Schlecht für die Rosen, gut für den Schulalltag Jungs am Mädchengymnasium in Rheinbach

RHEINBACH · Die Rosen auf dem Gelände des Sankt-Joseph-Gymnasiums (SJG) haben neuerdings einen schweren Stand: Mit den ersten beiden Jungenklassen kam zu Beginn des Schuljahres buchstäblich mehr Bewegung in die Erzbischöfliche Schule, und die Fußbälle machen seither auch vor den dornigen Schönheiten nicht halt.

 Auf dem Rasen des Sankt-Joseph-Gymnasiums - einst ein reines Mädchengymnasium - spielen seit gut einem Jahr auch Jungen.

Auf dem Rasen des Sankt-Joseph-Gymnasiums - einst ein reines Mädchengymnasium - spielen seit gut einem Jahr auch Jungen.

Foto: Wolfgang Henry

Was die einen knickt, freut die anderen: "Der Schulalltag ist lebendiger und impulsiver geworden", resümiert Unterstufenkoordinator Ralf Nelles die Erfahrung des ersten Jahres der Bi-Edukation, die das einstige Mädchen-Gymnasium im Zuge der Schließung des Vinzenz-Pallotti-Kollegs (VPK) eingeführt hat. Dass die Umstellung nach der immerhin 100-jährigen Geschichte des SJG als reiner Mädchenschule nicht völlig reibungslos verlief, räumt Nelles ein. "Wir hatten im Vorfeld durchaus Zeit, uns auf die Jungen gedanklich einzustellen - aber die Praxis bringt dann ihre eigenen Herausforderungen mit sich."

An die Lautstärke und den unbändigen Bewegungsdrang der Jungs etwa mussten sich die Pädagogen erst gewöhnen; inzwischen sind regelmäßige Bewegungseinheiten schon in den Alltag eingebaut. "Langtage mit sieben oder noch mehr Unterrichtsstunden sind für Jungs schwieriger durchzustehen als für Mädchen. Da muss man zwischendurch einfach mal eine Runde Fußball spielen. Und die Hausaufgaben vorziehen, statt noch neuen Stoff reinbringen", nennt Nelles Beispiele.

"Wir erwägen sogar eine offizielle Sportstunde mehr im Stundenplan." "Rhythmisches Trommeln ist auch eine gute Abwechslung zwischendurch; dabei können die Jungs Dampf ablassen und gleichzeitig lernen, miteinander zu agieren", ergänzt Martin Kirchharz, Co-Klassenlehrer der 5d.

"Bei Jungs erscheint es mir besonders wichtig, klare Regeln und präzise Anweisungen zu formulieren", sagt Andrea Kaminski, Mutter des zehnjährigen Ben Schluckebier, mit augenzwinkerndem Blick auf "so manchen Mist, den die Jungs im Klassenraum bauen".

Auch brauchten die Schüler Hinweise etwa auf Klassenarbeiten schriftlich statt nur mündlich. Diesen Eindruck bestätigt Nelles ebenso wie die Erfahrung, dass manche Unterrichtsinhalte speziell auf Jungs abgestimmt werden sollten, um sie bei der Stange zu halten.

"In den Jungenklassen greifen wir im Deutsch-Unterricht auf 'Huckleberry Finn' und 'Harry Potter' zurück; im Geschichtsunterricht zeigen sich Jungs empfänglicher für antike Sagen als Mädchen", beobachtet Nelles. "Außerdem umschiffen die Jungen gerne manche Anforderungen und tun sich mit Rechtschreibung und Feinmotorik noch schwer.

Die Mädchen laufen den Jungs in diesem Alter davon, insofern wollen wir an der Bi-Edukation, also an der Geschlechtertrennung in Parallelklassen, festhalten. Spätestens in der Oberstufe haben die Jungs die Mädchen dann in der Entwicklung wieder eingeholt und treffen in den gemischten Kursen aufeinander", sagt Nelles.

Leon Fix (11) findet seine reine Jungenklasse jedenfalls gut: "In der Grundschule waren die Mädchen oft besser als wir; jetzt fällt der Konkurrenzdruck weg - und verpetzen können sie uns auch nicht mehr." Ben genießt es vor allem, "dass die Mädchen sich nicht in unsere Raufereien einmischen".

Einig sind sich die Jungs, dass die wunderschönen Räumlichkeiten im alten Kloster und die netten Lehrer am Tag der offenen Tür den Ausschlag für die Wahl des SJG gaben. "Und dieser erste Eindruck hat sich auch bestätigt", sagt zum Beispiel Daniel Spilles (11), der täglich extra aus Meckenheim kommt. Fußläufige Nähe hingegen und die Klassengemeinschaft miteinander schätzen die Freunde und Nachbarn Leo Zahn (10) und Alex Preußner (12) am SJG.

Und so hat sich die Bi-Edukation am SJG schon weitgehend eingespielt. Ein Novum ist die Wahlmöglichkeit zwischen Latein und Französisch für die sechsten Klassen. Schulleiter Hans Rieck kündigt eine Weiterentwicklung des schulinternen Curriculums in Zusammenarbeit mit den Kollegen des VPK an; "zahlreiche Kollegen des Pallotti werden in den kommenden drei Jahren zu unserer Schule wechseln." Außerdem sei der Ausbau des Altbaus geplant. Und Ben wünscht sich für die Zukunft die Einhaltung eines Versprechens: "Fußballtore!"

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