Rheinbacher Glasmuseum Ukrainischer Botschafter Andrij Melnyk zu Gast

RHEINBACH · Es gibt diese Momente, da selbst in großen Räumen mit vielen Menschen urplötzlich das Fallen der sprichwörtlichen Stecknadel hörbar würde. Mehr als 100 Zuhörer sind im Ratssaal des Rheinbacher Glasmuseums zugegen, als Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland, gleich mehrfach solche Momente erzeugt, da sich kein Mucks regt.

 Rheinbachs CDU-Chef Oliver Baron begrüßte rund 100 Zuhörer beim Herbstempfang seiner Partei zum Tag der Deutschen Einheit.

Rheinbachs CDU-Chef Oliver Baron begrüßte rund 100 Zuhörer beim Herbstempfang seiner Partei zum Tag der Deutschen Einheit.

Foto: Axel Vogel

Wie die Menschen in der DDR vor 25 Jahren, so strebten die Ukrainer nach Freiheit. Die Annäherung seines Landes an Europa sei dabei kein Lippenbekenntnis, meinte der 40 Jahre alte Chefdiplomat. "Es gibt viele Menschen, die bereit sind, mit der EU-Fahne in der Hand zu sterben", sagte Melnyk. Da war die Aufmerksam voll da.

Anders als der Fall der Mauer sei das Freiheitsstreben seines Volkes von einem blutigen Krieg mit prorussischen Separatisten überschattet. Gleichzeitig strebe sein Land nach einer Befreiung von Ungerechtigkeit, Korruption, oligarchischen Strukturen, Angst und Passivität. Das Streben seines Landes nach Freiheit sei eine "logische Fortsetzung der Wende", meinte der aus Lemberg stammende Vater von zwei Kindern, als Redner des Herbstempfangs der Rheinbacher Christdemokraten.

Trotz der Krise verfüge sein Land über viel Potenzial. Die wirtschaftlichen Zeichen stünden auf Wachstum. Es gebe viele gut ausgebildete, aber günstige Arbeitskräfte. Sein Land könne europaweit die vierthöchste Zahl an Hochschulabsolventen vorweisen. Zwar sei die Industrieproduktion wegen des Krieges um elf Prozent rückläufig, an neuen Motoren des Wachstums mangele es nicht. Beispiel: "Es gibt keinen einzigen deutschen Satelliten, der ohne ukrainischen Raketenträger ins All befördert wurde." Die Autozulieferer setzten ihre Waren vor allem in Deutschland ab. "Die Lenkräder und Sitzheizungen Ihres Porsche Cayenne stammen aus der Ukraine", so Melnyk. Wieder so ein Moment des Innehaltens.

Zuvor hatte Oliver Baron, Chef der Rheinbacher CDU, die Zuhörer am "wichtigsten Feiertag in Gesamtdeutschland" begrüßt. Auch 25 Jahre nach Vollendung der Einheit gebe es unzufriedene Bürger, die die Möglichkeiten der Demokratie immer noch nicht nutzten. "Die Politik muss die Menschen mitnehmen und nach Möglichkeit niemanden zurücklassen", erklärte Baron. Wie fragil die Sicherheitslage in Europa 25 Jahre nach dem historischen 3. Oktober 1990 sei, zeige der Ukraine-Konflikt eindrucksvoll - und der liege nur wenige Flugstunden von Deutschland entfernt.

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