JVA Rheinbach Festakt zum 100-jährigen Bestehen

RHEINBACH · Es ist immer so eine Sache mit den Wahrzeichen: Wer bisher gedacht hat, dass die Tomburg nahe Wormersdorf einen Alleinanspruch als Wahrzeichen Rheinbachs beanspruchen kann, der sollte sich die Glasstadt mal bei Nacht betrachten.

 Von Bäumen gesäumt ist die Zufahrt zur Rheinbacher Strafanstalt im Jahr 1914.

Von Bäumen gesäumt ist die Zufahrt zur Rheinbacher Strafanstalt im Jahr 1914.

Foto: JVA Rheinbach

Bürgermeister Stefan Raetz hat nach Einbruch der Dunkelheit genau hingeschaut. Er stellte fest, dass die Justizvollzugsanstalt (JVA) deutlich besser angeleuchtet ist als die Tomburg - für Raetz ein Indiz dafür, wie markant das einstige Zuchthaus in die Stadt integriert ist. Zwar warf NRW-Justizminister Thomas Kutschaty gestern während des Festakts zum 100-jährigen Bestehen der JVA die Frage auf, ob der runde Geburtstag eines Gefängnisses ein Grund zum Feiern sei, die Antwort aber gaben er und alle Festredner unisono: Ja, es ist einer.

Der SPD-Mann erinnerte daran, dass eine Justizvollzugsanstalt heutzutage längst nicht mehr als "reine Verwahranstalt" zu sehen sei. Ein Gefängnis nehme sich "Zeit, mit Gefangenen zu arbeiten", wie Kutschaty sagte. "Wir müssen uns die Frage stellen, was für Menschen wollen wir nach der Haft in die Freiheit entlassen?"

Dass der Gesellschaft die JVA einiges wert ist, machte Martin Chaumet, Chef des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW, mit beeindruckenden Zahlen deutlich. 60 Millionen Euro sollen bis 2017 in den weiteren Ausbau der JVA fließen - vor allem in den Neubau des C-Flügels. "Dabei ist das Bauen in einer JVA nicht einfach", meinte der Behördenleiter. Zusätzlich 50 Millionen Euro seien seit 1998 bereits verbaut worden, etwa für die Sanierung des A- und B-Flügels.

Überhaupt sei die JVA kein Ort, der Bedrücktheit ausstrahle. "Es macht Spaß, sich mit den Burschen zu unterhalten", fand Roswitha Tondorf, Vorsitzende des Beirats bei der JVA, einer Art Aufsichtsrat aus Ehrenamtlichen und zugleich Kummerkasten für Häftlinge und Bedienstete.

Bereits seit 40 Jahren engagiert sich Ingeborg von Westerman ehrenamtlich für das Seelenheil der Gefangenen. "Nur von Mensch zu Mensch lässt sich was bewegen", sagte die 84 Jahre alte Vorsitzende der Gesellschaft für soziale Wiedereingliederung, die seit 1978 Gesprächsgruppen, Einzelkontakte und Vorträge organisiert. Oft habe sie mit lebenslänglich Einsitzenden zu tun gehabt, nie einen einzigen Kontakt bereut, sagte sie.

Ein paar Geheimnisse der Haftanstalt gab JVA-Leiter Heinz-Jürgen Binnenbruck preis: So werde es, nach einigen Häftlingsausbrüchen per Lastwagen, heutzutage Ausbrechern unmöglich gemacht, das Gefängnis im Lkw-Versteck zu verlassen - ein Herzschlagdetektor in der Fahrzeugschleuse mache dies unmöglich.

Außerdem erinnerte er daran, dass die Geburtsstunde der JVA gleichzeitig die "Stunde Null" für evangelisches Gemeindeleben in Rheinbach war. Grund: Als der evangelische Pfarrer Karl Friedrich Echternacht 1914 seinen Dienst im Zuchthaus antrat, hielt er für alle in Rheinbach wohnenden Gemeindeglieder Gottesdienste in der Kapelle der Strafanstalt ab.

Zahlen rund um die JVA

Mit 30 Hieben konnten die Gefangenen in Rheinbach in den Anfangsjahren der "Königlichen Strafanstalt" bestraft werden. Bei den Bauarbeiten zwischen 1910 und 1914 wirkten bis zu 240 Sträflinge als Arbeitskräfte mit. "Das macht man heute auch nicht mehr", sagte Anstaltsleiter Heinz-Jürgen Binnenbruck. Fünf Gefangene gleichzeitig machten sich im Januar 2000 beim bis dato letzten Ausbruch dünne. Sie nutzten Unachtsamkeiten in der Arbeitshalle aus. Wie Binnenbruck berichtete, bauten die Mitarbeiter Möbel fürs Justizministerium zusammen.

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