Gesellschaft für soziale Eingliederung Rheinbach Sie bauen Brücken nach "draußen"

RHEINBACH · Dass Ingeborg von Westerman demnächst 85 Jahre wird, ist keinesfalls Hemmnis für ihre Energie, ihre entschlossene Einsatzbereitschaft und ihre dezidierten Ansichten. Insbesondere zu allem, was den Strafvollzug angeht.

 Ingeborg von Westerman engagiert sich sehr in der Straffälligenhilfe.

Ingeborg von Westerman engagiert sich sehr in der Straffälligenhilfe.

Foto: Saxler-Schmidt

Seit einigen Monaten ist sie wieder Vorsitzende der "Gesellschaft für soziale Eingliederung Rheinbach", die sich der Begleitung von Straffälligen widmet.

Nach dem Rückzug von Christel und Werner Faber aus dem Vorstand wurde sie gebraucht, mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung und ihrer Eloquenz. Den Vorsitz der 1978 gegründeten Gesellschaft hat die Mitbegründerin übergangsweise übernommen bis andere sich genügend eingearbeitet haben. Rund 70 aktive und fördernde Mitglieder hat der Verein, der mit "Die Brücke" Euskirchen ein Haus unterhält, in dem entlassene Strafgefangene für ein halbes Jahr eine Bleibe finden und Gefangene ihren Urlaub verbringen können.

Jeden Menschen annehmen als ganzen Menschen, mit seinen Stärken und Schwächen, seinen guten und schlechten Seiten und auch seiner Tat - das ist das Credo der Ehrenamtlichen. Als wichtigste Qualifikation nennen sie Lebenserfahrung und die Fähigkeit zuzuhören sowie Gespräche führen zu können ohne erhobenen Zeigefinger. "Wir betrachten uns auch als sachkundige Bürger dieser Gesellschaft, in deren Auftrag ja Strafvollzug geschieht und die daher in besonderem Maß Mitverantwortung für ihn tragen", betont die 84-Jährige.

Sie bedauert, dass "nur sehr kleine Teile der Gesellschaft Zugang und damit Einblick in den Strafvollzug" haben. Die Ehrenamtlichen bauen Brücken nach "draußen", indem sie Gefangenen Interessensgruppen anbieten wie Mal-, Gesprächs- und Suchtgruppen, aber auch Einzelgespräche. Auch wenn sie heute selbst keine Gruppen mehr leitet, hat Ingeborg von Westerman "in diesem Jahr 40-jähriges Knastjubiläum", wie die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes lachend sagt, denn seit 1974 ist sie engagiert in der Straffälligenhilfe.

"Ich habe angefangen zu einer Zeit, als es das Strafvollzugsgesetz noch gar nicht gab. Ein Gefangener hatte damals nur eine Viertelstunde im Monat überwachten Besuch, und zwar entweder von einem Familienmitglied oder von einem Ehrenamtlichen", blickt sie zurück. "Da hat sich zum Glück viel geändert, es gibt große Fortschritte." Die Realisierung der Vollzugsziele Resozialisierung der Gefangenen und Sicherheit der Bevölkerung müssten zusammenpassen mit Artikel 1 des Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar".

Dabei sei die zentrale Frage die Umsetzung in die Praxis. Für den "aktivierenden Strafvollzug" in NRW brauche man Leute, die das Aktivieren übernehmen. "Die Kompetenz, das in die eigene Arbeit zu übertragen, hat jeder Vollzugsbeamte und jeder Ehrenamtliche", sagt von Westerman. Sie ist überzeugt: "Sozialisation geht nicht nach dem Motto ,Du gehst nicht ins Wasser, bevor du schwimmen kannst?. Es muss erprobt werden, es muss versucht werden, und das geht nicht ohne Risiko. Sonst erproben sich die Straffälligen auf Kosten der Gesellschaft."

Kontakt: Gesellschaft für soziale Eingliederung, Postfach 1104, 53348 Rheinbach, www.GSE-Rheinbach.de

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