"Gast auf dem Sofa" Journalistin Ursula Kosser über männliche Überheblichkeit im Bonn der 80er Jahre

RHEINBACH · Die Journalistin Ursula Kosser las als "Gast auf dem Sofa" aus ihrem Buch "Hammelsprünge - Sex und Macht in der deutschen Politik".

 Hat beim GA angefangen: Ursula Kosser berichtete von ihrer Arbeit als Journalistin zu Bonns Hauptstadtzeiten.

Hat beim GA angefangen: Ursula Kosser berichtete von ihrer Arbeit als Journalistin zu Bonns Hauptstadtzeiten.

Foto: Wolfgang Henry

Würde sich heute ein Politiker trauen, eine Redakteurin des "Spiegel" alle paar Minuten zu fragen: "Haben Sie das jetzt verstanden, was ich gesagt habe? Oder soll ich Ihnen das noch einmal erklären?" Kaum vorstellbar.

Im Bonner Journalistinnen-Alltag der 80er und 90er Jahre aber war so etwas die Regel und nicht die Ausnahme, weiß Ursula Kosser. Sie hat 20 Jahre in Bonn als Journalistin miterlebt, was Politiker und Journalisten taten, um "den jungen Hühnern das Gefieder zu stutzen".

Darüber hat sie das kurzweilige wie aussagekräftige Buch "Hammelsprünge - Sex und Macht in der deutschen Politik" geschrieben, aus dem sie als "Gast auf dem Sofa" in der Hochschul- und Kreisbibliothek las.

"Wir waren die erste Generation gut ausgebildeter junger Frauen", blickte die heutige Chefin vom Dienst bei RTL und n-tv im Landesstudio München vor rund 45 Zuhörern zurück. Nach dem Abitur besuchte sie die Kölner Journalistenschule, studierte Geschichte und Evangelische Theologie in Bonn, arbeitete als freie Mitarbeiterin beim General-Anzeiger in Siegburg und absolvierte ein Volontariat.

Sie war unter anderem Redakteurin und Live-Reporterin im Bonner Hauptstadtbüro "RTL aktuell" und von 1991 bis 2000 Redakteurin im Bonner "Spiegel"-Hauptstadtbüro. Ähnlich wie sie seien eine Reihe junger Frauen damals motiviert und überzeugt von ihrer Qualifikation in den Journalistinnen-Alltag eingestiegen - und auf eine graue Wand männlicher Überheblichkeit gestoßen, sagte sie.

So seien die so genannten Hintergrundkreise, in denen Politiker Informationen an die Journalisten weitergaben, komplett männlich gewesen. "Und wir als junge Journalistinnen kamen da einfach nicht rein", so Kosser. Deshalb gründeten die Journalistinnen eigene "Hintergrundkreise" unter den Namen "Lila Karte" oder "Rotes Tuch".

Was zunächst mit "Och wie süß! Die stricken!" kommentiert worden sei. Auch sexuelle Belästigungen seien nicht selten gewesen, wie aus Beiträgen von Ursula Kosser und einigen ihrer teils anonymisierten 30 Mit-Autorinnen und -Autoren hervorgeht. So erhielt eine Kollegin ein Päckchen von einem Politiker aus dem Bundestag mit einer Karte "Auf gute, gerne auch sehr gute Zusammenarbeit".

Der Inhalt des Päckchens: ein Vibrator. Was man hätte dagegen tun können? "Die Antwort ist kurz: nichts", sagt Kosser. Es habe keine Möglichkeit gegeben, so etwas anzuklagen, ohne dass man selbst Schuld zugewiesen bekommen hätte.

Ursula Kosser, Hammelsprünge - Sex und Macht in der deutschen Politik, Dumont Buchverlag 2012, 250 Seiten, Hardcover 18,99 Euro.

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