Ehemaliger Mithäftling äußert Verdacht JVA-Bedienstete als Fluchthelfer?

RHEINBACH · Was die Polizei angesichts der Umstände der Flucht in einer Gitterbox voller Holzabfälle auf dem Anhänger eines Traktors gleich vermutet hatte, scheint sich zu bewahrheiten. Der 2007 zu lebenslanger Haft wegen Mordes an einer Kölner Millionärin verurteilte Detlef W., 43, hat seine Flucht aus der Rheinbacher Justizvollzugsanstalt am 28. April möglicherweise nicht alleine bewerkstelligt.

Wie der WDR am Mittwoch unter Berufung auf ein Gespräch mit einem ehemaligen Mithäftling W.s berichtete, hätten Mitgefangene und Gefängnisbedienstete bei der Flucht geholfen. Danach erklärte der ehemalige Mithäftling, W. habe ihn am Abend seiner Flucht am Dienstag, 28. April, angerufen.

In diesem Telefonat habe er ihm geschildert, dass ihm die Flucht von anderen Gefangenen sowie zwei JVA-Beamten ermöglicht worden sei. Wie der GA berichtete, war W., der nun in Köln-Ossendorf einsitzt, die Flucht in einer Gitterbox aus der Anstaltsschreinerei gelungen, die auf dem Anhänger eines Traktors aus der JVA zu einer Möbelfabrik gebracht werden sollte. Am 30. April wurde er in Köln-Ehrenfeld gefasst.

Aussagen eines Ex-Häftlings

Der Ex-Mithäftling schildert laut WDR weiter, dass Bedienstete in der Rheinbacher Anstalt "einen schwunghaften Handel mit Handys, Alkohol und Drogen" betreiben würden. Dem WDR sagte er außerdem, ihm seien acht JVA-Beamte namentlich bekannt, die dafür verantwortlich seien. Der Mithäftling sei bereit, seine Aussagen den Ermittlungsbehörden gegenüber zu wiederholen, so der Sender.

Mit den von dem ehemaligen Mitgefangenen geäußerten Vorwürfen befasst sich nun die Staatsanwaltschaft Bonn. "Wir haben die Ermittlungen aufgenommen und gehen den Vorwürfen nach, können aber noch nichts Konkretes sagen", teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Monika Volkhausen, dem General-Anzeiger gestern auf Anfrage mit. Sehr überrascht reagierte Anstaltsleiter Heinz-Jürgen Binnenbruck auf die Aussagen des ehemaligen Häftlings.

Da er auch selbst Gegenstand der behördlichen Ermittlungen sei, könne er zum genauen Ablauf der Flucht nicht Stellung nehmen, sagte er dem GA. Das werde das Justizministerium nach Abschluss der Ermittlungen tun.

Mithilfe von Bediensteten

Im Moment sei ihm auch nicht bekannt, welche seiner Leute namentlich verdächtigt würden. Seine interne Überprüfung der Fluchtumstände habe aber keine Hinweise auf eine mögliche Beteiligung seiner Bediensteten erbracht. Zurzeit leben 320 Gefangene in der Rheinbacher Anstalt. Sie werden von 166 Justizvollzugsbediensteten rund um die Uhr bewacht.

Zum Vorwurf, JVA-Leute würden in der Anstalt mit Drogen und Handys handeln, sagte Binnenbruck, er sei "da hinterher, dass so etwas eben nicht passiert". Sollte es Hinweise geben, dass Bedienstete an solchen Geschäften beteiligt seien, werde er natürlich sofort die Polizei informieren.

Zuletzt waren bei einer Routinekontrolle im Juni 2014 in der JVA-eigenen Schreinerei in zur Auslieferung bereitgestellten Büromöbeln zwölf Handys und 19 Gramm Haschisch gefunden worden. Die Drogen und die Mobiltelefone sollten damals nicht aus dem Gefängnis herausgeschmuggelt werden.

Die Möbel dienten offenbar als Zwischenlager für die begehrten und gut veräußerbaren Waren im Gefängnis. In jeder Anstalt in der Bundesrepublik würden immer wieder kleinere Mengen Hasch entdeckt oder Spuren davon im Urin der Gefangenen, sagte Binnenbruck gestern. Dies werde sofort bei der Polizei angezeigt.

Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Jens Kamieth, meldete sich gestern zu Wort: "Die Vorwürfe wiegen schwer und müssen unbedingt aufgeklärt werden. Justizminister Thomas Kutschaty muss jetzt umgehend die Hintergründe des Ausbruchs lückenlos aufklären, den Vorwürfen nachgehen und das Parlament informieren. Die Vorwürfe können dem Ansehen unseres Rechtssystems großen Schaden zufügen."

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