht ständig auf das Handy gucken, sondern immer mal Pausen einlegen und bewusst für eine aufrechte Haltung sorgen. Man muss seinem Gehirn auch die Möglichkeit geben, einmal rauszugehen aus dem digitalen Reizstrom, um das eigene Denken, die Kreativität anzuregen.

Das scheinen viele geradezu verlernt zu haben. In den sozialen Medien können sie teilen, was andere erdacht haben.

Schnabel: Viele können sich heute ein Leben ohne Smartphone nicht vorstellen. Doch so wie wir gelernt haben, dass es wichtig ist, für die körperliche Gesundheit etwas zu tun, brauchen wir diesen Lerneffekt auch auf geistigem Gebiet. Wir müssen begreifen, dass unser Gehirn ein lebendiges Organ ist – ein Denkmuskel. Und der braucht auch mal Entspannung.

Als eine Art Allzweckpflaster empfehlen Sie Humor. Ist es aber nicht so, dass derjenige, der viel lächelt, weniger ernst genommen wird?

Schnabel: Ja, das ist ein Problem. In Deutschland wird Humor oft als etwas Unseriös-Lächerliches betrachtet. Dabei ist Humor in ernsten Situationen enorm hilfreich. Das habe ich von einem Weltenbummler gelernt, dem ich vor vielen Jahren begegnet bin. Er reiste jahrelang um die Welt, war in vielen brenzlichen Situationen in der Bronx, in Kurdistan, in Pakistan. Bei meiner Frage, ob er eine Waffe bei sich hatte, hat er nur gelacht und gesagt: „Ein Lächeln rettet dich aus mehr Situationen als eine Pistole“. Das fand ich eine kluge Lebensphilosophie. Wenn wir es schaffen, eine Situation in der richtigen Weise mit Humor zu betrachten, kann das einen deeskalierenden Effekt haben. Der Humor muss aber gut dosiert eingesetzt werden. Das ist kein Aufruf, jeder Situation mit einem debilen Grinsen zu begegnen. Man muss merken, wie man eine Situation mit einem guten Witz entspannen kann.

Sie sprechen sich dafür aus, das Ankommen zu Hause nicht nur körperlich zu vollziehen, sondern vor allem innerlich – etwa mit einem Hobby. Was schlagen sie vor?

Schnabel: Mir ist wichtig, den Leuten keine Vorschriften zu machen. Jeder Mensch ist einzigartig, und Sie haben gewiss andere Resonanzquellen als ich. Bei mir ist es zum Beispiel die Musik, ich spiele sehr gerne Klavier. Oder die Familie, meine Kinder, und ich bin sehr gerne in der Natur draußen. Ich glaube, es ist für jeden Menschen gut, sich klarzuwerden, was bei ihm einen positiven Widerhall erzeugt, das Gefühl, innerlich anzukommen. Gerade in schwierigen Lebenssituationen sind solche Resonanzquellen, die ihnen Schwung und Lebensenergie geben, enorm wichtig. Was ist denn Ihre Quelle, wenn ich fragen darf?

Ich habe auch Kinder. Die sind noch relativ jung, darum brauche ich kein Fitnessstudio.

Schnabel: Interessant an dem Beispiel Kinder ist ja, dass dabei nicht immer eitel Sonnenschein herrscht. Kindererziehung kann ja sehr anstrengend sein. Aber trotzdem erzeugt es ein tiefes Grundgefühl von Sinnhaftigkeit. Das ist eine ganz starke Resonanzquelle.

Als Beispiel für einen zuversichtlichen Menschen nennen Sie Stephen Hawking. Der hat während seiner unheilbaren Erkrankung viel Musik von Wagner gehört. Ein Anker, nicht in Verzweiflung zu versinken, war sein gigantisches Wissen. Hat ein belesener Mensch mehr Grund zur Zuversicht als ein bildungsferner?

Schnabel: Nein. Nicht der Intellekt hat ihn oben gehalten, sondern eine Sache, für die er sich begeistert hat. Das war bei ihm die Astrophysik. Wenn man etwas hat, das einen begeistert, ist das eine ganz starke Zuversichtsquelle. Das muss nicht heißen, dass sich jeder mit Astrophysik beschäftigen soll. Jeder hat andere Dinge, die ihn tragen können.

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