Gespräch am Wochenende So sind die Festtage auf der Polizeiwache Rheinbach

Rheinbach · Polizeihauptkommissar Karl-Heinz Hennigs berichtet im Interview über die Festtage auf der Polizeiwache Rheinbach und die Anforderungen in der Silvesternacht.

 Karl-Heinz Hennigs mit dem Weihnachtsbaum der Rheinbacher Polizeiwache.

Karl-Heinz Hennigs mit dem Weihnachtsbaum der Rheinbacher Polizeiwache.

Foto: Axel Vogel

Um den Dienst an Heiligabend reißt sich vermutlich niemand. Ist es nicht ein Arbeitstag, in diesem Fall ein Montag, wie jeder andere auch?

Karl-Heinz Hennigs: Wir hoffen, dass sich die Anzahl der Einsätze im beschaulichen Rahmen hält. Die Witterungsbedingungen werden offensichtlich so sein, dass wir keinen Schnee erwarten. Dann wäre die Verkehrslage ruhig an den Feiertagen, weil doch viele Leute zu Hause bleiben und sich darauf besinnen, im Kreise ihrer Lieben das Weihnachtsfest zu feiern.

Was ist am Dienst an Heiligabend anders als an anderen Tagen?

Hennigs: Anders ist die eigene Einstellung zu diesem Dienst. Vielleicht bringen die Kollegen von sich aus ein bisschen mehr Gelassenheit mit, denn an Weihnachten sind wir bei der Sanktionierung kleinerer Verstöße nicht ganz so kleinlich. Wir rufen eine Art Weihnachtsfrieden aus. Aber ansonsten verlaufen solche Dienste wie ganz normale Wochenenddienste. Das Feierverhalten von Heranwachsenden ist während der Feiertage eher daran ausgerichtet: Wann kann ich zu Hause raus – in die Diskothek? Mit den üblichen Folgen. Irgendwann schlägt es dann in körperliche Auseinandersetzungen um. Anders ist auch, dass wir den Einsatz nicht mit „Guten Tag“, sondern mit „Frohe Weihnachten“ beginnen.

Das kommt gewiss gut an.

Hennigs: Das entspannt schon mal die Situation. Rund 95 Prozent unserer Arbeit bestehen nicht aus Pistole, Schlagstock und Pfefferspray sondern aus Kommunikation. Des Schutzmanns beste Waffe ist die Kommunikation. An Weihnachten fahren wir einen Kräfteeinsatz vergleichbar mit Wochenenden. Zum Jahresende werden wir das – insbesondere auch mit Blick auf Silvester – noch verstärken. Wir haben auch auf dem Land ein Auge darauf, dass alles friedlich bleibt. Wir haben 30 bis 40 Prozent mehr Einsatzanlässe. Die ersten Anrufe erwarte ich um 0.01 Uhr: Ruhestörung. Teilweise rufen Leute schon vor 24 Uhr an, weil sie die Knallerei nicht mehr ertragen können. Da muss man schon mal kommunikativ darauf hinweisen, dass solches an Silvester in gewissem Rahmen hingenommen werden muss.

Wenn feiertags das Telefon auf der Wache klingelt, wer ruft dann an?

Hennigs: Die allermeisten Behörden haben während der Feiertage zu. Dann ist die Notfallnummer, die scheinbar alles regelt, die 110. Bei Familienstreit, Zoff mit dem Nachbarn, Ruhestörung bis zur Ölspur.

Die Ölspur ist ein Fall für die Polizei?

Hennigs: Es ist vieles, was wir in einer normalen Woche im guten Miteinander mit den Kommunen regeln, in deren Zuständigkeit das fällt – das Ordnungsamt oder die Feuerwehr. Wir haben die Notfallnummern griffbereit. Aber die Feuerwehr ist außerhalb von Großstädten eine freiwillige Feuerwehr. Wenn wir sie brauchen, ist sie da. Aber an solchen Tag versuchen wir, sie rauszuhalten. Für meine Beamten heißt das, dass zwischen Weihnachten und Neujahr mit Blick auf die Dienstzeiten etwas mehr Engagement gefordert ist.

Rund um die Weihnachtstage biegen sich viele Festtafeln vor Essen. Bringt sich der Heiligabenddienst 'ne Extra-Stulle mit oder gibt es in der Wache eine Tradition, was das Essen angeht?

Hennigs: Traditionell ist, dass die Behördenleitung sich an Heiligabend oder am Ersten Weihnachtsfeiertag die Zeit nimmt, die Wachen zu besuchen, um ins Gespräch zu kommen. Die Kollegen versuchen, ein wenig Normalität in den Heiligabenddienst zu bringen, indem sie sich ein nettes Essen machen. Das sind dann nicht nur die Stullen und das warme Süppchen von zu Hause oder der berühmte Döner von nebenan. An dem Tag gibt's mal was Besonderes – das hängt aber von der Kreativität der Diensttuenden ab. Als ich das letzte Mal die Kollegen besucht habe, wäre ich am liebsten sitzen geblieben. So gut hat es gerochen.

Was gab es denn?

Hennigs: Ein gab ein schönes Rehgulasch – so richtig mit Klößen. Oftmals bleibt aber gar nicht die Zeit, das zu genießen.

Was ist eigentlich unbeliebter, der Dienst am 24.12. oder an Silvester?

Hennigs: Das kommt auf das Alter an. Wer kleine Kinder hat, sollte Heiligabend nicht den Spätdienst machen müssen. Wenn ich meine jüngeren Beamten frage, die ich Gott sei Dank wieder habe, würden die lieber Heiligabend Dienst machen und dafür Silvester frei haben. Aber: Wir sind ja eigentlich im Kern dafür da, anderen Leuten das Feiern in Sicherheit zu ermöglichen. Wir sind Dienstleister.

Und welche „Kunden“ gilt es, an den Feiertagen zu bedienen?

Hennigs: An diesen Tagen kommt der Aspekt des Sozialarbeiters nicht zu kurz. Man hat oft den Eindruck, dass sich einsame Menschen melden. Man weiß: Da ist eine beleuchtete Tür, da ist jemand, der mit dir spricht. Da gibt es das berühmte Fahrrad, das schon vor vier Wochen aus der Garage gestohlen wurde, aber am Ersten Weihnachtsfeiertag zur Anzeige gebracht wird. Man kann aber oft helfen, und das sind schöne Momente. Einfach mal kurz zuhören, innehalten, wie ein Seelsorger fast.

Gibt es eine Begebenheit, von der Sie sagen: Das geschieht Polizisten nur an Weihnachten?

Hennigs: Gerade jetzt an diesen Tagen gibt kleine Gesten, die uns berühren. Ein Dankeschön. Das erwartet man nicht. Vor einer Woche war ein Kindergarten hier, der hat uns den Weihnachtsbaum geschmückt. Die haben mit viel Liebe kleine Polizeiautos aus Salzteig gebacken und angemalt – oder kleine Polizisten und Polizistinnen. Außerdem gibt es eine Dame, die uns alle paar Wochen einen Rührkuchen in die Wache bringt – so was von saftig und lecker. Das Rezept verrät sie nicht. Solche Gesten muss man bewusst wahrnehmen, denn der Alltag frisst einen sonst auf.

Wir erleben in vielen Bereichen des Lebens eine zunehmende Aggressivität, auch gegen Polizeibeamte. Ist das zum Feste der Liebe anders?

Hennigs: Ich glaube nicht. Vorsicht muss man immer walten lassen. Das ist Eigensicherung. Da spielen plötzlich Alkohol und Drogen eine Rolle. Die sorgen für eine Enthemmung.

Silvester ist traditionell ein Tag, an dem viele Menschen so agieren, wie Butler James in „Dinner for One“. Sie treten zunehmend alkoholisiert auf. Womit haben es die Beamten rund um den Jahreswechsel zu tun?

Hennigs: Körperverletzungen und Ruhestörungen natürlich. Es würde mich schwer wundern, wenn wir nicht ein bis zwei Schlägereien hätten. Meistens bleibt es bei kleineren Raufereien, aber zunehmend werden dabei Gegenstände benutzt – oder weiter auf den am Boden Liegenden eingetreten. Die Hemmung, noch zu stoppen, ist oftmals nicht mehr da. Wir hoffen aber auf eine friedliche Nacht, in der sich alle bei schönem Wetter am Feuerwerk ergötzen.

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