Gespräch am Wochenende: Bernie Leesemann „Die Tafel soll so sein wie zu Lebzeiten Attilas“

Rheinbach · Bernie Leesemann aus Rheinbach hat ein ungewöhnliches Hobby: Er schlüpft in seiner Freizeit in die Rolle des Attila der Tomburger Hunnenhorde. Alljährlich lädt die Hunnenhorde zum Lager für die ganze Familie auf dem Zeltplatz in Wormersdorf ein.

 Felle, Leder, Nieten, Haube, Adler – Attila Bernie Leesemann und seine Tomburger Hunnenhorde erlauben „Zivilisten“ beim Hunnenlager einen Blick in ihre Jurten. FOTO: SAXLER-SCHMIDT

Felle, Leder, Nieten, Haube, Adler – Attila Bernie Leesemann und seine Tomburger Hunnenhorde erlauben „Zivilisten“ beim Hunnenlager einen Blick in ihre Jurten. FOTO: SAXLER-SCHMIDT

Foto: Saxler-Schmidt

Bernie Leesemann: Es war 1993 am Hochzeitstag von meiner Frau Hanni und mir. Da sind wir auf die Idee gekommen, im Jahr danach im Karnevalszug als Hunnen zu gehen. Aber uns war schnell klar, dass der Aufwand und die Kosten für ein einziges Mal zu hoch waren. Also haben wir den Verein gegründet.

Welche Rolle spielt bei den Tomburger Hunnen die Historie?

Leesemann: Von den Hunnen selbst, die im vierten und fünften Jahrhundert existierten, ist nichts Schriftliches belegt. Nur das, was die Römer über sie geschrieben haben. Das haben wir zugrunde gelegt. Dazu noch der Austausch mit anderen Horden bei deren Lagern und bei unserem eigenen Lager und etwas Fantasie.

Die Hunnen waren anfangs ein nomadisches Reitervolk. Aber Pferde spielen in Ihrer Horde keine Rolle?

Leesemann: Nein, wir selbst haben keine Pferde, das könnten wir nicht leisten. Bei den Hunnen hatte jeder Krieger zwei Pferde. Die Krieger konnten, wenn nötig, 24 Stunden im Sattel sitzen, und sind im Reiten von einem Pferd auf das andere gewechselt, damit sich jeweils eins erholen konnte.

Wurden Sie zum Attila gewählt oder wie sind Sie zu Ihrem Alter Ego Attila gekommen?

Leesemann: Aus dem Kreis der Mitglieder wurde das bei der konstituierenden Sitzung des Vereins vorgeschlagen. Von vornherein hieß es: Bernie, mach das.

Wie haben Sie Ihr Outfit und Ihre „hunnischen“ Utensilien wie Thron und Kopf eines Schwarzbären zusammenbekommen?

Leesemann: Das echte Schwarzbärenfell als Zeichen der Stärke Attilas mit Kopf, gefletschten Zähnen und scharfen Krallen habe ich von einem Bekannten geschenkt bekommen, der den Bär in Übersee geschossen hatte. Der Adler ist ein Geschenk des damaligen Wormersdorfer Schützenkönigs Hubert Clemens. Und den Thron habe ich selbst gezimmert.

Woher bekommen die gewandeten Hunnen für gewöhnlich ihre Ausstattung?

Leesemann: Die vielen verschiedenen Felle und das Leder sind meist Geschenke. Vieles finden wir auf Flohmärkten, auf Mittelaltermärkten oder bei Lagern. Damit machen wir unsere Kleidung selbst. Auch unsere Waffen sind meist in Eigenarbeit entstanden. Zum Beispiel der Morgenstern. Es war richtig viel Arbeit, die Zacken zu schmieden und aufzuschweißen. Wir haben aber auch ein paar echte historische Waffen. Voll ausgestattet haben wir ständig unseren Planwagen mit Fellen, Leder, Wildschwein-, Reh- oder Pferdedecken.

Welche Namen oder Rollen aus der Hunnenzeit gibt es bei den Tomburgern außer Attila noch?

Leesemann: Fürst Elac, von der Geschichte her Attilas Sohn. Diesen Namen hat unser erster Vorsitzender Torsten Koll. Wir haben auch den Schamanen Malakai (Charlie Braun). Er kann mit den Göttern reden, er berät Attila, führt die Zeremonie von Namengebungen und hat mich auch zum Attila gekrönt. Vorher war ich nur „Attila von Mitglieders Gnaden“. Meine Frau hat keinen Namen, sie wird einfach „Attilas Weib“ genannt.

Können sich die jeweiligen Personen diese Rollen selbst aussuchen oder müssen sie sich auf irgendeine Weise in der Horde dafür qualifizieren?

Leesemann: Ein neuer Krieger ist erst einmal ein namenloser Krieger. Er muss einige Schlachten mit uns geschlagen haben, sprich er muss einige andere Lager mit uns besuchen, bei unserem eigenen mitgearbeitet haben und bei einer Reihe von Karnevalszügen dabei gewesen sein. Dann kann er sich einen Namen aussuchen und wir entscheiden, wann er seinen Namen bekommt.

Gibt es feste Rituale?

Leesemann: Alles, was an Attilas Tafel läuft, ist Laientheater ohne Drehbuch. Jeder Gast wird vom Schamanen an Attilas Tafel geleitet und vorgestellt. Dann fragt er den König, ob dieser Gast an die Tafel treten darf. Es wird etwas geplaudert, möglichst mit altertümlicher Begriffen, und dann wird der Trunk der Freundschaft getrunken. Diesen zeremoniellen Trunk nehmen wir aus dem Herkules-Kelch Attilas, einem metallenen Kelch mit rundumlaufenden Reliefs, die Herkules zeigen. Den habe ich einmal auf einem Flohmarkt gefunden.

Gibt es auch Dinge, die absolut nicht gehen?

Leesemann: Gar nicht geht an der Tafel der ganze neumodische Kram, weder Handy noch Uhr noch elektrisches Licht. Die Tafel soll so sein wie zu Lebzeiten Attilas. Nur das Mikrofon wird von uns geduldet. Einfach, damit alle im Lager was von der Unterhaltung Attilas mit seinen Gästen mitbekommen. Die Schamanen schimpfen dann allerdings immer auf den „römischen Knochen“.

Das Hunnenlager richtet sich an die ganze Familie. Was erwartet die Besucher?

Leesemann: Die Gäste der Wormersdorfer Vereine werden auf Wunsch mit dem Hunnen-Taxi, unserem Planwagen, abgeholt. Im Lager werden gewandete Hunnen aus zwölf Vereinen ihre Jurten aufbauen. Am Samstag erwarten wir unsere Besucher ab 14 Uhr mit Lagerleben, Bauchtanz, Tribal-Dance und bei Dunkelheit mit einer Feuershow. Am Sonntag ab 12 Uhr geht es weiter. Wir haben eine Hunnenhochzeit, Namengebungen und eine Ernennung eines Schamanen. Uhrzeiten für die einzelnen Ereignisse können wir leider nicht nennen. Und natürlich ist für reichlich Speisen und Getränke gesorgt.

Am Wochenende 29. und 30. Juli schlägt die Tomburger Hunnenhorde zum 21. Mal im Schatten der Tomburg ihre Jurten auf.

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