„Der Krieg hat überall Opfer gefunden“ So wurde in Rheinbach an den Kriegsbeginn gedacht

Rheinbach · Zum 80. Jahrestag des Überfalls auf Polen zum Auftakt des Zweiten Weltkriegs führt Peter Baus über die Rheinbacher Kriegsgräberstätte, auf der 553 Soldaten, Zivilisten, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter beigesetzt wurden.

 Johann Zimmermann (80) wurde bei einem Bombenangriff an Heiligabend 1944 getötet.

Johann Zimmermann (80) wurde bei einem Bombenangriff an Heiligabend 1944 getötet.

Foto: Matthias Kehrein

Am 1. September 1939 begann mit dem deutschen Angriff auf Polen der Zweite Weltkrieg, in dessen Verlauf etliche Millionen Menschen zu Tode kamen. Den 80. Jahrestag hatte der Eifel- und Heimatverein Rheinbach zum Anlass genommen, eine Führung über die Kriegsgräberstätte an der Villeneuver Straße anzubieten. Im Juni 1948 ist diese als erste ihrer Art in Westdeutschland eingeweiht worden. Unter dem Leitgedanken „Erinnern für die Zukunft“ führte der Militärhistoriker Peter Baus zu ausgewählten Ruhestätten der 553 Gräber. Mit seinen detaillierten Ausführungen ermöglichte er den rund 30 Teilnehmern, sich ein Bild der dort begrabenen Kriegsopfer zu machen und deren Schicksale historisch einordnen zu können.

Im Schatten alter Bäume reihen sich schlichte Steinkreuze. Auf einigen ist nur ein Name mit Geburts- und Todesjahr zu finden, auf anderen wird an gleich zwei Menschen erinnert. Lebensumstände und Schicksale aber bleiben verborgen. Bei der Führung über das Gräberfeld liefert Peter Baus Wissenswertes über die dort begrabenen Kinder, Frauen und Männer und gibt den Namen Gesichter.

„Alles, was der Krieg entwurzelt hat, finden wir hier“, fasst Baus zusammen und zählt auf, dass in Rheinbach Soldaten der Wehrmacht und des Volkssturms, sowie Angehörige der Waffen-SS neben hingerichteten Deserteuren und ermordeten Fremdarbeitern ihre letzte Ruhe gefunden haben. Die 17-jährige Krankenschwester Ingrid Schneider und die Nachrichtenhelferin Elfriede Kleyens (25) sind auf der Anlage ebenso begraben wie Hilfswillige und auf unterschiedlichste Weise zu Tode gekommene Zivilisten, denn „der Krieg hat überall seine Opfer gefunden“, so Baus. So wird auch Karl und Margaret Schröder gedacht, die mit ihren drei Kindern zu den 15 Opfern des Jagdbomberangriffs auf Rheinbach am 13. Februar 1945 gehörten. Ihr jüngster Sohn Wilfried wurde nur drei Jahre alt. Über die Anlage verstreut befinden sich Gräber von 18 Kindersoldaten im Alter von 16 bis 18 Jahren, darunter auch die Gedenkstätte für Al-fred Stolz, der an seinem 18. Geburtstag zu Tode kam.

Nicht verallgemeinern

„Von Nazis wird immer gerne gesprochen, wenn man über die deutschen Soldaten im Krieg spricht“, so Baus und appelliert, nicht zu verallgemeinern. Dabei zeigt er das Bild eines Soldaten mit sehr jugendlichem Gesicht und argumentiert, dass viele Jungen und Männer von dem verbrecherischen System missbraucht worden seien und keine Wahl gehabt hätten. „Die meisten waren unpolitisch und mussten ihre Pflicht erfüllen“, sagt sich Baus.

Sowieso würden Kriegsgräberstätten nicht werten. „Oft liegen Täter neben Opfern“, erklärt der Militärexperte. Darüber hinaus erläutert er das Weltkriegsgeschehen in Rheinbach. Allein bei den neun Bombenangriffen, denen die Glasstadt vom 7. Oktober 1944 bis zum 6. März 1945 ausgesetzt war, fanden 183 Menschen den Tod. Baus informiert über den Frontverlauf und über den Betrieb am Flugplatz in Peppenhoven auf dem heutigen Hochschulgelände.

Außerdem weist er die Besucher darauf hin, dass noch heute Relikte wie Bunkerreste und ein Postenhäuschen auf der Strecke zwischen Rheinbach und Bad Münstereifel am Forsthaus Hülloch existieren. Wenige Kilometer westlich befand sich das von Adolf Hitler für rund vier Wochen zu Beginn des Westfeldzugs im Mai 1940 genutzte Hauptquartier „Felsennest“. „Kriegsgräberstätten sind Mahnmale gegen Krieg und Gewaltherrschaft“, betont Peter Baus. Mahnung und dauerhaftes Erinnern komme aber nur an, wenn die Gedenkstätten besucht und darüber geredet würde, resümiert er. Den jüngsten Teilnehmer der Veranstaltung hatte genau dies veranlasst. „Ich bin gekommen, um Informationen zu den Einzelpersonen zu erhalten“, erklärt Livio Pasquarillo. Besonders bewegt hat den 14-jährigen Schüler des Sankt-Joseph-Gymnasiums, dass so viele minderjährige Kriegstote dort begraben sind. Wichtig ist ihm vor allem, dass die deutschen Soldaten, die im Ausland begraben sind, nicht vergessen werden.

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