Interview mit Stefan Raetz Rheinbachs Bürgermeister kündigt Demo vor Landtag an

Rheinbach · Rheinbachs Bürgermeister Stefan Raetz spricht über Integrationskosten, FOC und die Differenzen in seiner Partei, der CDU. Vom Land verlangt Raetz, dass es sich an den Kosten für die Integration von Flüchtlingen beteiligt.

In der Rheinbacher CDU ist mit dem Besuch des Nikolaus nach den Querelen eine Art Adventsfrieden eingetreten. Gibt es auf dieser Welt einen Schlichter wie den verstorbenen Heiner Geißler, der die Streitigkeiten Einzelner in Fraktion und Partei schlichten kann?

Stefan Raetz: Eigentlich müssten es jetzt alle verstanden haben. Wir brauchen in der CDU Einigkeit, gerade im Hinblick auf die nächsten Kommunalwahlen. Wir haben in der CDU ja keine Meinungsverschiedenheit in der Sache, sondern es sind persönliche Differenzen. Die haben nun im Sinne einer guten Politik für die Bürger hinten anzustehen. Ich hoffe, dass diese Einsicht inzwischen angekommen ist und man demokratisch gefasste Beschlüsse, wie die Wahl eines Stadtverbandsvorstands oder eines Fraktionsvorstands, einfach akzeptiert. Die dort Handelnden haben sich vernünftig zu vertragen, weil der Bürger das erwartet. Ich habe das bereits mehrfach den Protagonisten gesagt und kann nur hoffen, dass das inzwischen auch alle begriffen haben. Ansonsten bekommen wir dafür die Quittung.

Interessant wird ja dann im nächsten Jahr die Aufstellung der CDU-Kandidaten für die Kommunalwahl. Werden wir erleben können, dass bei dieser Veranstaltung das Lagerdenken überwunden ist?

Raetz: Ich hoffe sehr, dass man sich im Vorfeld auf die Kandidaten einigt und nicht mit Kampfkandidaturen in eine erneute, eher peinliche Mitgliederversammlung geht. So etwas ist im Vorfeld zu klären. Alle, die Interesse haben, ein politisches Amt zu übernehmen, sind vernünftig zu integrieren.

Ein Dauerthema sind die Kosten der Flüchtlingsintegration. Zwar hat das Land angekündigt, die Mittel des Bundes in vollem Umfang weiterzugeben. Kostendeckend ist das für die Kommunen allerdings immer noch nicht. Wird es 2019 die schon 2018 ins Auge gefasste Demo der Bürgermeister im Rhein-Sieg-Kreis in Düsseldorf geben?

Raetz: Die Frustration ist immer noch sehr hoch. Denn das Land hat die eigene Schatulle noch nicht aufgemacht. Es hat lediglich das, was aus Berlin kam, nicht in die eigene Schatulle gepackt, sondern an die Kommunen durchgereicht. Das ist aber keine Wohltat des Landes, sondern das, was man anständigerweise seitens der Kommunen erwarten darf. Nämlich: Dass die Integrationsmittel dorthin gehen, wo die Integration geleistet wird. Deswegen bin ich absolut nicht zufrieden, wie das Land bei den Flüchtlingskosten mit uns umgeht. Die größte finanzielle Last leisten immer noch die Kommunen. Das wird auch 2019 so bleiben. Im Januar und Februar sind noch Gespräche mit dem Land geplant. Wenn es dort kein positives Signal gibt, auch mit Mitteln des Landes nachzubessern, werden wir unsere Ankündigung, mit den Bürgermeistern des Kreises in Düsseldorf zu demonstrieren, in die Tat umsetzen. Das ist aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.

Wie hoch ist die Unterdeckung in Sachen Integrationskosten für die Stadt Rheinbach?

Raetz: Wir bekommen 2019 rund 2,5 Millionen Euro nicht erstattet - und 2018 ebenfalls 2,5 Millionen. Das bedeutet: Mit diesen Mitteln hätten wir unseren Haushalt ausgeglichen. Und so müssen wir wieder an der Schraube für die Grundsteuer und für die Gewerbesteuer drehen, weil keine anderen Einsparpotenziale da sind. Man hat nicht verstanden, wo das Thema Flüchtlinge eigentlich gemanagt wird: Das wird von den Kommunen gemanagt. Wir sorgen dafür, dass es im Land ruhig abläuft – mit nach wie vor unglaublich engagierten Flüchtlingshelfern. Die haben wir seit vier Jahren intensivst in diesem Ehrenamt. Wir können nur froh sein, dass sie auch weiterhin da sind und diese Aufgabe wahrnehmen. Die Flüchtlingshelfer – das sind Helden des Alltags.

Noch kein Haken lässt sich hinter die Suche nach einer neuen VHS-Zentrale machen. Den Vorschlag, das frühere Verwaltungsgebäude im Ruhrfeld in Meckenheim zu nutzen, hat die VHS-Verbandsversammlung abgelehnt. Wie wird es 2019 weitergehen?

Raetz: Wir überlegen einerseits, was mit dem bisherigen VHS-Gebäude geschieht und ob es sinnvoll ist, dort noch zu investieren. Ich würde mal eher Nein sagen. Und dann reden wir über Alternativen. Da haben wir verschiedene Möglichkeiten. Wir wollen sehen, was im früheren Pallotti-Kolleg möglich ist, ob das aufgegebene Marienheim eine Lösung ist oder vielleicht ein günstiger Neubau an zentraler Stelle eine Alternative wäre. Zur Zeit ist die Verwaltung der VHS gut untergebracht, es drängt uns nichts. Aber wir wollen es auch nicht auf die lange Bank schieben.

Neue Entwicklungen gab es 2018 in Sachen Factory Outlet Center (FOC) auf der Grafschaft. Es zeichnet sich ab, dass viele Menschen in der Grafschaft Zweifel haben, ob solch ein Konstrukt dorthin passt. Wie bewerten Sie die Entwicklung?

Raetz: Unser stetes Gegenhalten hat Früchte getragen. Auch dort ist die Einsicht gekommen, dass heutzutage ein weiteres FOC mehr Fluch als Segen ist. Durch Entwicklungen wie Haribo schaut man dort sicherlich eher auf die gewerblich-industrielle Entwicklung. Das ist auch richtig so, um vernünftig Arbeitsplätze zu schaffen. Deswegen ist das FOC auf der Grafschaft tot. Jetzt warten wir noch auf die Beerdigung. Wenn dies der Fall ist, können wir uns wieder auf unseren Einzelhandel in der Region konzentrieren, da schließe ich ganz bewusst Rheinland-Pfalz mit ein. Denn das ist für jeden Einzelhändler ein Damo-klesschwert, wenn so ein FOC droht. Dann überlegt sich jeder Händler: Investiere ich noch in mein Bekleidungsgeschäft, in mein Sportgeschäft? Wenn jetzt klar ist, dass die Beerdigung stattfindet, wird das zur Auferstehung des Einzelhandels beitragen.

In Sachen Gesamtschule scheint durch die Gründung einer Dependance in Alfter ein wenig Druck aus dem Kessel gekommen zu sein.

Raetz: Der Druck ist nur bedingt aus dem Kessel raus. Der Druck ist deswegen noch hoch, weil die Nachbargemeinde Swisttal immer noch kein für ihre Entwicklung adäquates Schulangebot vorhält. Die Sekundarschule wird von den Eltern nicht so angenommen, wie es eigentlich Potenzial aus Swisttal gibt. Sondern man will auf das Original – und das ist die Gesamtschule. Das Curriculum ist genau das gleiche wie bei der Gesamtschule, nur die Oberstufe fehlt. Deswegen muss noch mit Swisttal eine Lösung herbeigeführt werden. Mit Alfter ist das auf einem guten Weg. Wir wollen dauerhaft bei der Fünfzügigkeit bleiben. Der Druck für die Sechszügigkeit, die auch nicht gut ist für eine Schule, der kommt aus Swisttal. Ich hoffe sehr, dass wir 2019 zu einem Ergebnis kommen.

Es gibt ja jetzt aus der Swisttaler SPD erste Signale, einen Weg zur Umwandlung der Sekundarschule in Heimerzheim zu einer Gesamtschule aufzuzeigen.

Raetz: Meckenheim etwa hat ein gutes dreigliedriges Schulsystem. Das funktioniert, weil alles auf einem Campus ist und die Schulleiter gut miteinander auskommen. Auch von dort bekommen wir Schüler für die Gesamtschule, aber nicht so viele. Swisttal hat einen Nachholbedarf. Und natürlich kostet Schulinfrastruktur auch Geld. Aber wenn man, wie Swisttal es kräftig tut, weitere neue Wohngebiete in den Ortschaften ausweist, dann muss man auch für die Schulversorgung sorgen und es nicht auf die Nachbarkommune abladen. Wir haben hinterher die finanziellen Lasten. Dass sich die Gemeinde Swisttal völlig zurücklehnt und sagt 'Nein, das kostet nur Geld, darum machen wir das nicht', das ist gegenüber den Bürgern, die eine ortsnahe Versorgung mit Schulen erwarten dürfen, keine gute Botschaft.

Apropos Infrastruktur: Wir haben die A 61 vor der Tür. Und immer dann, wenn es sich dort gen Süden staut, erleben wir den für die Anwohner gefährlichen, für Lastwagen verbotenen Schleichverkehr durch Wormersdorf. Als erste Lösung ist beschlossen, das Durchfahrtverbotsschild eindeutiger zu fassen. Reicht das aus?

Raetz: Nein, das reicht natürlich nicht aus. Es spricht sich schnell unter den Lkw-Fahrern rum, ob dort kontrolliert wird oder nicht. Wenn nicht kontrolliert wird, ist das Risiko, erwischt zu werden, gering. Und dann fährt man dort einfach lang. Die haben natürlich keine Lust, im Stau zu stehen, fahren ab und fahren verbotenerweise über diese Strecke. Deswegen geht es nur mit regelmäßigen Kon-trollen bei Stau auf der Autobahn. Da kann niemand in Ohnmacht fallen und sagen, dass er die Leute nicht hat, um kontrollieren zu können. Es gibt viele Aufgaben – alles richtig. Aber es ist bedenklich, dort einen rechtsfreien Raum zu lassen. Dann kapitulieren wir vor den illegale Wege suchenden Brummifahrern. Das kann nicht sein. Wie sollen wir dann andere erziehen, sich an Regeln zu halten.

Noch zwei eher unpolitische Fragen: Welche Schlagzeile möchten Sie 2019 auf gar keinen Fall lesen?

Raetz: 'Der HSV und der 1. FC Köln bleiben in der Zweiten Liga'. Zurzeit sieht es ja gut aus, dass es wieder aufwärts geht.

Auf welchen Termin hatten Sie 2018 so gar keine Lust?

Raetz: Eigentlich sind es Gespräche mit der Landesregierung ohne Ergebnisse.

Sie meinen, dass man eine Fahrt nach Düsseldorf auf sich nimmt, um Dinge zu besprechen...

Raetz: ... und außer Lyrik, und dass man höflich und nett die Problemlagen erörtert hat, gab es keine Ergebnisse. Wir kommen ja mit Anliegen, mit denen wir ernst genommen werden wollen. Und wenn sich nichts ändert, dann ist das frustrierend. Wir müssen als Kommune immer schnell reagieren. Wenn der Bürger ein Anliegen hat, muss man Veränderungen und Ergebnisse präsentieren. Doch da ist manchmal die Politik auf höherer Ebene zu weit weg von der Basis.

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