Krach geht weiter Streit erschüttert die Rheinbacher CDU

Rheinbach · Bei der turbulenten Mitgliederversammlung der Rheinbacher CDU wird der Vorsitzende Pütz mit 107:97 Stimmen bestätigt. Gegenseitige Vorwürfe und persönliche Attacken prägen die sechsstündige Versammlung. Sachliche Politik findet nicht statt.

Gegenseitige Vorwürfe, gar massive persönliche Anfeindungen, einige Mitglieder sprachen von „Tollhaus“ oder „Hänneschentheater“: Auch nach der Wiederwahl von Markus Pütz zum Vorsitzenden ist die Rheinbacher CDU keineswegs befriedet. Im voll besetzten Schützenhaus stimmten am späten Dienstagabend 107 Christdemokraten für den Amtsinhaber Pütz, 97 für seinen Herausforderer und Vorgänger Oliver Baron. Das Ergebnis stand erst um 23.35 Uhr fest.

Denn die Versammlung musste gegen 22 Uhr für mehr als eine Stunde unterbrochen werden. CDU-Kreisgeschäftsführer Volker Meertz, der als Wahlleiter fungierte, hatte bemängelt, dass auf den vorbereiteten Stimmzetteln nur die vom amtierenden Vorstand vorgeschlagenen Namen standen. Wenn jemand nun handschriftlich einen anderen Kandidaten eintrage, sei die Handschrift eventuell zu identifizieren. Um einer möglichen Anfechtung der Wahl vorzubeugen, sei es notwendig, dass die Stimmzettel „sauber“ seien. „Die sind so nicht zu gebrauchen“, sagte Meertz und regte an, auf die Schnelle neue Stimmzettel mit den Namen aller Kandidaten zu drucken. Pütz hielt dem entgegen, der Vorstand habe ja bis zur Presseveröffentlichung am Dienstag nichts von Gegenkandidaten gewusst.

Meertz ließ gegen 22 Uhr darüber abstimmen, ob man neue Stimmzettel drucken solle. Die Mehrheit war dafür. Problem: Im Schützenhaus existiert kein Drucker. So wurden die Zettel bei einem in der Nähe wohnenden CDU-Mitglied gedruckt. Um 23.10 Uhr wurden die Zettel geliefert und für „sauber“ befunden. Der Wahlgang, für den der Vorstand eigens Wahlkabinen besorgte hatte, konnte beginnen. Nach mehrmaligem Durchzählen verkündete Meertz um 23.35 Uhr, dass 204 gültige Stimmen gezählt wurden, davon entfielen 107 auf Pütz, 97 auf Baron. Es war förmlich zu spüren, wie die nervöse Anspannung in den Gesichtern des amtierenden Vorstands Erleichterung wich. Nach lautstarkem Applaus für ihn hatte Pütz viele Hände zu schütteln. Zu den ersten Gratulanten gehörte der unterlegene Baron.

Versammlung hatte schon mit Knall begonnen

Nachdem sich die Emotionen etwas gelegt hatten, verkündeten Alicia Valero-Nadal und Axel Wilcke aus dem Baron-Lager, die für die beiden Stellvertreterposten kandidiert hatten, ihren Rückzug von der Kandidatur. Ebenso taten dies Hinrich Krumme, der sich für die Geschäftsführung beworben hatte und Wolfgang Döring (Pressearbeit). So wurden Ilka Rick und Joachim Schneider als Stellvertreter von Pütz bestätigt. Enttäuscht verließen viele CDUler aus dem Baron-Lager darauf das Schützenhaus. Mit Pütz gebe es keine Vertrauensbasis, man habe nur mit Baron arbeiten wollen, sagten Valero-Nadal und Wilcke, als sie den Versammlungsort verließen.

Baron sagte: „Ich bin Sportsmann und Demokrat genug, um dieses Abstimmungsergebnis zu akzeptieren. Es seien in den vergangenen Jahren „tiefe Wunden“ entstanden. Jetzt müsse er sich erst einmal sammeln, mit seinem Team reden und sehen, wie es weitergeht. Bernd Beißel (73) sprach von einem „überzeugenden Ergebnis“ für den alten Vorstand, der nun mit jungen Leuten in den Kompetenzteams die gute Arbeit fortsetzen könne. Stand jetzt wolle er selbst 2020 nicht mehr für den Rat kandidieren. Es sei denn, die Partei wünsche dies.

Die Versammlung hatte schon mit einem Knall begonnen. Eifrig wurde diskutiert, ob Vizebürgermeister Claus Wehage eine Mail von Bürgermeister Stefan Raetz, der als Redner einen Termin des Städte- und Gemeindebundes in Berlin wahrnahm, verlesen dürfe. Raetz hatte in den Tagen zuvor für Irritationen gesorgt, weil er einen Brief unterschrieben hatte, in dem der Vorstand mit Pütz an der Spitze den Mitgliedern zur Wiederwahl empfohlen wurde.

Später zog er diesen Brief jedoch zurück. Er sei von Bernd Beißel formuliert worden, und er habe ihn in der Eile nicht genau durchgelesen. Dennoch wurde der Brief vom Vorstand verschickt. Für Raetz „ein Vertrauensbruch“. Wie der Verwaltungschef auf GA-Anfrage erklärte, seien zwischen seinem Wunsch, den Brief nicht zu versenden und dem Versand zehn Tage vergangen.

In der Mail, die Wehage verlas, bescheinigt Raetz Partei und Fraktion gute Arbeit. Aber dies geschehe nicht gemeinsam. Stattdessen „zerfleische“ man sich gegenseitig. Durch Egoismen setze man die führende Rolle der CDU in Rheinbach aufs Spiel. Die gegenseitigen Ressentiments müssten beendet werden. Partei und Fraktion müssten wieder zueinander finden. Dabei biete er seine Hilfe an. Der Brief endet „mit sorgenvollen Grüßen“.

Beigeordneter Raffael Knauber sagte in der Aussprache vor den Wahlen, die CDU setze die richtigen Themen. Diese Arbeit werde aber konterkariert durch den Umgang der Partei mit Raetz in Sachen Mitgliederbrief und seiner eigenen Person vor seiner Wiederwahl zum Beigeordneten. Es sei hinter den Kulissen versucht worden, eine andere Person zum Beigeordneten zu machen. Was er nicht aussprach, aber meinte: Diese Person soll nach GA-Informationen Markus Pütz gewesen sein. Der wies dies jedoch zurück: Ihm sei nichts in Aussicht gestellt worden.

Anfeindungen und Vorwürfe aus beiden Lagern

Doch damit nicht genug: Kübelweise schütteten die Vertreter beider Lager zum Tagesordnungspunkt „Aussprache zu den Berichten“ Anfeindungen und Vorwürfe übereinander aus. CDU-Fraktionsvize Axel Wilcke warf Pütz vor, zu denjenigen zu gehören, die den Riss in der Fraktion erzeugt haben. „Du warst einer der Ersten, die gerufen haben: Der alte Fraktionschef muss weg“, sagte Wilcke. Auch Fraktionsmitglied Dagmar Specht berichtete von einem Gespräch mit Pütz, in dessen Verlauf dieser für die Abwahl von Bernd Beißel geworben habe. „Du hast dein Fähnchen in den Wind gestellt“, so Specht.

„Das nimmt eine Form an, die nicht in eine solche Partei gehört“, machte Beißel seinem Ärger Luft. Der Beifall für diesen Satz war gerade verklungen, da berichtete der frühere Fraktionschef von einer Begebenheit, die sich nach seiner Darstellung in Pütz' Anwaltskanzlei abgespielt haben soll. Als Pütz nämlich 2016 seine Bereitschaft bekundet habe, für die Landtagswahl 2017 zu kandidieren, soll Josten-Schneider, die ebenfalls ihren Hut als Bewerberin in den Ring warf, dies mit den Worten: „Wenn du gegen mich antrittst, mache ich dich fertig“ kommentiert haben.

Josten-Schneider wiederum berichtete den CDU-Mitgliedern, dass ihr Vertreter von SPD, UWG und Grünen im Rat davon berichtet hätten, dass Beißel im Vorfeld der Wiederwahl von Raffael Knauber zum Ersten Beigeordneten in den Reihen dieser Fraktionen dafür beworben habe, die Wahl Knaubers zu verhindern. Der frühere Rheinbacher Bürgermeister Hans Schellenberger warb erneut dafür, dass ein Schlichter zwischen den Lagern vermitteln solle. „Ich bin erschüttert über den Zustand der Partei“, sagte Schellenberger. Eine Schlichtung sei zwar „kein Garant für Erfolg. Aber wir sollten es versuchen“, so der Raetz-Vorgänger.

In seinem Vorstandsbericht hatte Pütz zuvor kämpferisch das Ziel ausgegeben, dass die Rheinbacher Christdemokraten bei der Kommunalwahl 2020 mit einem Ergebnis von 50 Prozent wieder stärkste Kraft im Rat werden. Hintergrund: 2014 hatten sie 45,6 Prozent bei der Ratswahl erreicht. „50 Prozent sind keine Illusion“, meinte Pütz. Voraussetzung sei allerdings, dass in der CDU „alle gemeinsam an einem Strang in die gleiche Richtung ziehen“ würden. „Die Bürger wollen von uns politische Lösungen für die Probleme der Stadt.“ Erst gegen 0.50 Uhr – fast sechs Stunden nach dem Beginn der Mitgliederversammlung – beendete Volker Meertz die Mitgliederversammlung – sichtlich glücklich, dass es vorbei war.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort