Prozess in Bonn Flüchtling verletzte Mitbewohner in Rheinbach lebensgefährlich

Bonn/Rheinbach · Ein junger Guineer muss sich vor dem Bonner Schwurgericht wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Bei einer Auseinandersetzung in einer Rheinbacher Asylunterkunft hatte er einen Mitbewohner lebensgefährlich verletzt.

 Justizbeamte nehmen dem Angeklagten die Handfesseln ab, nachdem sie ihn in den Verhandlungssaal geführt haben.

Justizbeamte nehmen dem Angeklagten die Handfesseln ab, nachdem sie ihn in den Verhandlungssaal geführt haben.

Foto: Ulrike Schödel

Nach sieben Jahren Flüchtlingsodyssee wollte der junge Afrikaner „sein Leben neu starten“, als er im vergangenen Jahr in einer Asylunterkunft in Rheinbach gelandet war. Sechs Tage Sprachunterricht und eine Lehre zum Schreiner standen auf dem Programm: Am 9. Januar 2018 jedoch machte der Mann aus dem westafrikanischen Guinea seinem Traum von einem neuen Zuhause ein jähes Ende.

In einem Streit versetzte der mutmaßliche Mittzwanziger einem 31-jährigen Mitbewohner zwei lebensgefährliche Messerstiche in die Brust, die – laut Anklage der Staatsanwaltschaft – durchaus zum Tode hätten führen können. Seit Dienstag muss sich der junge Afrikaner wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung vor dem Bonner Schwurgericht verantworten.

„Es tut mir unendlich leid“, ließ der Mann aus Westafrika seine Verteidigerin für ihn sprechen. „Ich wollte den Mitbewohner nicht verletzen, ich wollte ihn auch nicht töten.“ An dem Tag, so ließ er weiter erklären, habe er gerade sein zuvor in der Küche zubereitetes Abendessen in seinem Zimmer gegessen, als auf dem Flur ein Streit entbrannte und der Tumult groß war. Auch er habe wissen wollen, was los sei. Nachdem die Streithähne getrennt worden seien, habe der 31-jährige Marokkaner, der offenbar aus dem Schlaf gerissen worden war, seine Zimmertür geöffnet und gebrüllt, „was das Ganze solle, er wolle schlafen!“

Als die Security kam, habe er sich gestellt

Der Angeklagte erklärte am Dienstag, er habe versucht, dem Marokkaner etwas auf Englisch zu sagen, das habe den Mitbewohner aber noch wütender gemacht. Schließlich sei er von dem 31-Jährigen geschlagen, später mit Fäusten attackiert worden, dabei sei ein Zahnimplantat zu Bruch gegangen. In Panik habe er schließlich sein Messer gezogen, das er noch von der Essenszubereitung in der Hosentasche trug, um sich vor dem Mitbewohner, der ihm überlegen gewesen sei, zu schützen und ihn auf Abstand zu halten. Aber der andere habe nicht aufgehört zu schlagen. Bei dem anschließenden Gerangel sei der 31-Jährige gestrauchelt, dabei sei es zu den Verletzungen mit dem Messer gekommen.

Als alle das Blut gesehen haben, seien sie in ihren Zimmern verschwunden. Auch er habe nicht gewusst, was er machen sollte, bis die Security kam: Da habe er sich sofort gestellt. Die Anklage jedoch wirft dem Guineer vor, dass er den 31-Jährigen liegengelassen hatte, weil er dachte, er sei tot.

Die beiden Bewohner waren zuvor bereits häufiger in Streit miteinander geraten, weil der Marokkaner ein starker Raucher ist und die Kippen in der gemeinsam genutzten Küche immer wieder auf dem Fußboden ausgedrückt haben soll. „Das hat mich sehr gestört“, besonders als er Küchendienst gehabt habe, ließ der Angeklagte am Dienstag durch seine Anwältin erklären.

In dem Verfahren müssen die Richter zudem klären, wie alt der Angeklagte ist, der im Besitz von fünf Alias-Identitäten sein soll. Er selber behauptet, zur Tatzeit erst 20 Jahre alt gewesen zu sein. Als Heranwachsender müsste der Prozess vor einer Jugendstrafkammer geführt werden. Aber ein Gutachter geht davon aus, dass er mindestens fünf Jahre älter ist.

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