Rheinbach Classics Altes Blech und Petticoats

RHEINBACH · Automobil-Geschichte der vergangenen acht Jahrzehnte wurde am Wochenende bei der sechsten Auflage der "Rheinbach Classics - Musik, Motoren, Petticoats" lebendig. Waren das noch Zeiten, als der Begriff "Luftwiderstand" keine Rolle spielte im Automobil-Design.

Jede Menge PS und Petticoats: Tausende von Besuchern säumten am Sonntag die Straßen in der Rheinbacher Innenstadt, um sich die Classics anzuschauen.

Jede Menge PS und Petticoats: Tausende von Besuchern säumten am Sonntag die Straßen in der Rheinbacher Innenstadt, um sich die Classics anzuschauen.

Foto: Roland Kohls

Als Aerodynamik noch ein Fremdwort war, waren Fahrzeuge noch individuelle Schönheiten mit chrom- und lackglänzenden typischen Attributen. Seien es die berühmten "Heckflossen" des Mercedes 230, die Klappscheinwerfer des Mercury Cougar, die hinten angeschlagenen "Selbstmördertüren" am Opel oder gar der "Ofenrohr-Auspuff" des Vorkriegs-Rennwagen Siemens Protos von 1931.

250 Oldtimer-Modelle paradierten am Sonntag beim Korso durch die Straßen der Rheinbacher Innenstadt und sorgten für strahlende Augen bei Tausenden von Zuschauern. Knatternde und nagelnde Automotoren, Motorräder und historische Feuerwehrfahrzeuge wurden begeistert begrüßt, gerade auch wenn man sie kräftig riechen konnte.

Im Mittelpunkt standen die teils liebevoll restaurierten, teils auch noch originalen Oldtimer von Chevrolet Corvette und Ford Thunderbird über Alfa Romeo Giulia und Fiat Cinquecento bis zu verschiedenen Lamborghini- und Porsche-Klassikern sowie einer ganzen Flotte aus dem BMW-Classic-Museum München.

Den Unterschied zu anderen Veranstaltungen dieser Art brachte Korso-Moderator Jürgen Cüpper, Oldtimer-Experte beim ADAC, so auf den Punkt: "Im Vergleich zu anderen sind die Rheinbach Classics nicht so museal, sondern werden getragen von der Rheinbacher Bevölkerung. Man merkt einfach, dass das Ganze hier ein wirkliches Volksfest ist."

Dieses Volksfest lebte nicht zuletzt von den vielen Fans der 50er und 60er Jahre, die auch mit ihren Outfits in die Zeit eintauchten: die Damen in gepunkteten Petticoat-Kleidern oder schmalen Capri-Hosen mit Pferdeschwanz, die Herren mit knöchelkurzen Hosen, weiten Sakkos und Schmalz-Tollen.

Entsprechend ihrem Roller Heinkel Tourist Baujahr 1962 hatten sich zum Beispiel die Rheinbacher Gisela und Klaus Drobig ausstaffiert, sie mit einem eigens nachgeschneidertem gepunkteten Petticoat-Rock, er mit kariertem Hemd und Käppi.

Nach dem Korso waren die Fahrzeuge nicht nur auf den Wällen, sondern in der gesamten Innenstadt ausgestellt. Dabei konnten die Besucher mit den Besitzern ausgiebig "Benzin reden", wie das Fachsimpeln unter Motorfreunden heißt. An Marktständen in der gesamten Innenstadt gab es neben Petticoats und Zeitschriften der 50er und 60er manches Original-Stück aus der Zeit, von Vasen bis zu Nierentischen und Lampen.

Währenddessen klang am Samstag und Sonntag Musik von Rock'n'Roll- und Boogie-Woogie-Bands. Buddy Holly, Elvis Presley oder Peter Kraus lebten auf mit Bands wie "The Tomcats", "The Rocking Roosters" oder "The Tomcats".

Am Samstag hatten 128 Oldtimer an der Orientierungs-Rallye durch Voreifel, Eifel und Ahr-Gebiet teilgenommen. 120 von ihnen hatten das Ziel erreicht, so der Leiter der 18-köpfigen Arbeitsgruppe Oldtimer, Wilfried Bode, die anderen acht hatten wegen technischer Defekte aufgeben müssen. Auf der Strecke gab es eine Reihe von Wertungsprüfungen zu absolvieren.

Zwei Beispiele: In Oberdrees mussten sich die Teams anhand sogenannter "Chinesen-Zeichen" orientieren, ob sie links, rechts oder geradeaus fahren mussten. An einer Station im Rheinbacher Industriegebiet mussten die Fahrzeuge möglichst exakt eine Strecke von 3,51 Meter zurücklegen - eine Herausforderung.

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Ein besonderes Ereignis hatte selbst die Rallyeerfahrenen überrascht: Ein Triumph mit englischen Kennzeichen hatte sich am Ziel auf der Rampe am Himmeroder Wall präsentiert - er war aber gar nicht Teilnehmer der Rheinbach Classics, sondern einer Rallye in Koblenz. Das Team hatte schlicht unterwegs die Orientierung verloren, begegnete zufällig Oldtimern der Rheinbacher Rallye und schloss sich ihnen an. Wilfried Bode: "So etwas habe ich noch nie erlebt. Er bekam natürlich spontan einen kleinen Sonderpreis."

  • Jens Hoffmeister, Rheinbach Classics Vorstand: "Man muss nicht Oldtimer sein, um sich für Oldtimer zu begeistern."
  • Heinz Haubrichs, Rheinbach Classics Vorstand, über sein erstes eigenes Auto: "Von meinem ersten Lehrlingsgehalt habe ich mir einen 1200-er VW gekauft. Der lag nach einer Woche auf dem Dach, mit umgedrehten Felgen."
  • Der Besitzer eines Cadillac Eldorado Baujahr 1959 mit 5 714 Millimetern Länge: "Parkplatzprobleme kenne ich nicht. Ich muss doch nur warten bis zwei andere Autos wegfahren."
  • Jürgen Cüpper: Korso-Moderator und Oldtimer-Experte beim ADAC, über mutige Autofahrer: "Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd."
  • Kurios: An den Meistbietenden abzugeben hatte ein ortsansässiger Bestatter einen restaurierungsbedürftigen Bestattungsanhänger von 1956.
  • Ältester Oldtimer war ein Opel Transport AG Typ 10-40 von 1927, der nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1989 in Babelsberg als Filmauto im Einsatz war.
  • 140 Einsatzkräfte von Freiwilliger Feuerwehr und Rettungsdienst waren am Sonntag während des Korso im Einsatz. Aufgrund der verkehrstechnischen "Teilung" des Stadtgebietes, mussten die Rettungsdienste doppelt besetzt sein.
  • Deinze: Mit von der Partie waren aus der Rheinbacher Partnerstadt Deinze wieder Mannschaft und Feuerwehr-Einsatzfahrzeug Magirus 126 D10, Baujahr 1965, das immerhin bis zum Jahr 2005 in Deinze im Einsatz bei Feuer und Gefahr war.
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