Gespräch am Wochenende mit Stefanie Stahl In drei Schritten zum starken Ich

Rheinbach · Am kommenden Mittwoch stellt Diplom-Psychologin Stefanie Stahl ihren Ratgeber „Das Kind in dir muss Heimat finden“ vor.

 Stefanie Stahls Bücher werden nicht nur von Laien begeistert aufgenommen, sondern finden auch in Fachkreisen großen Anklang.

Stefanie Stahls Bücher werden nicht nur von Laien begeistert aufgenommen, sondern finden auch in Fachkreisen großen Anklang.

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Bei der Veranstaltung in Rheinbach geht es um Ihren Ratgeber „Das Kind in dir muss Heimat finden“. Was meinen Sie mit dem Begriff „das Kind in dir“?

Stefanie Stahl: Das „innere Kind“ ist eine Metapher aus der Psychologie. Wir alle haben Kindheitsprägungen. Die Prägungen führen dazu, dass wir die Welt durch eine bestimmte Brille betrachten. Wenn wir zum Beispiel lieblos behandelt werden, laufen wir mit dem Lebensgefühl „Ich genüge nicht, ich bin nichts wert“ durch die Welt.

Diese Prägungen führen dann zu Schutzstrategien...

Stahl: Ja, bei dieser Prägung wäre das die Strategie, alles richtig zu machen, um angenommen zu werden. Ich werde dann zum Perfektionisten.

Sie sprechen beim inneren Kind von Schatten- und Sonnenkindern. Was meinen Sie damit?

Stahl: Das Schattenkind symbolisiert die negativen Kindheitserfahrungen. Ich sage in diesem Zusammenhang immer, es gibt keine perfekten Eltern und keine perfekten Kindheiten. Das Sonnenkind meint die guten Prägungen, das Schöne, Spontane, die Liebe und Zuwendung, die wir vielleicht von unseren Eltern bekommen haben. Und es steht auch für alles, was wir uns im Erwachsenenleben aufbauen. Denn als Erwachsene haben wir ja die Möglichkeit, uns zu entscheiden und weiterzuentwickeln.

Jedes Kind nimmt aus seiner Kindheit Glaubenssätze mit, ist eine Ihrer Annahmen. Worin kann so ein Glaubenssatz bestehen?

Stahl: Kinder machen sich Gedanken oder bilden Annahmen darüber, wie die Welt funktioniert. Wenn Eltern sich liebevoll um ein Kind kümmern, hat es den Glaubenssatz, dass es wertvoll ist. Wenn die Eltern aber gestresst sind oder überfordert, dann denkt ein kleines Kind ja nicht: „Mama und Papa haben eigene Probleme oder müssten mal in Kur fahren.“ Es bildet den Glaubenssatz: „Ich bin nicht o.k., ich falle zur Last.“ So entstehen innere Programmierungen, die uns unser ganzes Leben lang prägen können.

Wie wirken sich diese Strategien in Beziehungen aus?

Stahl: Es gibt zum Beispiel unheimlich viele Leute, die das Grundgefühl haben: „Ich bin schuld“. Wenn ich die Welt durch diese Brille betrachte, höre ich auch schnell auf diesem Ohr. Eigentlich neutrale Bemerkungen verstehe ich dann schnell als Vorwurf. Zum Beispiel, wenn mich jemand fragt: „Hast du den Salzstreuer gesehen?“

Welche Schutzstrategie wende ich dann an?

Stahl: Entweder fühle ich mich klein und verkrieche mich in mein Schneckenhaus. Oder ich bin zickig und gereizt und schieße zurück. Wie alle Glaubenssätze führt auch dieser zu einer Wahrnehmungsverzerrung.

Wie wirken sich diese Schutzstrategien in Beziehungen aus?

Stahl: In meinem Buch nenne ich das Beispiel von Sabine und Michael, die ein Liebespaar sind. Michaels Eltern hatten vier Kinder und waren selbstständig mit einer Bäckerei. Sie konnten ihm nicht die Aufmerksamkeit geben, die er brauchte. Der kleine Michael hat dann aber nicht gedacht: „Mama ist gestresst“, sondern hatte das Gefühl, zu kurz zu kommen. Als unbewusstes Programm nimmt er das mit in die Beziehung.

Was passiert dann zwischen Sabine und Michael?

Stahl: Wenn Sabine dann einkaufen war und die Wurst vergisst, die Michael haben wollte, triggert ihn das, das heißt, es löst aus, dass bei ihm alte Erinnerungen geweckt werden. Unbewusste Programmierungen kommen zum Tragen. Michael denkt nicht: „Sabine hat die Wurst vergessen“, sondern „Sie liebt mich nicht.“

Was kann Michael tun, um die Programmierung zu ändern?

Stahl: Es ist ihm ja nicht bewusst, warum er in manchen Situationen so stark reagiert. In einem ersten Schritt muss er daher die Programmierung dingfest machen, sein Schattenkind kennen lernen. Der zweite Schritt wäre dann, das Erwachsenen-Ich zu stärken. Viele Menschen sagen: Theoretisch ist mir das Problem klar, aber ich fühle nicht so. Dazu biete ich in meinem Arbeitsbuch eine Vielzahl von Übungen an.

Wie baut Michael dann ein neues, positiveres Verhalten auf?

Stahl: In einem dritten Schritt entdeckt er das Sonnenkind in sich. Er sucht die positiven Glaubenssätze aus seiner Kindheit, seine Stärken und Ressourcen, das sind Situationen und Lebensumstände, bei denen er die Kraft von außen bezieht wie gute Freunde oder intakte Beziehungen.

Eltern wollen meist das Beste für ihre Kinder. Auch wenn es keine perfekten Eltern gibt – was können Eltern richtig machen, damit das „Schattenkind“ bei ihren Kindern nicht zu groß wird?

Stahl: Sie können die Grundbedürfnisse ihrer Kinder nach Bindung und Liebe erfüllen. Wichtig ist aber auch, die Kinder gut loslassen zu können und sie zu begleiten, dass sie selbstständig werden. Sonst bekommen die Kinder ein Problem mit ihrer autonomen Entwicklung, haben das Gefühl, dem Leben nicht gewachsen zu sein. Wenn Eltern das beides im Blick haben, haben sie schon viel erreicht.

Stefanie Stahl stellt ihr Buch „Das Kind in dir muss Heimat finden“ am Mittwoch, 12. Juli, ab 19 Uhr in der Buchhandlung Kayser in Rheinbach, Hauptstraße 28, vor. Der Eintritt kostet 12 Euro inklusive Getränke.

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