Angriff am 29. Januar 1945 Vor 75 Jahren verwüsteten Bomben Rheinbach

Rheinbach · Am 29. Januar 1945 sterben bei einem Bombenangriff auf Rheinbach mehr als 130 Menschen. Heinz Löhrer geht im Archiv seines Vaters auf die Suche nach Fotos von damals.

 Das Foto aus dem Archiv von Hans Löhrer zeigt die Bahnhofstraße zwischen Bahnhofgässchen und Kreisverkehr Dreeser Tor/Aachener Straße nach dem Angriff am 24. Dezember 1944.

Das Foto aus dem Archiv von Hans Löhrer zeigt die Bahnhofstraße zwischen Bahnhofgässchen und Kreisverkehr Dreeser Tor/Aachener Straße nach dem Angriff am 24. Dezember 1944.

Foto: Axel Vogel

Für mehr als 130 Menschen in Rheinbach war der 29. Januar 1945 der letzte Tag in ihrem Leben. Und er ging als schwarzer Tag in die Chronik der Stadt ein. Heute vor 75 Jahren, damals ein Montag, lag Schnee und das Wetter war klar. Beste Sicht für die Piloten der alliierten Bomberverbände, die in den Monaten zuvor etliche Städte in Nazi-Deutschland in Schutt und Asche gelegt hatten. Am 29. Januar ist erneut Rheinbach das Ziel eines US-Verbands. Die Uhr zeigt 13.16 Uhr, als die Bomben fallen. Getroffen werden insbesondere Häuser entlang der Bahnhofsstraße.

 Heinz Löhrer hält ein Tagebuch in Händen, das sein Vater Hans geschrieben hat. Fotos/Repros: Vogel

Heinz Löhrer hält ein Tagebuch in Händen, das sein Vater Hans geschrieben hat. Fotos/Repros: Vogel

Foto: Axel Vogel

Dort stand auch das Haus der Familie Krautwig, den Schwiegereltern von Johannes „Hans“ Löhrer. Welche Eindrücke der Bäckermeister damals aus seiner zerstörten Heimatstadt mitnahm, hinterließ er in Tagebüchern, Dokumenten und Fotos. Das Archiv des längst verstorbenen Vaters verwaltet seit vielen Jahren dessen Sohn Heinz Löhrer. Der 74 Jahre alte Konditormeister ging anlässlich des Jahrestags von Rheinbachs „schwärzestem Tag“ in zahllosen Kartons, Kisten und Fotoalben auf Spurensuche.

Schon an Heiligabend 1944 fielen Bomben

Wenn Heinz Löhrer das kleine Säckchen aus dem Nachlass seines Vaters in Händen hält, wird der Schrecken jener Bombardierung vor 75 Jahren greifbar. Auch für ihn, der erst ein Jahr nach Kriegsende zur Welt kam. Das Säckchen, gefüllt mit Granulat für die Herstellung von Holzleim, steht für ein Kapitel Familiengeschichte. Es begann damit, dass Hans Löhrer erst wenige Tagen zuvor wieder bei seiner Familie eingetroffen war. Die Wehrmacht hatte den Soldaten abgestellt von der Ostfront bei Budapest zum „Bombenurlaub“. Das weiß Heinz Löhrer aus Gesprächen und dem väterlichen Tagebuch.

Rheinbach war schon vor dem 29. Januar 1945 Ziel alliierter Bomber geworden, zuletzt am 12. und 24. Dezember 1944. Bei diesen Angriffen nahm auch das Haus der Schwiegereltern Krautwig, die eine Kohlenhandlung an der Bahnhofstraße 9 betrieben, leicht beschädigt worden. In dem Haus wohnten damals Hans Löhrer und seine Frau Franziska. „Sie hatten damals noch Glück gehabt“, weiß Sohn Heinz. „Es waren nur ein paar Fenster herausgeflogen.“ Dafür waren die Nachbarhäuser „nur noch verkohlte Ruinen.“ Das zeigt auch ein Foto aus Löhrers Archiv.

Als Hans Löhrer am 22, Januar 1945 in Rheinbach zum Aufräumen eintraf, hofften er und viele andere Bürger, dass das Schlimmste überstanden ist. Zumal auch die Front nicht mehr weit war. Die GI´s kämpften bereits im rund 60 Kilometer entfernten Hürtgenwald, weiß Sohn Heinz. Vorsichtshalber habe sein Vater damit begonnen, die Ziegelei der Schwiegereltern, die damals außerhalb von Rheinbacher an der heutigen Danziger Straße lag, noch intensiver zu einem „Ausweichquartier“ herzurichten. Sogar mit dem Bau eines Erdbunkers sollte er später beginnen.

Am 29. Januar 1945 hatten die jung verheirateten Eheleute aber noch andere Pläne, wollten am Mittag der Schreinerei Kolvenbach in der benachbarten Langgasse einen Besuch abstatten. Dort hatte das Paar Möbel bestellt, die fast fertig waren. Um die Möbel verleimen zu können, hatte Hans Löhrer bei der Bestellung wenige Tage zuvor der Schreinerei reichlich Leinensäckchen mit Leimgranulat mitgebracht. „Der Leim war in diesen Zeiten eine kleine Kostbarkeit und ein Hochzeitsgeschenk des Schwagers und der Schwester meiner Mutter gewesen“, weiß Heinz Löhrer.

 1946 steht Heinz Löhrers Mutter Franziska mit ihm im Kinderwagen vor dem Haus der Familie Krautwig an der Bahnhofstraße.

1946 steht Heinz Löhrers Mutter Franziska mit ihm im Kinderwagen vor dem Haus der Familie Krautwig an der Bahnhofstraße.

Foto: Axel Vogel

Doch es kam ganz anders: Aus dem Besuch in der Schreinerei wurde nichts, es gab Fliegeralarm. Den erlebte das Paar – wie auch die Familie Krautwig – im Wohnbereich der Ziegelei. „Wegen der ständigen Alarme wich die Familie fast täglich dorthin aus“, weiß Heinz Löhrer. Dort erlebte sein Vater den Bombenangriff am 29. Januar hautnah: „Ein Bombenteppich verfehlte die Ziegelei nur um geschätzte 20 Meter. Die Bomben schlugen damals auf den gegenüber liegenden Acker ein.“ Genau dort, wo er in den 1960er Jahren seine Confiserie bauen sollte. Überdauert hat den Krieg eine Zeichnung des Vaters, auf dem die Bombeneinschläge auf dem Gelände kartiert sind.

Nach Kriegsende sind rund 65 Prozent der Stadt zerstört

Wie durch ein Wunder blieb das Haus der Schwiegereltern an der Bahnhofstraße erneut von Treffern verschont – und sollte auch den Rest des Krieges überstehen. Die Schäden im Stadtzentrum waren aber immens. Stadtarchivar Dietmar Pertz schätzt, dass nach Kriegsende rund 65 Prozent der Stadt zerstört waren. Zudem seien insgesamt 536 Kriegstote aktenkundig.

Hans Löhrer stellte am Nachmittag nach dem Angriff fest, dass auch die Schreinerei Kolvenbach einen Volltreffer bekommen hatte. Alle Bewohner waren tot. In der verkohlten Ruine stieß er auf einen kleinen Rest jenes Leims, den er und seine Frau Schreiner Kolvenbach zur Verfügung gestellt hatten. „Ein kleines Säckchen konnte mein Vater ’retten’ – und das habe ich bis heute aufgehoben“, erzählt sein Sohn Heinz.

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