Interview mit Holger Klöß Der Trödel ist gut für die Dorfgemeinschaft

Rheinbach · Ortsvorsteher Holger Klöß über den Flohmarkt in Niederdrees und seine Bedeutung für den Ort. Überschüsse gehen in Projekte im Ort.

Dorftrödelmärkte haben Konjunktur. An jedem Wochenende wird in einem oder in mehreren Dörfern getrödelt und die Besucher kommen. Was macht Ihrer Meinung nach die Anziehungskraft aus?

Holger Klöß: Für die Verkäufer: Sie schieben einfach nur alles aus ihrer Garage raus vor das Haus oder in die Einfahrt. Wenn sie keine Lust mehr haben, schieben sie alles einfach zurück. Die Verkäufer haben einfach keinen Aufwand. Für die Käufer: Sie können besonders mit den Familien in einem überschaubaren Raum schlendern, sich umschauen, sich setzen, sich unterhalten oder die Kinder auf unserem Spielplatz spielen lassen. Und der Vorteil bei einem Dorftrödel ist einfach, dass man nicht bei Profis kauft. Es gibt nicht die Neuware und nicht den Ramsch. Man handelt einfach mit Leuten wie du und ich und hat Spaß.

Tragen vielleicht auch die entsprechenden Fernsehsendungen rund um Trödel und unerkannte Schätze zur Anziehungskraft bei?

Klöß: Ganz bestimmt. Aber auch andersherum: Ohne diese Trödelvielfalt würde es sicher die Sendungen gar nicht geben.

Was glauben Sie fasziniert denn die Menschen an „altem Kram“?

Klöß: Es ist nicht der „alte Kram“. Es ist vielmehr das Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer. Die Spannung des Käufers, etwas zu erstehen, wovon der Verkäufer nicht weiß, was es wirklich wert ist. Die Möglichkeit des Handelns. Die Freude etwas zu erstehen, was man schon immer haben wollte. Es ist aber auch zu beobachten, dass Menschen kommen, denen es wirtschaftlich nicht unbedingt möglich ist, in unserer Konsumgesellschaft Schritt zu halten.

Wie groß ist dabei denn der soziale Aspekt, wie Schwätzchen halten und Leute treffen?

Klöß: Sehr groß. Das ist schon ein Familienfest. Es kommen auch viele Leute, die gar nicht kaufen wollen, sondern nur rundgehen, Spaß haben, Freunde und Leute treffen. Auf unser Dorf bezogen, hat der Dorftrödel eindeutig positive Wirkung auf unser Dorfgemeinschaftsleben gebracht. Beste Beispiele sind der Bürgerstammtisch in der Alten Schule jeden letzten Mittwoch im Monat, der auf den Dorftrödel zurückgeht, und auch die Wiedergründung des Junggesellenvereins.

Aber ein Schwätzchen halten und Leute treffen kann man auch auf den üblichen Flohmärkten etwa auf Supermarkt-Parkplätzen.

Klöß: Das ist richtig. Aber dort ist es mehr oder weniger anonym. Schon das Wort Dorf klingt doch nach Geborgenheit, nach überschaubarem sozialem Umfeld. Das mögen die Leute sehr.

Würden Sie denn sagen, dass Dorfflohmärkte so etwas wie der analoge Gegenentwurf zu digitalen Verkaufsplattformen sind?

Klöß: Ganz bestimmt. Der Käufer will sein Objekt in die Hand nehmen, anfassen und von allen Seiten anschauen. Hier kann er auch etwas spontan kaufen, was er gar nicht geplant hatte. Ich glaube ohnehin, dass 70 Prozent Spontankäufe sind.

Niederdrees ist mit rund 430 Einwohnern ein eher kleines Dorf. Ist das Vorteil oder Nachteil für einen Dorftrödel?

Klöß: Aus der Erfahrung heraus zweifellos ein Vorteil. Wenn 40 bis 50 von 180 Haushalten dabei sind, gibt es in einem so kleinen Dorf keine großen Lücken. Und wir haben den Vorteil, dass wir keine Durchgangsstraße haben. Man kann einmal im Kreis durchs Dorf gehen.

Was geht denn besonders gut beim Dorftrödel und was nicht?

Klöß: Das kann man so nicht sagen. Hier geht alles weg. Es hat zum Beispiel schon mal jemand alte landwirtschaftliche Maschinen verkauft, die er eigentlich noch im Gebrauch hatte. Jemand anderes eine ganze Treppe, die er nach Miel auf die Deponie bringen wollte. Oder ein Käufer hat einen Stand mit lauter Playmobil komplett leergekauft, wodurch der Trödelmarkt für den Verkäufer nach 15 Minuten vorbei war. Oft gehen auch Sachen weg, von denen man selbst nicht geglaubt hätte, dass das noch jemand will. Immer gehen Schmuck, Gold, Fahrräder und Bilder. Dafür kommen morgens allerdings schon ganz früh die Profihändler.

Am Sonntag, 27. Mai, gibt es auch Parallelveranstaltungen wie das Schlossfest in Swisttal-Miel und vor allem den Dorftrödel in Swisttal-Essig gleich nebenan.

Klöß: Da machen wir uns keine Sorgen. Ganz im Gegenteil. Viele Besucher hoppen gerne von Dorftrödel zu Dorftrödel.

Etwas Organisation ist sicher auch nötig, um einen Dorftrödel auf die Beine zu stellen.

Klöß: Ja, ohne geht es nicht. Wir haben klare Teilnahmebedingungen, die jeder Verkäufer anerkennt. Teilnehmen dürfen nur Niederdreeser sowie an deren Stand auch Verwandte und Freunde. Nicht verkauft werden dürfen zum Beispiel eigens angeschaffte Neuwaren, Schusswaffen, explosionsgefährliche Stoffe oder jugendgefährdende Schriften. Ich als Ortsvorsteher übernehme die Schirmherrschaft, der Ortsausschuss kümmert sich um Organisation, Vorbereitung, Plakatieren und um die Einhaltung der Teilnahmebedingungen. Es gibt Pläne, aus denen die teilnehmenden Haushalte und auch die Toiletten ersichtlich sind. Pro Verkaufsstand nehmen wir einen Kostenbeitrag von zehn Euro. Was übrig bleibt, fließt in die Kasse des Ortsausschusses und bleibt im Dorf. Wir haben so und mit Spenden unter anderem schon für 16 000 Euro neue Spielgeräte für den Spielplatz angeschafft.

Der Dorftrödel in Niederdrees findet statt am Sonntag, 27. Mai, in der Zeit von 9 bis 17 Uhr, weitere Infos unter www.niederdrees.de.

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