Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Jordanierin forscht in Rheinbach

RHEINBACH · Siwar Al-Talafahah (25) aus Jordanien forscht für drei Monate am Rheinbacher Campus der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Sie gehört zu den wenigen jungen Frauen, die in den Genuss eines Stipendiums des Landes Nordrhein-Westfalen gekommen sind.

 Über die Ursachen der Arteriosklerose forschten die jordanische Stipendiatin Siwar Al-Talafahah (links) und die Rheinbacher Biologiedoktorandin Dorothee Schipper gemeinsam am Campus. Foto: Anne Seifert

Über die Ursachen der Arteriosklerose forschten die jordanische Stipendiatin Siwar Al-Talafahah (links) und die Rheinbacher Biologiedoktorandin Dorothee Schipper gemeinsam am Campus. Foto: Anne Seifert

Wasser, Wasser und noch einmal Wasser - alles tröpfchenweise bis sturzbachartig von oben herab. Wenn Siwar Al-Talafahah ein ehrliches Urteil zum Sommer 2014 in unseren Breiten fällen muss, fällt ihre Antwort ungemein ehrlich aus: "Es ist ein bisschen schockierend", meint die 25 Jahre alte Jordanierin frank und frei mit leiser Stimme, so als verrate sie ein gut gehütetes Geheimnis.

Die Masterstudentin der Biotechnologie tauscht für drei Monate die Yarmouk Universität im jordanischen Irbid, jener Ort, der in der Antike Arabella hieß, gegen den Rheinbacher Campus der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ein. Al-Talafahah gehört zu den wenigen jungen Frauen, die in den Genuss eines Stipendiums des Landes Nordrhein-Westfalen gekommen sind. Bis zu 20 Studierende fördert das Land pro Jahr.

Das Ziel des Stipendienprogramms ist es, dass begabte Studierende aus Israel, Palästina und Jordanien die Forschungslandschaft und das Hochschulwesen in Nordrhein-Westfalen kennenlernen (siehe Kasten). Es ist das erste Mal, dass die 25-Jährige ihrer Heimatstadt Irbid, mit über 350 000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Jordaniens, sowie dem arabischen Wüstenstaat den Rücken kehrt.

Die Fülle neuer Eindrücke nimmt schon erdrückende Ausmaße an. "Alles ist neu", berichtet sie und denkt besonders an das derzeit alles andere als hochsommerlich anmutende Wetter, das Essen hierzulande, aber auch die Mode. Zwei von drei Monaten habe sie gebraucht, um sich an all das zu gewöhnen, räumt sie ein. "Nun ist es gut", sagt sie. Ende August reist sie zurück nach Jordanien.

Für sie bekanntes Terrain betritt die junge Forscherin allerdings bei ihrem Laborprojekt, an dem sie an der Seite der Rheinbacher Doktorandin Dorothee Schipper arbeitet. Am Lehrstuhl von Edda Tobiasch, Professorin am Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften, taucht sie während ihres dreimonatigen Aufenthalts in die Welt der Stammzellenforschung ein. Es geht für sie darum, die Ursachen der Arteriosklerose, einer Erkrankung der Arterien, die zu gefährlichen Ablagerungen führen kann, zu erkunden.

"Es geht um die Entstehung der Arteriosklerose - da ist vieles noch nicht verstanden, was die Ursachen der Krankheit angeht", berichtet Schipper. Zu Hause in Jordanien forscht Al-Talafahah insbesondere über die Verschmutzung von Gewässern, etwa den Auswirkungen von Umweltbelastungen auf Meereskorallen im Golf von Akaba, jener langgestreckten Bucht des Roten Meeres an der Sinai-Halbinsel, unweit der Seegrenze Jordaniens zu Ägypten.

Eine Umstellung ist für die Muslima, ihre Religion so zu leben, wie sie es aus ihrem Heimatland kennt. Den Begrüßungshandschlag mit dem Reporter des General-Anzeigers schlägt sie mit Hinweis auf ihre Religion aus. Sie schüttelt Männern nicht die Hand.

Dass sie sich fünfmal am Tag zum Gebet zurückzieht, sei in Rheinbach kein Problem. "Es gab da einen speziellen Raum", berichtet sie. Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat in Rheinbach ein besonderes Angebot geschaffen, weiß Eva Tritschler, Pressesprecherin der Hochschule. "Wir haben schon seit Längerem einen Raum der Stille eingerichtet", sagt Tritschler. Dieser Raum stehe allen zur Verfügung, die nach Ruhe oder innerer Einkehr suchen und ist allen Religionen vorbehalten, betont sie.

Ein Problem taucht auf, wenn Al-Talafahah der Hunger plagt. Aus religiösen Gründen isst sie kein Schweinefleisch, aber auch Geflügel konsumiert sie nicht gern. "Das Problem ist gelöst, wenn ich türkische Plätze aufsuche", sagt die 25-Jährige, die während ihres Stipendiums ein Studentenwohnheim in Bonn bewohnt.

Keine Schwierigkeiten hat sie, wenn es um Mitbringsel aus Deutschland für die Familie geht. "Da muss 'Made in Germany' draufstehen", sagt sie und lacht. Am Bonner Beethovenhaus ersteht sie eine Komponistenbüste. Auf ihrem Besuchsprogramm stehen außerdem Köln, das Rheinstädtchen Linz und die Burg Eltz bei Koblenz. "Ich habe in jedem Ort eine Kleinigkeit gekauft", berichtet sie. Und eine Sache hat die junge Frau an Deutschland im besonderen Maße beeindruckt: die Auswahl an modischen Taschen, sagt sie nach kurzer Bedenkzeit.

Das NRW-Nahost-Stipendienprogramm

Seit 2004 haben sich über 800 Studierende aus der Nahost-Region um ein Stipendium an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen beworben. 2004 unterzeichneten das Land und der Staat Israel zur Intensivierung der Kooperationen in Wissenschaft, Forschung und Technologietransfer eine entsprechende Erklärung. 2007 dehnte die Landesregierung das Angebot auf die Palästinensischen Gebiete und schließlich 2010 auf Jordanien aus. Für das Jahr 2014 standen sechs Plätze im Land zur Verfügung - für einen, den von Siwar Al-Talafahah, erhielt die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg den Zuschlag. qm

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