Senioren am Steuer Wenn die Fahrtüchtigkeit nachlässt

Meckenheim · Rege Diskussion im Forum Senioren Meckenheim: Wann sollten alte Menschen kein Auto mehr fahren? Mit einem facettenreichen Vortrag trafen die Neuropsychologin Anne-Simone Glodowski und der Fahrlehrer Reinhard Queckenberg aus Bad Neuenahr genau den Nerv des größtenteils über 70-jährigen Publikums.

 Autofahren bis ins hohe Alter ist ein Reizthema. Studien belegen: Ab dem 75. Lebensjahr steigt die Unfallrate an.

Autofahren bis ins hohe Alter ist ein Reizthema. Studien belegen: Ab dem 75. Lebensjahr steigt die Unfallrate an.

Foto: picture alliance / dpa

Das Nebenzimmer im Café in der Mitte am Le-MéePlatz war überfüllt, als das Forum Senioren Meckenheim (FSM) am Mittwochabend das Thema „Fahreignung im Alter“ auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Mit einem facettenreichen Vortrag trafen die Neuropsychologin Anne-Simone Glodowski und der Fahrlehrer Reinhard Queckenberg aus Bad Neuenahr genau den Nerv des größtenteils über 70-jährigen Publikums.

„Stadt, Land, Autobahn“, lautete die Antwort eines Zuhörers auf die Frage der Referenten nach zurückgelegten Strecken. Andere der Senioren nutzen das Auto, um zu entfernt wohnenden Enkeln, kulturellen Veranstaltungen, zum Arzt oder Einkaufen zu fahren und nehmen dabei auch oft Angehörige und Freunde mit. Statistisch sind 85 Prozent der über 65-Jährigen mit dem eigenen Auto unterwegs. Fahrrad fahren 36 Prozent, 42 gehen zu Fuß. Zehn Prozent fahren mit anderen mit, 24 nehmen Bus und Bahn und nur vier Prozent dieser „sparsamen Generation“ ein Taxi.

Laut Anne-Simone Glodowskis Vortrag besitzen mehr als zwei Drittel der Generation 65 plus – also zehn Millionen Deutsche – einen Führerschein. Über 250 000 sind älter als 85 Jahre. Doch diese Selbstbestimmung bringt leider auch „steigendes Risiko“ mit sich, führte sie aus: Zwischen 2001 und 2011 hätten Senioren fast 32 Prozent mehr Unfälle verursacht; ab dem 75. Lebensjahr steigt das Unfallrisiko vor allem bei Wenigfahrern um 45 Prozent. Derzeit haben von den über 80-jährigen Frauen nur 20 Prozent einen Führerschein. In 15 Jahren werden es 80 Prozent sein, bei den Männern nahezu 100. Junge Fahrer unter 20 Jahren und ältere ab etwa 82 stehen in der Unfallstatistik oben. Fahrlehrer Queckenberg berichtete, dass Ausbildung und Erfahrung oft nicht mehr zur drastisch angestiegenen Verkehrsdichte und neuen Verkehrsregelungen passten.

Bei grünem Star kann ein Tunnelblick entstehen

Laut Glodowski schwächen Seh- und Hörminderungen, Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität) und die Einnahme verschiedener Medikamente (Polypharmazie) die Fahrtüchtigkeit. Positiv wirken sich hingegen Erfahrung, strategische Flexibilität und hohes Sicherheitsdenken aus. Ein Raunen ging angesichts eines verschwommenen Fotos durchs Publikum, das die Auswirkung eines Katarakts am Auge zeigte.

In schweren Fällen ist das scharfe Sehen sechsfach vermindert. Bei grünem Star kann ein Tunnelblick entstehen, Kinder am Straßenrand werden leicht übersehen. Diabetes, Bluthochdruck, beginnender Morbus Parkinson und Altersdepressionen sind ebenfalls eine Gefahr. „Irgendwann ist die Fähigkeit, ein Auto zu lenken, für uns Menschen zu Ende“, resümierte die Psychologin. Kritisch beurteilte sie das Verhalten von Ärzten: Von 1000 befragten älteren Autofahrern wurden nur vier Prozent vom Hausarzt aufgeklärt, während sich 88 Prozent dies wünschten. 67 Prozent seien auf ärztlichen Rat bereit, den Führerschein abzugeben.

Gemäß Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) sind Fahrer verpflichtet, selbst vorzusorgen. Wer andere einschränkungsbedingt gefährdet, kann laut Paragraf 315 StgB mit fünf Jahren Haft oder Geldstrafen belegt werden. Beide Experten rieten zu regelmäßigen Gesundheitskontrollen und Fahrsicherheitstraining. Eine komplette Schulung 65 plus kann bis zu 300 Euro kosten, sagte Queckenberg.

Im Falle der Fahrunfähigkeit hält Glodowski ein „ehrliches Gespräch“ für besser als „Blockademaßnahmen“ wie das Verstecken des Autoschlüssels. Ältere Fahrer könnten Fahreinschränkungen, etwa nachts, im Führerschein eintragen lassen oder für den Nahverkehr auf „Mikrocars“ mit Höchsttempo 45 umsteigen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort