Prozess in Rheinbach Gericht verurteilt Gefangenen zu Geldstrafe

RHEINBACH · "Blödheit" und "Realitätsverlust" hatte ein 54-jähriger Häftling in einem Schreiben einem Justizvollzugsbeamten der JVA Rheinbach vorgeworfen, in einem anderen wollte er den Geisteszustand des gleichen Beamten überprüft wissen.

Eines der Schreiben war durch einen Bekannten des Häftlings sogar im Internet publik gemacht worden. Jetzt brachte es dem Gefangenen, der insgesamt 21 Eintragungen und viele Jahre Haftstrafen verbüßt hat, eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à zwei Euro ein. "Die zwei Euro, weil sie den finanziellen Möglichkeiten entsprechen", so Richter Jan Fante.

Der Gefangene, der inzwischen von der JVA Rheinbach nach Bochum verlegt wurde, sah die Beleidigungen durch sein "Recht auf freie Meinungsäußerung" gedeckt und machte "Schikanierungen" des Beamten gegen ihn als rechtfertigenden Grund geltend. Der Beamte sei "extra dafür angestellt" gewesen, sich nur um seine Beschwerden zu kümmern und deshalb habe dieser ihn schikaniert.

So habe der Beamte unter anderem dafür gesorgt, dass ihm seine Arbeit entzogen worden sei. Dass dies ungerechtfertigt geschehen sei, sei inzwischen gerichtlich festgestellt, die geforderte Wiedereinsetzung sei aber nicht erfolgt. Ebenso sei die von diesem Beamten verfügte Kontaktsperre zur "Interessenvertretung Inhaftierter", dessen Bundesvorstand der 54-Jährige angehört, durch gerichtliche Verfügung aufgehoben worden. Schließlich sei er sieben Monate in "Isolationshaft" in einer verdreckten Zelle mit verschimmelter Matratze und Brandspuren von seinem Vorgänger gesteckt worden.

Gezielt sei er neben der Zelle eines anderen Häftlings untergebracht worden, der Tag und Nacht geschrien habe. Alles in allem "nur Terror und Rache dafür, dass wir Missstände angeprangert haben", so die Sicht des Gefangenen. Immerhin habe er circa 15 Gerichtsbeschlüsse erwirkt, die jedes Mal die Rechtswidrigkeiten des Vorgehens des Beamten festgestellt hätten. Dass "hier und da Fehler passiert" seien, räumte auch der 39-jährige Beamte ein.

Die Sache mit der Arbeit des Häftlings sei "insgesamt sehr verworren" und inzwischen beim Zivilgericht. Dies aufgrund von Schadenersatzforderungen in fünfstelliger Höhe wegen entgangenen Arbeitslohns seines Mandanten, wie dessen Verteidiger erklärte. Letztlich bestätigte der Beamte, dass er "den ganzen Tag mit Eingaben" des 54-jährigen Gefangenen beschäftigt gewesen, aber nicht anordnungsberechtigt gewesen sei.

"Seine Eingabefrequenz lag weit über dem Durchschnitt", so der Beamte. Ein Kollege bestätigte, dass der Angeklagte einmal in "Absonderung" - was der Gefangenen als "Isolationshaft" bezeichnet hatte - untergebracht worden sei.

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